41 - Du siehst aus wie ein Honigkuchenpferd

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„Danke, Mom", sage ich, als sie ihren Kleinwagen vor der Einfahrt der Schule hält.

Als ich den Türöffner greife, packt sie meinen Ärmel und hält mich zurück. „Eric? Das mit Simon ..."

Mit einem Lächeln löse ich ihren Griff zaghaft und streichle über ihre Hand. „Ist okay, Mom. Er hat einfach nur gefragt, es ist keine große Sache."

„Lass mir einfach einen Moment Zeit, darüber nachzudenken, okay?" Ihre Mundwinkel heben sich leicht und sie tätschelt meinen Arm.

„Ich geb dir auch zwei oder mehr Momente, Mom", erwidere ich zwinkernd und öffne die Tür. „Bis später, hab dich lieb."

Kaum dass ich aus dem Auto hinaus in den Nieselregen gestiegen bin, stolpere ich beinahe über meine beste Freundin, die offenbar auf mich gewartet hat.

„Auch dir einen guten Morgen", begrüßt sie mich mit einem schmollenden Blick, ihre Hände in die Taschen ihres dicken Anoraks gestopft.

Ich habe das Gefühl, dass sie gar nicht wirklich schmollt. Irgendwas in ihrem Blick verrät mir das Gegenteil.

„Hey Daph." Ohne Vorwarnung schlinge ich einfach meine Arme um sie und knuddle sie ganz fest. Da sie ihre Hände nicht rechtzeitig befreien kann, ist sie mir hilflos ausgeliefert.

„Warum bringt deine Mom dich?", nuschelt sie an meiner Jacke und schüttelt ihre Locken.

„Hab den Bus nicht mehr bekommen", berichte ich wahrheitsgemäß und löse meinen Griff nur ein wenig, um besser nach unten in ihr Gesicht sehen zu können.

Ihre Stirn runzelt sich skeptisch. „Warum grinst du so?"

„Ich grinse?"

„Du siehst aus wie ein Honigkuchenpferd." Auf einmal gleicht ihr Gesicht meinem und sie kichert los. „Simon hat nach dir gefragt!" Ihre Stimme ist ein aufgeregtes Quietschen.

Verdattert reiße ich die Augen auf. „Was?"

Ihr Kopf nickt wild und es muss verdammt lustig aussehen, wie ich meine Arme um ihren kleinen Körper geschlungen habe und nur ihr lockiger Kopf dazwischen herumwackelt. „Er hat mich fast schon abgefangen und gefragt, wo du bist."

Suchend schaue ich auf, kann Simon aber unter den wenigen Schülern, die ins Schulgebäude eilen, nicht ausmachen.

„Er ist schon drinnen, weil Ryan ihn und die Jungs mitgezerrt hat." Sie rollt mit ihren grünen Augen.

Mein Kopf schießt nach unten und ich grinse sie verschmitzt an. „Die Jungs?"

„Tom und Till. Die Jungs", stellt sie klar und bemüht sich sichtlich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
Natürlich scheitert sie gnadenlos.

„Die Jungs oder deine Jungs?", erkundige ich mich lachend und kreische erschrocken auf, als sie es schafft, ihre kalten Finger unter meiner Jacke und meinem Sweatshirt hindurch an meinen Rücken zu legen.

Damit schafft sie es locker, sich aus meinem Griff zu befreien und fährt sich einmal mit der Hand durch die Lockenmähne. „Du bist ja nur neidisch, dass ich zwei habe und du nur einen."

Ich beuge mich zu ihrem Ohr und raune: „Herzchen, die ganze Schule ist neidisch auf dich, das kannst du mir glauben."

Augenblicklich überzieht Röte ihr Gesicht und sie schlägt mir halbherzig gegen den Oberarm, was ich mit einem Lachen quittiere.

„Komm, lass uns reingehen und dann müssen wir uns was überlegen, wann wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand bringen." Ich lege meinen Arm um ihre Schultern und gemeinsam überqueren wir den Schulhof und gehen auf den Schuleingang zu.

•••

Den gesamten Vormittag kommen Daphne und ich nicht dazu, uns über unser Erlebtes auszutauschen.

In Englisch schreiben wir einen Test und Mathematik haben wir in unterschiedlichen Kursen. In Biologie sind wir zwar wieder im gleichen Kurs, aber wir werden in neue Laborgruppen eingeteilt und unser Lehrer scheint es besonders spaßig zu finden, die Partner dafür auszulosen.

Es endet damit, dass Daphne eine von den Cheerleadern bekommt, die alle irgendwas mit L heißen und bei mir nur unter Tick, Trick und Track laufen, und ich kriege Liam.

In einem wuseligen Moment in der Klasse beuge ich mich zu ihr rüber und flüstere: „Wolltest du lieber tauschen?" Ich ernte lediglich einen Todesblick von ihr.
Offensichtlich möchte sie das Angebot nicht annehmen. Ich kann sie verstehen.

Als es endlich zur Mittagspause klingelt, hakt sich meine beste Freundin stöhnend bei mir unter und zieht mich augenrollend mit sich. „Ich muss hier raus. Das ist nicht auszuhalten!"

„Lass mich zumindest noch meine Sachen in den Spind bringen, okay?" Mit Daphne im Schlepptau gehe ich den Korridor entlang, als uns plötzlich Simon und die Zwillinge entgegenkommen.

Daphnes Hand schiebt sich in meine und drückt einmal fest zu, ich erwidere den Druck zaghaft.

„Hey Eric", begrüßt Simon mich strahlend, als er vor mir zum Stehen kommt. „Hi Daphne."

„Hi", piepst es neben mir und ich brauche gar nicht nach unten zu sehen, um zu wissen, dass sie wahrscheinlich wieder ganz gerötete Wangen hat.

Auch Tom und Till grinsen breit und ich kann auch jetzt beim besten Willen keinen Unterschied zwischen ihnen feststellen.

„Wollen wir in der Pause zusammen rumhängen?", fragt Simon möglichst beiläufig und tritt von einem Fuß auf den anderen.

Ich sehe nach unten zu Daphne und räuspere mich. „Naja ... eigentlich wollten Daphne und ich–"

„Total gerne!", fällt mir meine hoffnungslos verschossene Verräterfreundin ins Wort.

So viel zum Thema „Auf den gleichen Stand bringen". Irgendwie hatte ich mir einen Rat von ihr erhofft, wenn ich ihr zumindest den Teil erzähle, in dem Simon mich über das Schwulsein ausgefragt und gesagt hat, er habe kein Problem damit Bianca zu sein.

„Eric?", richtet Simon das Wort an mich. „Ist das okay für dich?"

Oh Hilfe, warum muss er so toll sein?

„To-Total okay", stottere ich. „Ich muss nur meine Bücher verstauen. Was ... was wollen wir denn machen?"

Simon und die Zwillinge tauschen wissende Blicke aus, ehe sie uns wieder ansehen. Einer der blonden Jungs grinst und sagt: „Wir haben da schon eine Idee."

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