Kapitel 23

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Ich saß im Sessel und blickte aus dem Fenster hinaus in den Hof, wo gerade aufgeräumt wurde.

Der Magierrat war wieder abgezogen und es kehrte langsam Ruhe ein.

Nachdem ich den Zauber gewirkt hatte, war ich zusammengebrochen und hatte – laut Ophelia – mehrere Tage geschlafen.

Jetzt fühlte ich mich leer und verloren. Ich spürte ganz deutlich, dass der Pakt zu Achanox weg war. Dieses Mal endgültig, denn ich konnte nicht einmal seine Anwesenheit spüren.

Die Tür ging auf, doch ich machte mir nicht die Mühe, mich umzudrehen.

Es war Dorian, der in den Raum kam. Ich hörte es anhand seiner Schritte und spürte seine Aura.

Vorsichtig setzte er sich zu mir auf die Sessellehne und zog mich sanft in seinen Arm. „Eure Beziehung war besonders", stellte er fest.

Ich konnte nur nicken. Er wusste nicht, wie besonders sie war. „Er war ein sehr guter Freund", sagte ich mit belegter Stimme.

„Glaubst du nicht, dass es einen Weg gibt, ihn zurückzuholen?", fragte er, wobei er begann, mich zu streicheln.

„Nein. Ich glaube, dass sich sein Körper bereits aufgelöst hat", sagte ich, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte.

„Ich verstehe", flüsterte Dorian, der mir einen Kuss auf den Kopf gab.

Weil ich nicht mehr über Achanox sprechen wollte, versuchte ich, das Thema zu wechseln, auch wenn es mir nicht sonderlich leichtfiel.

„Ich glaube, dass die Möglichkeit besteht, dass Achat und Barbados zusammengearbeitet haben", gestand ich flüsternd. Es war eine Vermutung, die ich nicht bestätigen konnte.

Ich spürte, dass Dorian die Stirn runzelte, weil er seinen Kopf an meine Schultern gelegt hatte. „Wie kommst du darauf?", fragte er neugierig, aber auch besorgt.

„Barbados war beim Spiegel in den Tunneln. Genau wie Achat", sagte ich. Natürlich konnte er auch andere Dinge geplant haben, doch ich wollte alle Sachen in Betracht ziehen.

„Ich werde es dem Direktor weiterleiten", sagte er, wobei er plötzlich besorgt klang.

Ich seufzte leise. „Ich weiß, dass ich ohne Dämon nicht mehr hierbleiben kann", bemerkte ich, denn das besorgte mich auch etwas. Wenn ich ging, musste ich Ophelia allein lassen und das wollte ich nicht. Sie war hier nicht in Sicherheit. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, dass ich die Schwierigkeiten anzog.

„Der Direktor will deshalb mit dir sprechen. Fühlst du dich bereit genug dafür?", fragte er zögerlich.

Eine gute Frage. Ich wusste es selbst nicht. Fühlte ich mich bereit dafür? „Ich ... weiß nicht", sagte ich, denn ich hatte zu nichts sonderlich Lust. Nicht einmal, um aufzustehen, dabei müsste ich essen. Es tat so schrecklich weh, schon wieder jemanden verloren zu haben, der mir wichtig war. Wie viele meiner Liebsten würden noch von mir gehen? Wann würde ich Dorian verlieren?

Die Angst davor packte mich und schüttelte mich heftig durch, sodass ich am ganzen Körper zitterte. Mir wurde schlecht und erneut sammelten sich Tränen in meinen Augen.

Früher hatte ich immer wissen wollen, was Gefühle waren. Jetzt, wo ich so spürte, wünschte ich fast, ich hätte nie danach gefragt. Es gab die warmen, guten Momente in meinem Leben und dann diese Kälte. Aktuell hatte ich das Gefühl, die Kälte würde sich in mir festsetzen und mich von innen heraus zum Erfrieren bringen.

Dorian zog mich fester an sich. „Ich bin für dich da", flüsterte er mir ins Ohr, was nur dafür sorgte, dass die Tränen meine Wangen unaufhaltsam hinabflossen. Ich drehte mich, sodass ich mich fest an ihn drücken konnte. Er war da und solange er das war, würde ich ihn festhalten und beschützen. Ich wusste sehr gut, dass die Zeit uns davonrannte.

Wie lange würde ich noch so in der Lage sein mit ihm zu bleiben, bis die Vergangenheit uns einholte?

„Lass mich nicht los", bat ich leise gegen seine Brust. „Lass uns nur noch ein bisschen so bleiben."

Der Direktor konnte warten. Meinet wegen konnte die ganze Welt warten. Ich seine Nähe genießen. Sie spendete mir selbst jetzt Wärme. Nur er kam durch die Schicht an Eis und ließ es langsam schmelzen. Allerdings würde es nicht mehr lange so bleiben.

„Ich bin für dich da", flüsterte er beruhigend. „Wo auch immer du sein wirst."

Er hatte keine Ahnung, dass es Orte gab, zu denen er mir nicht folgen konnte, doch ich hinterfragte seine Aussage nicht. Ich ließ zu, dass sie mein Herz langsam wieder taute, während ich meine Tränen an seiner Brust vergoss.

„Ich liebe dich", hauchte ich gegen seine Brust und bevor mir der Sinn dieser Worte überhaupt bewusst war, waren sie raus.

Ich konnte nicht glauben, dass ich das gesagt hatte und doch entsprach es der Wahrheit. In den letzten Monaten, die wir zusammen verbracht hatten, hatte er sich in mein Herz geschlichen und mich die Einsamkeit vergessen lassen. Selbst Ophelia war dieses Kunststück nicht gelungen.

Ich hörte das Herz in meiner Brust klopfen und das Blut in meinen Adern rauschen, während ich auf seine Antwort wartete, doch sie blieb aus.

Hatte er mich vielleicht nicht gehört oder wollte er mir nicht antworten?

Ephemera und das Amulett der Schatten (Band 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt