39 - Das kriege ich hin

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Später liege ich auf meinem Bett und denke noch immer an die Worte von Simon und die meiner Mutter. Und als hätte meine Grübelei ihn herbeigehext, leuchtet das Display meines Handys mit einer Nachricht von ihm auf.

Simon

Hey. Noch wach?

Hey, ja. Alles ok bei dir?

Denke schon.

Du denkst?

Kann ich kurz anrufen?

Ich schlucke und räuspere mich, ehe ich ihm antworte.

Simon

Klar, kein Problem.

Ich zucke erschrocken zusammen, als allerdings nicht ein normaler sondern ausgerechnet ein Videoanruf eingeht.

Hektisch wuschle ich durch meine Haare und blicke einmal an mir herunter. Zum Glück schlafe ich immer in einem T-Shirt. Nichts wäre peinlicher als ein Videoanruf von Simon Donovan und ich bin gerade nackt.

Mein zitternder Zeigefinger drückt auf den grünen Knopf und dann erscheint der Traum meiner schlaflosen Nächte auf meinem Display und lächelt mich an.

Und mir entgeht natürlich nicht, dass er kein T-Shirt trägt.

„Hey", presse ich hervor und bemühe mich, nicht auf seine entblößten Schultern zu starren.

Glücklicherweise füllt sein Gesicht den Großteil des Bildschirms aus, aber dennoch frage ich mich, ob er wohl sehen kann, wo genau ich hinschaue.

„Lagst du schon im Bett?", fragt Simon mit schuldbewusst gerunzelter Stirn.

Ich lache und zucke mit den Schultern. „Es ist ziemlich egal, zu welcher Tageszeit du mich anrufst, die Wahrscheinlichkeit mich im Bett zu erwischen, ist verdammt hoch."

Er kichert und nickt zustimmend. „Okay, dein Bett ist auch wirklich bequem."

„Und selbst? Wolltest du gerade unter die Dusche und dann ist dir was Dringendes eingefallen?"

Sehr gut, Eric! Die Flucht nach vorn. Innerlich gebe ich mir ein High Five.

Simons Wangen nehmen einen leicht pinkfarbenen Ton an und er lacht beschämt. „Ich schlafe immer ohne T-Shirt, sorry."

„Das heißt, du lagst eigentlich schon im Bett?"

Er seufzt. „Meins ist zwar nicht ganz so bequem wie deins, aber ja. Doch ich konnte nicht schlafen." Wieder hat er diesen verlorenen, traurigen Gesichtsausdruck, den ich heute Nachmittag schon mehrfach an ihm beobachten konnte.

„Was ist los, Simon?" Jetzt mache ich mir Sorgen um ihn.

„Ich ... ich hab mit meinem Dad gesprochen."

Ich runzle die Stirn. „Über?"

„Darüber, dass ich dir und deinem Dad heute geholfen habe und wie viel Spaß das gemacht hat und dass ich das gern öfter machen würde."

Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer, denn das bedeutet gleichzeitig, dass er auch mehr Zeit mit mir verbringen will. Oder?

„Und ... was hat er gesagt?"

Simons Hand fährt über sein Gesicht und er atmet hörbar aus. „Er fand es gar nicht so schlecht."

Ich ziehe meine Augenbrauen skeptisch zusammen. „Aber?"

Er beißt sich auf die Unterlippe. „Und dann hab ich ihm erzählt, dass ich dir von ... naja ... von Mom und der ganzen Sache erzählt habe."

Überrascht reiße ich die Augen auf.

Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.

„Äh ... wow" ist alles, was ich dazu sagen kann.

Simon seufzt. „Ja, das war auch eigentlich nicht geplant, aber ich wollte ihn auch nicht anlügen und am Ende kommt das sowieso immer irgendwie raus. Und es tat einfach so gut, mit dir darüber reden zu können und das hab ich ihm auch gesagt und dass du es nie weiter erzählen würdest."

Die Worte kommen ganz schnell aus seinem Mund und wäre er hier, hätte ich ihn spätestens jetzt einfach in den Arm genommen. Stattdessen breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus und er stockt, um mich verwirrt anzusehen. „Was ist?", fragt er irritiert.

Ich schüttle den Kopf, noch immer lächelnd. Wenn er so ehrlich sein kann, kann ich es auch.

Zumindest ein bisschen.

„Wenn du jetzt hier wärst, hätte ich dich an dieser Stelle wahrscheinlich einfach in den Arm genommen", gebe ich offen zu.

Simons Lächeln gleicht nun meinem und ich kann es mir nicht verkneifen, einen Screenshot von unserem Videochat zu machen.

Unser erstes gemeinsames Foto. Er in groß mit einem fantastischen Lächeln auf meinem Display, ich oben rechts in klein, mein Gesicht ähnlich glücklich.

„Soll ich nochmal vorbeikommen?", witzelt er und unwillkürlich schnappe ich erschrocken nach Luft.

Sofort bemerkt er den Wandel in der Stimmung und lacht unbeholfen. „Sorry, morgen ist Schule," redet er sich raus.

Ich schlucke und räuspere mich, ehe ich zurück auf das vorherige Thema komme. „Wie hat dein Dad reagiert? War er sehr sauer?"

Simons Augenbrauen heben sich, als er sich erinnert, dass wir eben noch über seine Beichte sprachen. „Naja, zuerst schon. Aber dann ..."

Erwartungsvoll betrachte ich ihn und muss ein aufgeregtes „Dann was?" zurückhalten.

„Meinst du, dein Dad könnte ihm einen Job besorgen?" Er kratzt sich den Hinterkopf und ich frage mich unwillkürlich, ob die Haut an der Innenseite seines Oberarms wohl so weich ist, wie sie aussieht. „Er kann inzwischen so ziemlich alles, was irgendwie handwerklich ist und vorher hatte er ja auch viel mit Bürokram und sowas zu tun. Ihm ist nur wichtig, dass–"

„Dass es keiner mitbekommt", vervollständige ich seinen Satz. „Also, dass er seinen alten Job verloren hat."

Simon nickt, seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

Ich lächle ihn aufmunternd an. „Das kriege ich hin. Ist es okay, wenn ich meinem Dad von eurer Situation erzähle?"

Er nickt und strahlt mich an. „Danke, Eric. Für ... für alles."

„Sehr gern."

Wie ein Trottel schmachte ich ihn an, wie er mir auf meinem Display entgegenlächelt und lausche dem dröhnenden Klopfen meines Herzens in meinen Ohren.

Plötzlich reißt Simon die Augen auf, als würde ihm noch etwas einfallen. „Hey! Soll ich dich morgen früh zur Schule abholen? Also ... wenn es für deine Mutter okay ist, natürlich."

Verblüfft blinzle ich mehrmals. „Ähm ... äh ..." stammle ich.

Sein Blick huscht auf einmal hin und her und wieder reibt er über sein Gesicht. „Schon gut, war nur so eine Idee. Ist ja auch schon ganz schön spät."

„Ich müsste sie fragen, aber ich glaube, sie ist schon ins Bett gegangen."

Simon winkt ab und lacht wieder so unbeholfen. „Kein Ding. Dann sehen wir uns morgen in der Schule."

„Okay", kann ich gerade noch hervorbringen, als er einmal kurz winkt und den Anruf beendet.

Verzweifelt lasse ich das Handy neben mir auf die Matratze fallen.

Dieser Typ macht mich vollkommen fertig.

Begeisterung | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt