𝖙𝖍𝖎𝖗𝖙𝖞𝖋𝖎𝖛𝖊

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Sichtlich gestresst verließ Allison das einschüchternde Gemäuer, ihr Gang war nicht mehr so federnd und gelassen wie zuvor. Sie lange in ihre Jackentasche und holte damit ihren Autoschlüssel heraus, mit dem sie ihren blauen Audi aus größerer Distanz entsperrte. Allison hatte lange gespart, um sich ihr Traumauto kaufen zu können. Sie konnte nicht stolzer darauf sein.

Kurz darauf hatte sie ihr Auto erreicht und öffnete die Fahrertür, bevor sie sich schwungvoll auf den Fahrersitz fallen ließ, die Tür schloss und das Transportmittel wieder versperrte.

Ihre Tasche warf die junge Frau achtlos auf den Beifahrersitz, bevor sie tief durchatmete, den Kopf gegen die dafür vorgesehene Lehne lehnte und die Augen schloss. Sie wollte Grayson nicht von ihrer Vergangenheit erzählen. Jahre hatte sie dafür gearbeitet, ihr wahres Ich zu verstecken, das unsichere Mädchen zu ersticken, doch sie merkte, wie ihre Maske langsam zerbrach. Es würde nicht mehr lange dauern und alles wäre für nichts, Geheimnisse würden in die Welt getragen und Freundschaften belastet werden. Und das nur wegen eines Falles, der sichtlich an der Psyche eines jeden Beteiligten nagte.

Wer war denn bereit, so eine Tat anzurichten, um es auf Allison zurückfallen zu lassen? Die junge Frau kannte einige Abgründe der Menschheit, ja, sie kannte sogar einige der Protagonisten persönlich, doch niemandem, den sie kannte, würde sie so etwas kalkuliertes zutrauen. Sollten die Morde von Drogen motiviert sein, war Allison definitiv die Falsche und außerdem wäre der Mord schnell und effizient. Allisons Mutter wäre ein logischeres Opfer, also schloss die Frau dies schonmal aus.

Eifersucht? Dies wäre ein Motiv, doch war es für eine solche Mordserie das Richtige? Und wer sollte irgendwo Eifersucht auf den Constable hegen? Beziehungen hatte Allison erst eine und David war es bestimmt nicht. Freunde hatte Allison kaum welche und die, die sie hatte, waren auf keinen Fall toxisch und eine solch starke Eifersucht hätte man doch irgendwie bemerkt, oder?

Doch was für ein Motiv gab es dann? Allison wusste darauf keine Antwort, ihre Augen flatterten irritiert auf. Sie hatte ihr Leben der Rettung von Menschenleben gewidmet, war immer hilfsbereit und wollte nur das Beste für Menschen. Womit verdiente sie dann solch eine Strafe?

Das plötzliche Klingeln ihres Handys riss Allison aus ihren Gedanken. Ihr Blick glitt kurz zu der Quelle des Lärms, bevor sie die Tasche öffnete und nach dem Gerät suchte. Als sie es fand, wurde sie von einer unterdrückten Nummer überrascht, beantwortete den Anruf jedoch. „Allison Morris, guten Tag?"

Tiefe Atemzüge formten ihren Weg durch die Lautsprecher des Handys, ließen Allison ihre Augenbrauen zusammenziehen. „Hallo? Wer ist da?"

„Allison ...", vernahm die junge Frau plötzlich eine verzerrte Stimme, ihr Herz setzte einen Schlag aus. Konnte das ... nein. Woher hatte der Mann jetzt noch ihre Nummer? Was wusste er denn noch alles über Allison?

„Warum tun Sie das?", fragte Allison nach, versuchte, einen gefassten Eindruck zu machen, doch ihre Stimme zitterte leicht, während Adrenalin durch ihre Venen jagte. Zuerst kam keine Antwort und eisige Stille schien beinahe die Verbindung zu zertrennen. Der ganze Körper des Constables fühlte sich an, als würde er taub werden, bevor sie sich zu einem „Hallo? Sind Sie noch da?" zwang.

„2311", drang es aus den Lautsprechern, bevor ein Knacksen in der Leitung zu vernehmen war und der Anruf abbrach.

