Kapitel 10.2

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Ich konnte sehen, als wäre es Tag, doch für Dorian war es sicherlich schwierig, denn es war sehr dunkel.

„Brauchst du Hilfe beim Sehen?", fragte ich mit gedämpfter Stimme. Durch mein Oberteil war es ein wenig schwieriger zu atmen, doch es hielt den Staub fern. Das war es wert.

„Kann ich einen Zauber nutzen?", fragte Dorian, der den Kopf und hin her bewegte.

„Ja. Willst du ein Licht erschaffen?", fragte ich. Er schüttelte jedoch den Kopf und legte seine Hand auf seine Augen. Ich erkannte Magie, die sich an seinen Händen sammelte. Als er diese wieder wegnahm, konnte ich seine Augen schimmern sehen. Er hatte sich also dafür entschieden, seine Augen zu verzaubern, damit er besser sah. Wie schlau. So konnte der Zauber nicht so leicht von außen gestört werden.

Stolz kam in mir auf. Er war ein wirklich sehr intelligenter Mann.

„Warum starrst du mich so verliebt an?", fragte er belustigt und neckend.

Ertappt wandte sich meinen Blick ab. Dorian nutzte das, um sich umzusehen. Ich tat es ihm schließlich gleich und war froh, dass er nicht weiter darauf einging.

Alles war so, wie ich es in Erinnerung hatte.

Der große, runde Tisch stand noch, war aber mit einer Schicht Staub bedeckt. Die Stühle standen teilweise am Tisch. Einer war umgekippt und einer kaputt. Es machte mich traurig, war aber der Lauf der Zeit.

Dorian machte einige Schritte, wobei er immer wieder leicht Staub aufwirbelte.

Unsere Schuhe hinterließen deutliche Abdrücke im Boden, da die Schicht Staub sehr dick war.

Rings um den Tisch herum standen hunderte Bücherregale. In allen waren Bücher. Einige sahen sogar noch älter aus als die Umgebung. Andere hingegen wirkten neuwertiger. Trotzdem waren alle eingestaubt. Ein Zeichen, dass schon sehr lange niemand mehr hier gewesen war.

„Was sind das für Zeichen?", fragte Dorian, der sich die Stühle und den Tisch näher besah.

Ich ging auf ihn zu und sah, dass er auf dem Tisch den Staub zur Seite gewischt hatte. Darunter war ein Zeichen zum Vorschein gekommen.

Vorsichtig legte ich meine Finger darauf und zeichnete die Rose, die ein Herz umschlang, nach. „Das Zeichen für die erste Todsünde der Wollust", sagte ich und zog meine Finger wieder zurück.

„Todsünde? Sind wir hier in ihrer Bibliothek?", fragte Dorian, der mich nicht ansah. Er strich weiter den Staub weg.

Damit legte er immer mehr Symbole frei, bis er schließlich zu dem Platz kam, an dem er eine Flamme freiwischte. Dort blieb er stehen und starrte diese an. Jetzt fuhren seine Finger das Holz nach. Die Flamme war – wie die anderen Zeichen – ein den Tisch eingebrannt.

„Ja. Das ist die Bibliothek des alten Höllenfürsten", erwiderte ich, wobei meine Stimme belegt klang, weshalb ich mich räusperte. „Wir müssen die Bücher anschauen", bemerkte ich, damit Dorian nicht weiter fragte. Das Thema kam mir sehr ungelegen. Es sorgte für Kälte in meinen Adern.

Ein Geräusch zwischen den Regalen ließ mich heftig zucken. Was war das?

Ich hörte Dorian sein Kurzschwert ziehen, achtete aber nicht auf ihn. Stattdessen sah ich mich nach dem Ursprung des Geräusches um. „Was war das?", fragte Dorian und kam vorsichtig auf mich zu.

„Ich weiß nicht", flüsterte ich. „Hier sollte niemand sein."

Ich lauschte, doch das Geräusch der Schritte erklang. Das ließ mich schlucken. War vielleicht sogar eine der sieben Todsünden hier?

Nein, das konnte nicht sein. Ich war mir sicher, dass ich das spüren würde.

Mein Blick wanderten über den Boden, doch ich erkannte auch keine Spuren. Nur die von Dorian und mir.

Ephemera und das Amulett der Schatten (Band 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt