19 - Der ist aber auch ein Multitalent

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Zehn Minuten später sitze ich, nun ebenfalls in Jogginghose und Hoodie, mit Daphne auf meinem Bett, jeder von uns mit einer Tasse Milchkaffee in der Hand.

„Jedenfalls haben wir uns diesen Erdbeerbecher geteilt und die Jungs haben mich gefragt, was ich noch so mache", berichtet Daphne, während ich gebannt zuhöre. „Du warst ja weg und ich meinte, dass ich noch keine Pläne hätte. War das doof?"

Ich lache und zwinkere ihr zu. „Süße, ich bin ja nicht umsonst abgehauen! Und dann?"

Sie zuckt mit den Schultern und löffelt etwas Milchschaum in ihren Mund. „Sind wir ein bisschen durchs Einkaufszentrum gebummelt und irgendwann ins Kino gegangen."

„Zu dritt?"

Daphne nickt. „Wir haben irgendeinen Film mit Harry Styles geguckt", kichert sie. „Die dachten wohl, ich steh auf den. Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich hoffnungslos in Heath Ledger verliebt bin."

Grübelnd lege ich meine Hand an mein Kinn. „Wobei Harry Styles jetzt auch nicht ohne ist."

Daphne verzieht zweifelnd ihr Gesicht. „Aber der singt doch eigentlich. Wieso spielt der jetzt in Filmen mit?"

„Liebes, dein geliebter Heath singt auch in ‚10 Dinge, die ich an dir hasse', da stört dich das doch auch nicht", lache ich.

„Der ist aber auch ein Multitalent!"

Ich mache eine abwägende Bewegung mit meiner Hand. „Ich bin jetzt nicht ganz so tief in diesem Harry Styles-Thema drin, aber ich meine, sowas wird dem auch nachgesagt. Ich jedenfalls finde ihn schon sehr ... hübsch."

Sie lacht und stupst mich in die Seite. „Dann weiß ich ja, was ich dir zu deinem nächsten Geburtstag schenke."

Begeistert reiße ich die Augen auf. „Du schenkst mir Harry Styles? Krieg ich den in einer Torte? Nackt? Mit so einer roten Schleife um–"

Kichernd hält Daphne mir ihre kleine Hand vor den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen. „Du bist so doof, Eric. Es ging doch gar nicht um Harry Styles!"

„Vielleicht wollten sie dich in Stimmung bringen", nuschle ich hinter ihrer Hand, die sie nun wieder herunternimmt.

„Das brauchten sie gar nicht", seufzt sie und schlürft von ihrem Kaffee.

„What?" Erwartungsvoll starre ich sie an.

Daphne zuckt mit den Schultern und seufzt leise. „Ich saß in der Mitte und hatte das Popcorn auf meinem Schoß und es war so ... keine Ahnung ... mein Herz hat voll schnell geklopft. Und auf einmal hat Tom sich zu mir rübergebeugt, mein Kinn so in seine Hand genommen und mich geküsst."

Verdattert starre ich meine beste Freundin an, mein Mund steht einfach nur offen und kein Wort kommt heraus.

„Es war total ... süß und ich hatte richtig krasses Bauchkribbeln, aber auch irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil Till ja auf der anderen Seite saß und das bestimmt total komisch für ihn war."

Ich überlege, wie es mir wohl dabei gegangen wäre. „Ich hätte mir wahrscheinlich einfach eiskalt das Popcorn gegriffen und in mich reingeschaufelt."

Daphne lacht und schüttelt den Kopf. „Hat er aber nicht. Irgendwann haben Tom und ich aufgehört und den Film weitergeschaut und kurz danach hat Till genau das Gleiche gemacht."

„Den Film geschaut?", frage ich dümmlich, denn ich glaube, mich verhört zu haben.

Ein weiteres Kopfschütteln meiner besten Freundin verrät mir, dass ich auf dem Holzweg bin. Das und die Röte ihres Gesichts. „Er hat mich geküsst."

„Till?"

Nun nickt sie.

