5 - Was sagt Heath?

1.9K 327 83
                                    

Für einen Moment sitzen wir einfach nur da, mein Puls rauscht laut in meinen Ohren und dann höre ich Ryans Stimme, die krächzend sagt: „Gloria, ich bin's. Deine tote Oma."

Im nächsten Augenblick blendet das Licht, das Florence wieder einschaltet, meine Augen und ich halte schützend den Arm vor mein Gesicht.

„Du bist so ein Arschloch, Ryan!", schreit Gloria ihn an und ich meine zu hören, dass irgendetwas geworfen wird.

Innerhalb kürzester Zeit ist der Raum wieder mit dem üblichen Gerede und Lachen erfüllt und Schritte sind zu hören, weil die Ersten wieder nach unten gehen.

„Alles okay, Eric?", fragt Daphne und legt ihre Hände auf meinen Arm.

Ich zwinge mir ein Lächeln auf, öffne vorsichtig meine Augen und blinzle sie an. „Alles gut. Was sagt Heath?"

Sie rollt mit ihren grünen Augen und rappelt sich auf. „Offenbar hatte er gerade keine Sprechstunde. Meine Augen brennen von diesem Gestarre in die Flamme. Bei dir?"

Ich schüttle den Kopf und fummle am verkohlten Docht meiner Kerze herum.

„Vielleicht müssen wir es doch nochmal mit einem Ouija-Brett versuchen!", ruft Florence laut, als sie Gloria nach draußen folgt.

„Dafür müssten aber alle von uns lesen können", witzelt Ryan, der hinter ihnen geht, und erntet sofort einen Schubser von unserer Gastgeberin.

„Wollen wir auch nach unten gehen?", wendet sich Daphne an mich und greift die noch immer verschlossene Flasche Zitronenlimonade, die hinter mir steht.

Ich presse meine Lippen fest aufeinander und nicke nur kurz.

„Eric?"

Ich drehe meinen Kopf und blicke verwundert zu Simon Donovan, der noch immer im Schneidersitz mit der Kerze zwischen seinen Händen sitzt und mich mit seinen blau-grünen Augen betrachtet.

Hat er mich gerade mit meinem Namen angesprochen?

„Ich ... geh dann mal", wispert Daphne mit dem breitesten Grinsen und bevor ich sie stoppen kann, ist sie mit samt der Flasche aus dem Zimmer gehuscht.

Hilflos blicke ich ihr nach, ehe ich mich wieder Simon zuwende und feststellen muss, dass wir die beiden Letzten im Raum sind. „J-Ja?"

„Wie geht's dir?", will Simon von mir wissen und ich runzle verwundert die Stirn.

„Äh ... ganz okay, denke ich. Und ... äh ... und dir?"

Ich zähle natürlich nicht die Worte, die wir miteinander sprechen, in meinem Kopf mit.

Zusammen mit den gelegentlichen ‚Hi's, die wir im Schwimmkurs ausgetauscht haben, sind es jetzt zwanzig. Meine ‚Äh's zähle ich nicht mit.

„Ich ... ich weiß nicht", gibt er zurück und blickt sich verloren um.

Meine Aufregung wird um Sorge erweitert. Ist ihm schlecht? Hat er vorhin zu viel getrunken? Habe ich ihn überhaupt trinken sehen? Wenn ja, was? Diesen Punsch? Etwas anderes? Hat ihm jemand etwas in seinen Drink gemischt?

„Kann ich dir irgendwie helfen?" Vorsichtig krabble ich über den Boden auf ihn zu, um aber in gebührendem Abstand vor ihm sitzen zu bleiben.

„Wie geht's Mom?" Seine Augen ruhen wieder auf mir und ich befürchte, ich mache mir gleich in die Hosen, wenn er mich weiter so ansieht.

Etwas überfordert ziehe ich die Augenbrauen nach oben. Woher soll ich wissen, wie es seiner Mom geht? Ich weiß nicht mal wirklich viel über seine Familienverhältnisse. Soweit ich weiß, ist er ein Einzelkind. Das war es dann aber auch schon.

„Äh ... ich glaube, gut?" Meine Antwort ist eher eine Frage, denn was, wenn seine Mutter krank ist oder einen Unfall hatte, von dem niemand weiß? „Soll ... soll ich dich nach Hause bringen?"

Super Idee, Thompson. Weil du ja selbst mit dem Auto hier bist und ihn fahren kannst, du Hirni!

Simons Augen weiten sich, als würde ihm gerade etwas klar werden. „Nach Hause?"

Okay, hier stimmt irgendwas ganz und gar nicht.

„Ich ... ich ... sollen wir deine Eltern anrufen, Simon? Die können dich vielleicht abholen", schlage ich vor und versuche unauffällig ein Handy an ihm zu entdecken.

Röntgenblick funktioniert noch nicht, aber das ist auch ganz gut so, sonst wäre ich ganz schnell wieder in so einer Duschsituation.

Simon blickt an sich herab, hebt seine Hände, betrachtet sie einen Moment, ehe er sie an sein Gesicht legt und mich mit großen Augen anstarrt. „Ich bin Simon Donovan?"

Wow, wir haben hier ein großes Problem! Und das übersteigt eindeutig meinen Kompetenzbereich.

„J-Ja", ist alles, was ich sagen kann.

Ist er bei diesem Beschwörungsding vielleicht eingeschlafen und schlafwandelt jetzt? Schlafwandler soll man ja nicht aufwecken. Aber was zur Hölle soll ich dann mit ihm tun?

„Fuck, das ist ja unangenehm für dich!", lacht Simon und ich starre ihn vollkommen verwirrt an.

Wenn hier jemals ein Faden war, hab ich ihn nicht verloren, sondern zweifle seine tatsächliche Existenz ganz klar an.

Simon legt seine Hand auf meine Schulter und lächelt liebevoll.

Mein Blick wandert zu seiner Hand und nein, ich raste innerlich gerade nicht total aus!

„Wie geht's Eddie?"

Ich habe das Gefühl, sämtliches Blut in meinem Körper sackt nach unten mir wird schwindelig.

Eddie war mein Hamster. Eddie ist vor einem halben Jahr gestorben. Nur meine Familie und Daphne kannten Eddie.

„W-Woher weißt du von Eddie?" Meine Hände zittern und ich weiß nicht, welches Gefühl in mir gerade überwiegt.

Da sind Aufregung, Verwirrung, Sorge und jetzt auch ... Wut? Erlaubt sich hier irgendjemand einen schlechten Scherz mit mir?

„Eric, ich bin's", lacht Simon und legt allen Ernstes beide Hände an meine Wangen. „Shawn!"

Begeisterung | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt