Ich kann nicht glauben, dass ich an einem Sonntagnachmittag in einem Auto sitze, das von niemand geringerem als Simon Donovan gefahren wird und ich mich gerade vor ihm geoutet habe, weil er offenbar einer der wenigen Schüler unserer Schule ist, dem meine sexuelle Orientierung nicht über die obligatorische Gerüchteküche zugetragen wurde.
Normalerweise tue ich mich nicht einmal schwer damit, Leuten zu offenbaren, dass ich schwul bin, aber normalerweise bin ich auch nicht schon seit Jahren heimlich verliebt in die Person.
„Oh", höre ich Simon sagen. „Das ... das wusste ich nicht."
Oh lieber Gott, was habe ich getan, dass du mich so quälen musst? Von allen Menschen dieser Schule weiß ausgerechnet er es nicht?
Ich zucke mit den Schultern und jetzt reißt die blöde Liste tatsächlich an einer Seite ein, weil ich nervös daran herumfummle. „Hab jetzt auch keinen Aushang gemacht oder so", brumme ich und bin selbst überrascht, wie feindselig ich dabei klinge.
Wäre Daphne hier, würde sie mir einmal fest gegen den Hinterkopf schlagen.
„Entschuldige", wispert Simon und startet das Auto erneut. „W-Wo müssen wir als Nächstes hin?"
Oh, fantastisch. Jetzt ist es nicht nur unangenehm, weil ich heimlich in ihn verschossen bin oder weil mein toter Bruder bis gestern noch in seinem Körper gesteckt hat, sondern auch weil er gerade erst erfahren hat, dass ich schwul bin und wir quasi in einem engen Auto eingesperrt sind.
Ich schließe für einen Moment meine Augen und atme tief gegen den Schmerz in meiner Brust. „Du kannst mich auch zurückfahren und ich mache den Rest mit meinem Dad." Meine Augen fixieren einen Fleck an einem Laternenmast schräg vor uns und ich konzentriere mich ganz fest darauf, um mein Gesicht möglichst regungslos zu halten.
Der Motor geht wieder aus und aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie Simons Fingerknöchel weiß hervortreten, als sie das Lenkrad fest umfassen.
„Hab ich was Falsches gesagt?", fragt er leise und ich senke meinen Blick, während ich den Kopf schüttle.
„Nein, schon okay."
„Willst du darüber reden?"
Verwundert drehe ich meinen Kopf zu ihm. „Was?"
Er zieht die Schultern nach oben und hebt gleichzeitig seine Augenbrauen. „Keine Ahnung, ist es ... ein Geheimnis oder so? Ich erzähle es keinem. Und ich wollte dir auch nicht zu nahe treten. Wahrscheinlich denken Typen immer als Erstes, dass du automatisch auf sie stehst, nur weil du schwul bist." Er lacht unbeholfen und ich kann ihn nur vollkommen perplex anstarren.
Sein Blick schießt für eine Sekunde zu mir, bevor er seinen Mund zu einer schmalen Linie zusammenpresst und wieder nach vorn durch die Windschutzscheibe starrt.
Unwillkürlich muss ich loslachen, obwohl ich am liebsten heulen würde. „Ich bin gerade total verblüfft, dass du so viel plapperst."
Simons Augen weiten sich erschrocken und ein kleines Schmunzeln erscheint auf seinem Gesicht. „Ich auch", presst er hervor.
„Es ... es ist kein Geheimnis", sage ich leise und rolle eine Ecke des Papiers zwischen meinem Daumen und Zeigefinger herum. „Ich hab nur keine große Sache daraus gemacht."
„Tut mir leid, dass ich es nicht wusste. War es ... wann wusstest du es?" Er betrachtet mich mit seinen aufmerksamen, blau-grünen Augen und wäre ich nicht ohnehin schon unsterblich verliebt in ihn, wäre es wahrscheinlich spätestens in diesem Moment um mich geschehen.
Fast platzt mir ein „Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe" raus, doch ich räuspere mich und zucke mit den Schultern. „Vor drei oder vier Jahren oder so. Weiß nicht mehr genau."
„Wow, so lange schon?" Simon klingt ehrlich überrascht. „Und ... wie waren die Reaktionen so?"
Ich reiße vorsichtig ein Stückchen von dem Papier in meinen Händen ab und forme mit den Fingerspitzen ein kleines Kügelchen aus dem Schnipsel. „Ganz okay, denke ich. Meine Eltern und ... Shawn waren total okay und haben es super aufgenommen. In der Schule haben manchmal ein paar Leute komisch geguckt, aber gesagt hat keiner was. Und Daphne war ganz aus dem Häuschen, dass sie für immer ohne Probleme bei mir übernachten darf und es nie komisch zwischen uns werden wird."
Simon lacht und nickt zustimmend. „Das passt irgendwie zu ihr."
Ich kaue auf meiner Unterlippe, denn um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich noch dazu sagen soll.
Simon schweigt für einen Moment neben mir, seine Finger sind nun nicht mehr ganz so fest um das Lenkrad gelegt und sein rechter Daumen trommelt einen kleinen Rhythmus auf das Leder. Er dreht den Kopf zu mir, holt Luft und öffnet den Mund, um ihn gleich wieder zu schließen.
Verwundert runzle ich die Stirn. „Was ist?"
Er schüttelt den Kopf und blickt wieder geradeaus. „Schon gut."
Ich schnaube. „Du wolltest noch irgendwas sagen."
„Nein, nein. Schon okay."
Augenrollend werfe ich die kleine Papierkugel nach ihm. „Jetzt sag schon. Wann sonst hast du Gelegenheit, einen schwulen Jungen alles zu fragen, was du wissen willst, ohne dass deine Gorillafreunde dumme Witze reißen?"
Er lacht. „Gorillafreunde?"
„Ryan? Der ist so kurz vor Brusttrommeln", kichere ich und halte meinen Daumen und Zeigefinger in etwas einem Millimeter Abstand.
Simon nickt. „Da könntest du recht haben. Der ist manchmal echt wie ein Gorilla."
„Dem würde ich solche Fragen auch nicht einfach beantworten", gebe ich mit pikierter Stimme von mir und hebe demonstrativ mein Kinn an. „Du darfst dich also geehrt fühlen, Simon Donovan."
Er lacht laut auf und mimt eine kleine Verbeugung. „Oh, das tue ich, vielen Dank!"
„Also, was wolltest du noch wissen?"
Augenblicklich wird sein Gesichtsausdruck wieder ernst und er betrachtet mich aufmerksam. „Warst du schon mal verliebt?"
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Begeisterung | ✓
Teen Fiction𝐄𝐢𝐧𝐞 𝐮𝐧𝐞𝐫𝐰𝐚𝐫𝐭𝐞𝐭𝐞 𝐁𝐞𝐠𝐞𝐠𝐧𝐮𝐧𝐠 𝐚𝐮𝐟 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐫 𝐏𝐚𝐫𝐭𝐲 𝐛𝐫𝐢𝐧𝐠𝐭 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐧𝐮𝐫 𝐄𝐫𝐢𝐜𝐬 𝐕𝐞𝐫𝐬𝐭𝐚𝐧𝐝 𝐬𝐨𝐧𝐝𝐞𝐫𝐧 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐬𝐞𝐢𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐚𝐬 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐬𝐞𝐢𝐧𝐞𝐬 𝐡𝐞𝐢𝐦𝐥𝐢𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐒𝐜𝐡𝐰𝐚𝐫𝐦𝐬 �...