„Erst hat Tom dich geküsst und dann Till?", gebe ich meine Annahme der Situation nochmal wider.

Ein erneutes Nicken bestätigt meinen Verdacht.

„Was hat Tom dazu gesagt??" Am liebsten hätte ich jetzt Popcorn hier, denn das ist spannender als jeder Film.

„Nichts", wispert Daphne. „Er hat gegrinst, als ich das nächste Mal zu ihm geschaut habe."

„Aber ... was bedeutet das jetzt?"

Sie stellt ihre Tasse auf meinem Nachttisch ab und lässt sich laut seufzend nach hinten auf mein Bett fallen. „Ich habe keine Ahnung."

Ich schlürfe den Rest meines Kaffees, stelle meine Tasse neben ihre und lege mich neben sie.

Sofort legt sie ihren Kopf auf meiner Brust ab und schlingt ihre Arme um mich. „Denkst du, ich bin eine Schlampe?", murmelt sie kaum hörbar.

Entsetzt hebe ich den Kopf und drücke sie ganz fest an mich. „Bist du bescheuert? Natürlich nicht! Offenbar scheinen die beiden doch eine Art ... Abkommen? Absprache? miteinander zu haben."

Daphnes Finger malen kleine, unsichtbare Muster auf dem Stoff meines Hoodies. „Absprache? Wie ein Streich? Meinst du, sie verarschen mich?"

„Nein! Ich meine eher, dass sie dich wohl beide mögen und auch bereit wären ... zu teilen?", überlege ich laut. „Wie hat es sich denn angefühlt?"

Sie schweigt einen Moment und scheint nachzudenken. „Gut. Voll gut, um ehrlich zu sein."

„Und wo ist dann das Problem?", frage ich.

Daphne setzt sich auf und starrt mich mit ihren großen, grünen Augen an, als würde mir das Offensichtlichste nicht auffallen. „Äh ... dass ich siebzehn bin und vielleicht meine erste Beziehung mit nur einem Jungen führen sollte?"

Augenrollend setze ich mich auf und packe ihre Schultern. „Und seit wann machst du alles so wie alle anderen? Daph, wen interessiert es denn? Die Cheeleader? Höchstens, weil sie dich beneiden. Die sind doch alle entweder scharf auf Ryan, Simon oder einen oder beide Zwillinge."

„Und genau deshalb werden sie mich für eine Schlampe halten!", ruft sie verzweifelt.

Ich schüttle genervt den Kopf. So kommen wir hier nicht weiter. „Hast du die beiden schon jemals ohne einander gesehen?"

Sie runzelt die Stirn. „Was?"

„Du hast mich schon verstanden, hast du schon mal einen von denen alleine gesehen?"

Zögerlich schüttelt sie ihren Kopf. „Ich denke nicht."

„Eben!", bestätige ich sie. „Selbst wenn nur einer von denen krank ist, bleibt der andere zu Hause. Wusstest du, dass sich einer von den beiden in der dritten Klasse mal den Unterarm gebrochen hat? Die kamen beiden mit einem Gips in die Schule! Ich glaube, bis heute weiß keiner, welcher von denen den tatsächlichen Bruch hatte."

„Was willst du mir damit sagen, Eric?", will Daphne genervt wissen.

„Dass du bei ihnen anscheinend nur das Gesamtpaket bekommst!", lache ich. „Entweder beide oder keiner. Und ich könnte mir vorstellen, dass die anderen Mädchen alle überfordert damit wären."

„Und ich?", ruft sie. „Ich bin auch überfordert!"

Grinsend zeige ich auf sie. „Aber du fandest es heiß und das Einzige, was dich überfordert, sind deine eigenen Gedanken über irgendwelche altbackenen Geschlechterrollen und Beziehungsmodelle. Polyamorie ist Trend, mein Schatz!"

Daphne betrachtet mich skeptisch, ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt. „Seit wann bist du denn so ... weise?"

Ich spiele ihr Entsetzen vor, indem ich meine Hand über meine Brust lege und sie pikiert von oben herab betrachte. „Seit immer natürlich."

Begeisterung | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt