33 - Ich weiß, dass du eine Liste hast

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Meine Mom betrachtet mich lange mit ihren warmen, braunen Augen, nachdem ich meine Erzählung über meinen gemeinsamen Nachmittag mit Simon Donovan beendet habe.

Den Teil, dass wir allein mit einem Auto unterwegs waren, habe ich wohlweislich verschwiegen, ebenso wie die Tatsache, dass bis gestern noch Shawn in Simons Körper steckte.

Ich bin nicht sicher, welche dieser beiden Informationen Mom endgültig in den Wahnsinn treiben würde, habe aber auch keine Lust, das herauszufinden.

Also hat sie nun den Stand, den Simon und auch offiziell ich haben, minus den Part, dass Simon das Auto gefahren hat und auch minus den Part, dass Simon und sein Vater kaum Geld haben, dafür aber plus den Teil, dass die Mutter abgehauen ist.

Gar nicht kompliziert.

„Oh Gott", seufzt sie und streichelt beruhigend über meinen Unterarm, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Berührung mich oder eigentlich sie beruhigen soll. „Ich verstehe nicht, wie eine Mutter so etwas tun kann. Einfach ihre Familie verlassen. Der arme Vater. Armer Simon!"

„Aber Mom, du darfst es niemandem erzählen!", weise ich sie streng an. „Nicht mal Dad weiß es. Und Daphne auch nicht! Niemand weiß davon!"

Sie lacht hilflos und drückt meinen Arm mit ihren Händen. „Aber ... er tut mir so leid!"

Ich nicke und löffle mit meiner freien Hand den letzten Rest Vanillepudding aus meiner Schale. „Ich weiß, aber ich habe ihm versprochen, nichts zu sagen. Eigentlich habe ich das schon gebrochen, indem ich es dir erzählt habe."

Mom schüttelt energisch den Kopf. „Das zählt nicht. Ich würde nie etwas sagen! Und es war richtig. Du musst mit jemandem darüber reden. Nicht nur über seine Mutter, sondern auch über das andere."

Ich runzle die Stirn. „Welches andere?"

Sie rollt mit den Augen, wie damals, wenn ich beim gemeinsamen Puzzle oder Memory das Offensichtliche nicht erkannt habe. „Die Fragen? Ich bitte dich, Eric! Er mag dich!"

„Pfft!", schnaube ich. „Er war nur neugierig. Vermutlich kann er in der Footballumkleide nicht solche Fragen stellen, ohne sofort den Spitznamen ‚Schwuchtel' oder so zu bekommen."

Meine Mutter blickt mich eindringlich an. „Und meinst du nicht, dass er sich seine Antworten auch im Internet hätte holen können?"

Ich lehne mich zurück und fahre mit meinen Händen durch meine Haare, nicht zuletzt, um auch ihrem Griff zu entkommen, der mich plötzlich zu sehr einengt. „Mom!", jammere ich. „Hör auf damit, okay? Ich will mir keine falschen Hoffnungen machen. Er brauchte einfach jemanden zum Reden. Einen Freund."

Sie steht lächelnd auf und räumt ganz selbstverständlich meine leere Puddingschüssel in den Geschirrspüler. „Dein Vater und ich sind auch Freunde."

„Was sind wir?" Als hätten ihre Worte ihn herbeigehext, steht Dad plötzlich in der Tür und sieht sich neugierig um. „Ist noch was von diesem Pudding übrig?"

Mom kichert und schiebt eine Schale mit dem gelben Gold, die sie vorhin vorsorglich beiseite gestellt hatte, über die Arbeitsplatte zu ihm. „Natürlich, mein Schatz. Und ich sagte Eric nur gerade, dass wir beide auch Freunde sind."

Mein Vater löffelt gierig den Pudding, während er abwechselnd zwischen Mom und mir hin und her sieht. „Ach, du meinst wegen Simon?"

Entnervt stehe ich auf und schiebe meinen Stuhl demonstrativ an den Tisch heran. „Und an dieser Stelle beende ich gern das Gespräch", verkünde ich. „Danke für den Pudding, ich gehe in mein Zimmer."

Meine Mutter kichert und zwinkert mir zu. „Alles klar, aber wenn Simon vorbeikommen will, kann er das gern tun."

„Danke Mom", rufe ich sarkastisch, während ich bereits die Treppe nach oben renne und hoffe, dass sie mich erst mal in Ruhe lassen.

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