Kapitel 9

51 6 0
                                    

Das Gespräch mit Dorian blieb bei mir im Gedächtnis.

Er hatte gesagt, dass ich andere vielleicht retten konnte. Zuerst war ich der Meinung, dass er unrecht hatte, doch wenn ich richtig darüber nachdachte, dann hatte er recht. Das machte mir ein schlechtes Gewissen, weshalb ich jetzt auch in der Bibliothek stand und die Regale betrachtete.

Irgendwo hier hatte der Junge – der aus dem Fenster gesprungen war – das Buch hergehabt.

Ich ließ meinen Blick über die Buchrücken wandern, doch ich erinnerte mich nicht mehr richtig daran, was für ein Buch es gewesen war. Irgendwas mit Artefakten. Nur welches von denen? Es gab hier sehr viele Bücher, die sich mit dem Thema befassten.

Frustriert seufzend nahm ich eines der Bücher heraus, als eine Hand an meiner Schulter mich aufschrecken ließ.

Sofort drehte ich mich kampfbereit um und starrte Ophelia in die Augen. Erleichterung durchfuhr mich und ich stieß die angehaltene Luft aus, während ich mich wieder etwas entspannte. „Du kannst mich doch nicht so erschrecken", tadelte ich mit leiser, belegter Stimme.

Ophelia schenkte mir lediglich ein zögerliches Lächeln. „Ich muss mit dir reden", sagte sie, wobei ihre Stimme brüchig klang.

Sofort war ich hellwach. „Was ist?", fragte ich besorgt, legte ihr einen Arm um und führte sie zu einem Stuhl. „Geht es um das mit dem Jungen?", fragte ich, da ich ahnte, dass sie diese Sache noch immer belastete.

Doch Ophelia schüttelte den Kopf. „Nein", sagte sie und setzte sich, während ihre Finger mit dem Saum ihrer Ärmel spielten. „Es geht um ... einen Schatten oder so."

Schatten.

Nicht auch noch Ophelia!

„Kannst du mir erzählen, was passiert ist?", fragte ich vorsichtig. Dabei betrachtete ich sie genau, um auf jede Regung zu achten.

Sie zuckte leicht und schluckte. „Es ... Ich weiß nicht genau. Da war plötzlich dieser Schatten und eine Stimme. Sie hat mir etwas gesagt. Ich weiß nicht mehr was. Aber ich hab ich total benommen gefühlt", versuchte sie mir zu erklären, wobei sie in Tränen ausbrach.

Sofort nahm ich sie sanft in den Arm.

Jetzt war das Maß voll. Ich hatte gesagt, dass ich mich nicht einmischte und die Lehrer die Sache regeln ließ, doch scheinbar bekamen sie es nicht hin. Wenn jetzt sogar Ophelia mit hineingezogen wurde – noch mehr als ohnehin schon – würde ich das nicht auf sich beruhen lassen!

Ich legte ihr eine Hand an die Stelle, wo ihr Kettenanhänger lag. „Denk daran, du bist sicher", sagte ich sanft und versuchte sie so zu beruhigen.

Ophelia schniefte und schluckte leicht. „Ich weiß", brachte sie gepresst hervor. „Aber es war trotzdem gruselig."

Ich strich ihr die Tränen aus den Augen. „Ich werde mich darum kümmern", versprach ich und küsste ihre Stirn.

Ophelia schniefte noch einmal und hielt mich fest. „Pass bitte auf dich auf. Ich will nicht, dass diese Schatten dich auch dazu verleiten, etwas Dummes zu tun", sagte sie mit rauer Stimme.

„Schon gut", sagte ich sanft und streichelte sie zärtlich.

Ophelia schniefte erneut, bevor sie sich vorsichtig von mir löste. „Ich ... sollte dich nicht abhalten", bemerkte sie und blickte mich mit großen Augen an.

Ich küsste erneut ihre Stirn. „Geh etwas mit Amka und Iyas machen und komm heute Abend vorbei. Du kannst bei mir schlafen", bot ich ihr an, weil ich diesen Blick kannte.

Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Danke", flüsterte sie und nahm mich noch einmal fest in den Arm.

Aus den Augenwinkeln konnte ich Asara sehen. Sie kam langsam auf uns zu. Vermutlich, um Ophelia abzuholen. Es war gut, wenn sie nicht allein war.

Ephemera und das Amulett der Schatten (Band 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt