20 - Finger weg von meinem Pudding

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Als Daphne und ich sämtliche Ereignisse ihres gestrigen Abends mit den Zwillingen von allen Seiten beleuchtet und analysiert haben, klopft es an meiner Tür und meine Mutter steckt den Kopf herein.

„Habt ihr zwei vielleicht Hunger?", fragt sie. „Ich habe Maccaroni mit Käse gemacht."

Daphnes Augen beginnen zu strahlen, denn Mac 'n Cheese ist ihr Lieblingsessen. Sie krabbelt vom Bett und klatscht begeistert in die Hände. „Danke, Mrs. T!"

Meine Mom lächelt wissend, als meine beste Freundin schnell an ihr vorbei aus dem Zimmer huscht.

Ich bleibe auf dem Bett liegen und strecke wie früher, wenn sie mich zum Schlafen gebracht hat, die Arme nach ihr aus. „Du bist die beste Mom, weißt du das eigentlich?"

Ungläubig lachend kommt sie zu mir und lässt sich allen Ernstes zu mir nach unten sinken und umarmen. „Woher kommt den plötzlich diese ganz ungewohnte Erkenntnis von dir?"

„Die ist nicht ungewohnt", murmle ich und drücke ihren weichen Körper an mich. „Nur nicht oft gesagt und das tut mir leid."

Meine Mom hebt den Kopf und betrachtet mich nachdenklich. „Ist alles okay, mein Schatz?"

Ich nicke und zwinge mir ein Lächeln auf mein Gesicht.

Wie gern würde ich ihr sagen, dass Shawn okay ist und dass er sie liebt und uns vermisst und dass er einfach ... okay ist.

Doch sie würde mir nicht glauben und die Wunde, die ich damit aufreißen würde, ist noch lange nicht verheilt. Ich weiß, wie lange sie gebraucht hat, den Verlust von Shawn zumindest so weit zu überwinden, dass sie für mich da sein kann.

„Alles okay, Mom", seufze ich.

„Ich habe auch warmen Vanillepudding", flüstert sie geheimnisvoll an mein Ohr und ich reiße verblüfft die Augen auf.

Ich liebe warmen Vanillepudding!

Früher hat sie mir immer welchen gemacht, wenn ich krank war.

„Wow", mache ich. „Danke!"

Sie setzt sich vorsichtig auf und streicht zärtlich durch mein Haar. „Du bist zwar nicht krank, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er dir heute ganz gut täte."

Ich schlucke schwer gegen den Kloß in meinem Hals und rapple mich hoch, um meine Mutter an mich zu drücken.

Bevor ich wieder anfange zu weinen, hauche ich ihr einen Kuss auf die Stirn, springe auf und flitze aus dem Zimmer.

„Daphne!", rufe ich laut, als ich die Treppen nach unten renne. „Iss so viele Maccaroni wie du willst, aber Finger weg von meinem Pudding!"

•••

Nachdem Daphne und ich das leckere Essen verputzt und die Küche aufgeräumt haben, stehen wir am Fuß unserer Treppe und ich drehe mich zu meiner besten Freundin. „Und? Was machen wir jetzt? Sollen wir noch einen Film schauen?"

Daphne blickt auf ihr Handy und seufzt. „Ich muss nach Hause. Meine Grandma hat Geburtstag und wir besuchen sie."

„Soll ich dich noch nach Hause bringen?", biete ich an, doch sie schüttelt den Kopf.

„Ich bin ohnehin mit dem Fahrrad da und bis du deins aus der Garage gekramt hast, ist die Besuchszeit im Altersheim wahrscheinlich schon wieder vorbei", kichert sie.

Ich versuche, ein beleidigtes Gesicht zu machen, doch es will mir nicht recht gelingen. Also entscheide ich mich stattdessen für eine feste Umarmung für die beste Freundin, die man haben kann. „Tut mir leid, dass ich gestern Abend nicht erreichbar war", murmle ich in ihre dichten Locken.

„Schon vergeben", nuschelt sie an meiner Schulter. „Danke, dass du mir geholfen hast, das Ganze etwas lockerer zu sehen."

Ich gluckse leise vor Lachen. „Ich hoffe, daran denkst du auch, wenn du mit den beiden im Bett landest und es genießt."

Daphne drückt sich von mir und kneift mir fest in die empfindliche Rückseite meines Oberarms. „Danke, dass du mich daran erinnerst, dass du ein Arsch bist!"

Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibe ich mir die Stelle, die morgen vermutlich einen fiesen blauen Fleck aufweisen wird. „Nicht, dass du das mal vergisst, Liebes", lache ich.

Daphne streckt mir die Zunge raus, als sie über unsere Veranda nach draußen zu ihrem Fahrrad geht und ich winke ihr fröhlich lächelnd mit dem Mittelfinger, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwindet.

Ehe ich die Treppe nach oben in mein Zimmer gehe, schaue ich ins Wohnzimmer und entdecke meine Mom schlafend auf dem Sofa.

Auf Zehenspitzen schleiche ich hinein und breite die Wolldecke, die immer zusammengelegt auf einer der Armlehnen liegt, aus und lege sie sanft über ihren Körper.

Suchend schaue ich mich um und frage mich, wo mein Vater ist. Als ich ihn nirgends im Haus entdecken kann, gehe ich nach oben in mein Zimmer und nehme mein Handy, das noch immer am Ladegerät auf meinem Nachttisch liegt.

Das Display zeigt mir mehrere entgangene Anrufe und Textnachrichten von Daphne. Mit einem stechenden Schmerz in der Brust stelle ich fest, dass keine Nachricht von S. dabei ist.

Ich öffne die Kontakte und wähle die Nummer meines Vaters. Zwar habe ich keinen Schimmer, wie ich es schaffen soll, Simons Vater unbemerkt einen Job zu besorgen, aber um zumindest zwischen den Zeilen die Hilfe von meinem Dad zu bekommen, muss ich ihn erst einmal finden.

Glücklicherweise antwortet er nach dem vierten Klingeln. „Eric?" Die Verwunderung in seiner Stimme ist nicht zu überhören.

„Hey Dad", fange ich unverfänglich an. „Wo bist du denn?"

„Ich ... äh ... bin im Büro."

Verwirrt runzle ich die Stirn. „Es ist Sonntag, Dad."

Er atmet laut hörbar aus. „Ich weiß, aber es ist über die Woche leider so viel liegengeblieben, dass ich sonst einfach nicht dazu komme. Ist alles okay?"

„Kann ... kann ich dir irgendwas helfen?"

„Du?"

Ich zucke mit den Schultern, obwohl er es nicht sehen kann. „Ja ... ich ... Daphne hat heute keine Zeit und ich hab nicht wirklich was vor, also ..."

Mein Dad zögert kurz, ehe er antwortet. „Also, wenn du dich hier nicht langweilst, würde ich mich freuen, wenn du vorbeikommst. Fährt deine Mutter dich oder soll ich dich abholen?"

„Weißt du was, Dad?" Ich blicke gedankenverloren aus dem Fenster. „Ich denke, ich suche mein Fahrrad aus der Garage."

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