Die etwas kühlere Luft, die die Gesichter der beiden Frauen umspielte, fühlte sich erfrischend an. Erika hatte sich bei Allisons linken Arm eingehängt, während diese mit der rechten Hand die Leine der dreizehnjährigen Mischlingshündin Nora hielt. Die betagte Dame war noch ziemlich fit für ihr Alter, doch das half ihr nicht dabei, Krankheiten aus dem Weg zu gehen. Ständige Tierarztbesuche waren ein Muss und die vor kurzem diagnostizierte Leberkrankheit schwächte sie zusätzlich, doch Nora wäre nicht Nora, wenn sie das in die Knie zwingen würde. So trabte sie gemütlich neben ihren Besitzern her, die frische Luft genießend.
„Der zieht mir noch das ganze Geld aus den Taschen!", kam es von Erika, als sie in Richtung des Hundes deutete. „Sie ist halt eine Diva, sie braucht eine Extrabehandlung!"
Die Frau lachte leise, griff in die Packung voll Nüsse, die sie mitgenommen hatte und steckte sich davon einige in den Mund. „Ach, solange ich das Geld habe, mache ich es gerne, oder, Nora?"
Die Hündin warf ihrer Besitzerin einen kleinen Seitenblick zu, trabte jedoch unbesorgt weiter durch den Park. Schweigen füllte die Luft, in der Ferne hörte man Kinder schreien, sowie einen Hund bellen. Allison mochte es, hier zu sein. Es fühlte sich gut an, einfach in der Natur zu sein und die Sonne zu genießen.
„Lass' uns kurz hinsetzen!", kam es von der etwas stärkeren Frau, bevor sie sich, ohne auf eine Antwort zu warten, auf eine der vielen Parkbänke fallen ließ. Allison tat es ihr gleich, wartete geduldig, bis Nora verstanden hatte, dass es nicht mehr weiterging und sich träge vor ihr auf den Boden fallen ließ.
Auch wenn es vielleicht nicht so rüberkam, aber Nora war das ein und alles für Allisons Mutter. Kurz nach ihrem Entzug hatte die Frau die Hündin adoptiert und diese half ihr, selbst in schweren Zeiten den Mut nicht zu verlieren. Sie war wie ein Therapiehund für Erika, nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken.
Die ältere der beiden hielt Allison die Packung Nüsse hin, woraufhin Allison mit einem leisen „Danke!" ein paar entnahm und selbst aß. Die beiden Frauen hingen ihren Gedanken für eine Weile nach, bevor Allison das Wort ergriff: „Liam hat mir gesagt, dass sie meine Bewachung etwas erhöhen. Außerdem hat Grayson gemeint, dass 2311 ein Datum darstellt, was eigentlich logisch ist, aber das schlechte daran ist, dass morgen der 23.11. ist ... ich bin nicht bereit für was auch immer morgen passieren soll!" „Wärst du jemals bereit?"
Die Frau sah ihre Tochter abwartend an, woraufhin diese mit den Schultern zuckte. „Nein, wahrscheinlich nicht. Aber trotzdem! Diese Ungewissheit macht mich fertig!"
Frustriert nahm Allison noch ein paar Nüsse in den Mund und starrte in die Ferne. „Mich auch, Engel. Ich kann es nicht aushalten, dich leiden zu sehen. Ich hoffe nur, dass der Albtraum bald einmal aufhört. Ich könnte dich nicht nochmal, aber dafür endgültig verlieren!"
Der Constable nickte, ihre Stimmung schlug sichtlich in die falsche Richtung um. Sie hob die Augenbrauen und stieß einiges an Luft aus, bevor sie sich vorsichtig zu ihrer Mutter drehte. „Ich habe Mister Harvey von meiner Vergangenheit erzählt!"
Sofort hörte Allisons Mutter mit dem Kauen auf, sah ihre Tochter entgeistert an. „Bitte was? So einem Menschen erzählst du sowas privates? Gehts noch, Allison?" „Ich dachte mir, vielleicht hilft es ihm ja ..." „Nein."
Die Frau schüttelte den Kopf und hob tadelnd ihren linken Zeigefinger, bevor sie die Nüsse neben sich abstellte. „Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch über ihn? Ich habe dir gesagt, dass er gerne manipuliert. Ihm liegt nichts an dir. Alles was er will sind Informationen, damit er dich fertig machen und zu seinem eigenen Vorteil nutzen kann. Wie kannst du nur so blöd sein?"
Allison schluckte kaum merkbar, versuchte, den harschen Kommentar zu überspielen. Sie liebte ihre Mutter und wusste auch, warum sie so war und dass sie es gar nicht so meinte, aber es tat trotzdem weh. „Ich weiß, es war vielleicht unüberlegt, aber er ... er versteht mich, er hat mich beruhigt, als ich eine Panikattacke hatte, er ..." „Manipulation, Allison! Warum sollte er es sonst machen? Du glaubst doch nicht wirklich, dass ihm ernsthaft was an dir liegt, oder?"
Die junge Frau hielt kurz inne, bevor sie den Kopf schüttelte und den Blick abwendete. Sie hätte das Thema gar nicht aufbringen sollen.
„Ally, es tut mir leid, das war etwas hart, aber du verstehst, was ich meine, oder?", entschuldigte sich Erika nach einer kurzen Zeit, legte ihre Hand auf Allisons Oberschenkel. Die junge Frau nickte nur, ihre Augen glasig. „Klar, ich verstehe. Tut mir leid, ich hätte es erst gar nicht aufbringen sollen!" „Nein, es ist meine Schuld ehrlich. Ich verstehe, warum du so sehr glauben willst, dass er dich als Mensch mag. Du hattest nie eine wahre Bezugsperson und er ist das Nächste, was du hast!"
„Können wir einfach ..." Allison spürte, wie Tränen ihre Augen verließen. Sie stand ruckartig auf, was Nora, die es sich gerade gemütlich gemacht hatte, verwirrt aufsehen ließ. Sie spürte Stiche in ihrer Magengegend, blinzelte heftig. Warum mussten alte Wunden unbedingt noch weiter aufgerissen werden?
„Ally, verdammt, es tut mir leid!" Erika schnellte ebenfalls aus ihrer Sitzposition hoch und packte ihre Tochter an den Oberarmen, sodass sie Blickkontakt herstellen konnte. „Ich bin heute die Königin im Grenzen überschreiten. Es tut mir so leid, wirklich, glaub mir. Ich ..." „Schon gut, können wir es einfach lassen?"
Erika nickte, ließ ihre Tochter los und sah sie mit einem entschuldigenden Blick an. Die beiden sagten den restlichen Weg nichts mehr, doch manchmal sprach Schweigen mehr als tausend Worte.
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Findest du, Erikas Redensweise ist gerechtfertigt oder nicht?Vorschläge, Anregungen und konstruktive Kritik - ab damit in die Kommentare. (:
Alles Liebe,
Laura x
[916 Wörter]
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The Whiterose Murderer | ✓
Mystery / ThrillerAllison Brooke führt als einfacher Constable ein ruhiges, friedliches Leben, ist zufrieden mit ihrem Job. Doch von einem Tag auf den anderen wird jegliche Erfahrung der jungen Frau auf die Probe gestellt, als Allison den Fall eines jungen Mannes zug...