Allisons Körper war in einer Schockstarre, sie konnte sich für eine kurze Zeit kaum bewegen. Er kam ihr näher, immer näher. Es fühlte sich an, als könnte sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren, obwohl er hoffentlich einige Kilometer entfernt war.

Nach kurzer Zeit schaffte Allison es, das Handy wegzulegen und blinzelte die Tränen weg, die sich in ihren Augen gebildet hatten. Jetzt durfte sie keine Schwäche zeigen. Das würde den Mann sicher nur zu weiteren Taten animieren.

Sie atmete tief durch, schüttelte ihre Arme, die unangenehm zu kribbeln begonnen hatten. Ihre Gedanken rasten und die Idee, Grayson von ihrer Vergangenheit zu erzählen, stieß ihr bitter auf. Warum sollte ein Mörder der Erste sein, dem sie sich anvertraute?

Allison spürte, wie ihre Atmung flacher wurde, sie blinzelte heftig, als Tränen, die sich bildeten, ihre Augen verließen und so die Sicht erschwerten.

„Nein ... nein ...", murmelte sie leise, als sie nach Luft schnappte, während sich ihre Finger verkrampften und ihr ganzer Körper zitterte. So viel dazu, dass sie Ruhe bewahren musste.

Unerwünschte Bilder jagten durch Allisons Kopf, sie schloss krampfhaft die Augen, während sie das Gefühl hatte, zu ersticken. Die Wände des Autos schienen sie zu erdrücken, doch die Frau zwang sich, sitzen zu bleiben, um die Situation nicht zu verschlimmern.

Atme.

Die Augen der jungen Frau flatterten wieder auf, sie versuchte, ihre Gedanken umzulenken, doch es war so schwer. Sie langte nach ihrer Tasche und kramte nach ihrer Notfallmedikation, bevor sie diese herausnahm und angestrengt versuchte, die kleine Flasche, die das Behältnis von Beruhigungstropfen bildete, zu öffnen, obwohl ihre Finger genau das machten, was sie nicht tun sollten.

Stopp. Wir sind in keiner Gefahr, alles wird gut. Hör einfach auf.

Dunkle Gedanken tyrannisierten die junge Frau weiter, sie versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bekommen, während sie auch irgendwie versuchte, sich abzulenken. Doch die harte Realität war, dass es in ihrem Leben mehr negatives als positives gab, womit die Möglichkeiten der Ablenkung nicht sonderlich groß waren.

Normalerweise wäre dies ein Moment, in dem David neben ihr sitzen und ihr gut zureden würde. Er würde ihr beruhigend über die Schultern streichen, versuchen, sie abzulenken, sowie mit ihr warten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Danach würde er alles dafür geben, um Allison wieder gut fühlen zu lassen.

Das waren die Momente, in denen es Allison besonders auffiel, dass sie David vermisste. Diese vielen, kleinen Interaktionen gaben ihr so viel Kraft und nun war es vorbei damit. Obwohl es ihre Schuld war, wollte sie es nicht wahrhaben.

Es tat so weh.

Nach ein paar Minuten schienen die Tropfen Wirkung zu zeigen, da sich langsam alles beruhigte. Die Gedanken verlangsamten sich und erhellten, während ihre Atmung ebenfalls in den Normalzustand zurückkehrte. Der letzte Zeuge der Panikattacke war nur noch der kraftlose Körper der jungen Frau, sowie die Tränen, die über ihre Wangen strömten.

Allison stützte sich auf ihrem Lenkrad ab, ein Schluchzen kam über ihre Lippen. Sie hatte keine Zeit mehr. Der Mörder kam immer näher und wenn er nicht bald gestoppt wurde, würde sie noch wahnsinnig werden. Doch sie konnte sich nicht damit anfreunden, ihr Leben vor Harvey offenzulegen. Der Constable wollte nicht, dass ihr scheinbar perfektes Leben sich in Luft auflöste. Sie war noch nicht bereit dafür.

„Gib mir Zeit ...", hauchte sie, zog die Nase hoch. „Ein wenig mehr Zeit, bitte ..."

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Hattest du auch schon einmal eine Panikattacke?

Vorschläge, Anregungen und konstruktive Kritik - ab damit in die Kommentare. (:

Alles Liebe,
Laura x
[1086 Wörter]

The Whiterose Murderer | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt