Kapitel 15

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Die Tage vergingen und die Schatten wurden immer schlimmer. Mittlerweile konnte man bei jedem Schüler einen von ihnen sehen. Allerdings kam ich nicht in Kontakt mit diesen. Ich wusste nicht genau, ob mich Caldra davor schützte oder die Schatten generell lieber einen Bogen um mich machten. Das machte mir Sorgen, denn somit war es mir nicht möglich, die Schatten näher zu untersuchen. Ich konnte also nur warten, bis Achanox zurückkehrte.

„Heute siehst du schon besser aus", bemerkte Dorian, der mich zu unserem regelmäßigen Ausflug abholte.

Ich schenkte ihm ein Lächeln und war froh, dass ich mich die letzten Tage hatte ausruhen können. Allerdings war meine Haut noch immer rau und ich fühlte mich permanent erschöpft. Ob das an der Umgebung lag, die gefühlt immer drückender wurde? Vielleicht war mein Körper auch bei seinem Maximum angekommen. Ich hatte nicht so schnell damit gerechnet, weshalb ich auch nicht wusste, was ich tun sollte.

„Danke", erwiderte ich strahlend. „Machen wir heute wieder Stockkampf?", wollte ich wissen, denn damit hatten wir vor einigen Tagen begonnen. Das sollte meinen Körper stärken und ich hatte auch das Gefühl, dass es etwas brachte.

„Wenn du das möchtest", erwiderte er und streichelte meine Finger. Ich genoss es sehr, spürte aber, dass Dorian sich plötzlich versteifte, bevor er mich zur Seite zog. Hinter eine Ecke, wo er mich gegen die Wand drückte und selbst um die Ecke linste.

„Was ist?", fragte ich flüsternd, während ich mich etwas bewegte, um ebenfalls schauen zu können.

Auf dem Dach, wo wir mit der Kutsche angekommen waren, landete ein Drache.

Das allein war schon seltsam, denn die Drachen des Drachenreiterteams durften dort eigentlich nicht landen.

Noch seltsamer war es allerdings, als ein Mann abstieg. Ihm folgte ein Dämon. Ein sehr starker.

Ich schnappte leise nach Luft. „Amon", flüsterte ich, denn den Dämon kann ich.

Dorian blickte zu mir und hob eine Augenbraue. „War klar, dass du den kennst. Sein Magier ist Lord Lindburg", erklärte er mir leise, während ich den älteren Mann betrachtete. So, wie ich es erkannte, hatte er bereits graue Haare und bewegte sich etwas ungelenk, als er vom Drachen abstieg.

„Was wollen die hier?", fragte ich, da ich mir sicher war, dass Dorian mehr wusste. Warum sonst versteckte er sich vor ihnen?

„Lord Lindburg gehört zum Magierrat. Er leitet die Organisation zur Sicherung des Gleichgewichts zwischen Dämonen und Menschen", erklärte er angespannt. „Zudem war er einst ein Lord, wie es mein Vater war. Er ist sehr mächtig."

Ich nickte leicht und beobachtete, wie Direktor Digin ihn höflich empfing. Magister Revonius war ebenfalls dabei. Auch Devon.

Für mich sah das alles sehr seltsam aus. „Und was will er hier?", wollte ich wissen.

„Ich schätze, dass er wegen der Schatten hier ist", flüsterte Dorian angespannt, bevor er mich zurück an die Wand drückte, während sich die kleine Gruppe bewegte. Dorian schien alles daran zu setzen, dass diese uns nicht erblickte. Warum? Machte er sich etwa Sorgen?

„Ist das der Mann, weshalb du so schlecht auf den Magierrat zu sprechen bist?", fragte ich leise, während ich wieder um die Ecke linste. Dorian ließ es geschehen, hielt aber meine Hand. Daher konnte ich spüren, dass er sich versteifte.

„Ja. Er hat seine Ländereien einfach verlassen und den Missstand anderen anvertraut. Damit ist er bei mir ganz weit unten durch", flüsterte er verärgert.

Ich konnte ihn verstehen. Immerhin war er ein Prinz, der irgendwann einmal über einige Ländereien herrschen würde. Vermutlich hatte er ein sehr starkes Ehrgefühl und empfand Lord Lindburgs Verhalten als ehrlos.

Ich schloss meine Augen und nutzte Windmagie, um weit entfernte Geräusche zu vernehmen. Es war nicht ganz leicht die Stimme des fremden Magiers herauszufiltern, doch es gelang mir. „Bitte habt Verständnis, das der Magierrat diesen Zustand nicht länger billigen kann", sagte er mit kalter Stimme, die mich schaudern ließ. „Daher bin ich hier, um die Arbeit zu erledigen, die Ihr nicht vollbringen könnt."

Was für ein aufgeblasener Fatzke!

Wut stieg in mir auf, weil er so mit dem Direktor sprach. Wusste er überhaupt, was hier los war?

„Ihr seid also hier, um uns mit dem Fluch zu helfen?", fragte der Direktor nach.

Dafür erhielt er nur ein Schnauben. „Dieser Fluch ist doch nur vorgeschoben. Ihr könnt einfach Eure Arbeit nicht machen. Darum bin ich hier. Um Euch zu ersetzen."

Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was los war. Hatte ich das richtig verstanden? „Sie wollen den Direktor absetzen", flüsterte ich atemlos. „Und sie glauben nicht an den Fluch."

„Typisch Magierrat. Alles, was sie nicht kennen, existiert nicht. Sie glauben, sie wären das Höchste der Welt", bemerkte Dorian abfällig und ballte seine Hand zur Faust. „Sie werden diese Schule in den Ruin stürzen."

Ich nickte leicht, auch wenn ich mir da nicht sicher war. Eigentlich wollte ich mich in diese Dinge nicht einmischen, solange ich nicht hineingezogen wurde. Vielleicht war es ihnen doch möglich, die Probleme aus der Welt zu schaffen. Warum ihnen also keine Chance geben?

Allerdings schien Dorian sie besser zu kennen. Ich sollte also seinem Urteil vertrauen und doch lieber eingreifen. „Was soll ich tun?", fragte ich leise, da ich keine Ahnung hatte, was von nun an passieren würde.

Bevor Dorian jedoch antworten konnte, nahm ich eine Präsenz war, die mich sofort strahlen ließ. „Aran ist zurück", sagte ich und schnitt Dorian so das Wort ab.

Er lächelte jedoch und nahm meine Hand. „Dann gehen wir ihn willkommen heißen", sagte er und schien – genau wie ich – auf Informationen aus zu sein. Ohne diese würden wir uns nicht auf den Endkampf vorbereiten können.

Das alles fühlte sich natürlicher an, als es sollte.

Vor einem Problem zu stehen, mit großer Macht zu dealen und am Ende als stärkerer hervorgehen. Das war etwas, das ich schon mein ganzes Leben lang auf die ein oder andere Art getan hatte.

Mir lag es im Blut Situationen zu erfassen, Informationen zu suchen und dadurch einen Weg zu schaffen, die Probleme zu lösen. Ganz egal, welcher Natur sie waren. Das Problem war nur, dass ich nicht mehr die Leute um mich hatte, denen ich vertrauen konnte.

Natürlich waren da Ophelia und Achanox. Auch Dorian und irgendwie auch Magister Revonius, doch die anderen waren misstrauisch und schauten auf mich herab. Es würde schwer werden, ihr Vertrauen zu gewinnen und meine Stärke zu beweisen. Vor allem, da dieser Körper mit jedem Magiegebrauch mehr und mehr schwand.

Ich konnte spüren, das Achanox in der Nähe der Brücke angekommen war. Vermutlich, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Daher machten wir uns jetzt auf den Weg zu eben jener.

Wir waren jedoch nicht die, die zuerst ankamen. Ich erblickte viele Magier in Roben, die sich um Achanox sammelten. „Wer ist das?", fragte ich, denn keiner davon war ein Lehrer.

Dorian hielt meine Hand fester. „Magier der Organisation", bemerkte er leise. „Sie gehören vermutlich zu Lord Lindburg."

„Was wollen die von Aran?", wollte ich besorgt und versuchte, mental Kontakt mit ihm aufzunehmen. Allerdings blockte etwas die Verbindung, was bei mir einen stechenden Kopfschmerz verursachte.

Ein leises Fluchen verließ meine Lippen und ich begann zu rennen. Irgendwas stimmt da ganz und gar nicht.

Je näher ich kam, desto mehr spürte ich, wie die Magie, die uns verbannt, verblasste. Dann hörte ich Achanox in meinem Kopf. Seine Worte waren ernst und seine Stimme erschöpft, sodass ich kaum etwas verstand.

Dann durchzuckten Schmerzen meinen Körper, während jemand von außen brutal unseren Pakt zerstörten. Magie durchflutete mich und sorgte dafür, dass mir schwindlig wurde. Trotzdem lief ich weiter. Kämpfte mich vor, bis die Magier in Reichweite waren.

Ich hob meine Hand, sammelte Magie und wollte sie gerade auf die Magier loslassen, als der Pakt komplett zerbrach und mir einen so heftigen magischen Schlag versetzte, dass ich Blut spuckte und im Laufen zusammenbrach.

Ephemera und das Amulett der Schatten (Band 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt