(7) 143 I LOVE YOU

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* Hyunjin *

Hyunjin saß mit angezogenen Beinen auf seinem Hotelbett. Die Sonne ging gerade auf und er beobachtete, wie sich ein Schwarm Spatzen vor seinem Zimmerfenster formierte, um dann in einer Baumkrone zu verschwinden. Sein Blick fiel wieder auf das Blatt Papier in seinem Schoß und er stöhnte leise.

Sein Bleistift strich die Linien um Felix' Lippen nach. Seit etwa einer Stunde versuchte er sich an die Form seiner Sommersprossen zu erinnern. Hyunjin hasste es, wenn Felix für Videodrehs geschminkt wurde. Häufig wurden seine Sommersprossen dabei überdeckt. Deshalb gab die Internetrecherche auch nicht viel Brauchbares her.

In jener Nacht, als sie die Nacht gemeinsam verbracht hatten, hatte er Felix' Sommersprossen gezählt, während er schlief. Es war faszinierend gewesen. Hyunjin hatte Formen entdeckt, die er nie für möglich gehalten hätte: ein Herz, einen Stern, ja sogar einen kleinen Engel mit winzigen Flügelchen - so wie Felix ein Engel für ihn war. Sein engelsgleiches Gesicht trat vor sein inneres Auge.

Wie er im Schlaf mit den Mundwinkeln gezuckt hatte, wie seine Lippen die Worte ›Ich liebe dich‹ geformt hatten, wie ihn die Erkenntnis getroffen hatte, dass da mehr war als die Freundschaft unter Bandkollegen, mehr als Scherze, mehr als Vertrauen. Es war Liebe.

Felix liebte ihn. Nein, er liebte Felix. Oder liebten sie sich doch beide gegenseitig? War das möglich?

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Ein Blitzschlag, der durch seine Hand fuhr und in seinem Herzen einschlug, im Umkreis von Nervenbahnen alles zerfetzte und einen Kurzschluss in seinem Gehirn auslöste.

Das durfte nicht sein! Diese romantischen Gefühle durften einfach nicht sein! Sie würden alles zerstören: die Beziehung zwischen Felix und ihm, ihren Bandkollegen und auch die Karriere, für die sie alle so hart gearbeitet hatten.

Hyunjin waren die Tränen gekommen. Er wusste bis heute nicht, ob wegen seines Bedürfnisses, Felix berühren zu wollen, doch nicht zu dürfen, oder weil er die verheerenden Konsequenzen seiner Gefühle vor Augen hatte. Fest stand: Er musste diese Gefühle unterdrücken, durfte sie nicht zulassen. Niemals!

Und dennoch überkam ihn jetzt beim Anblick von Felix' Profil auf seinem Zeichenblock die Sehnsucht nach dem Körper seines Bandkollegen. Er wollte ihn in den Arm nehmen, mit ihm schäkern, einfach wieder so ungehemmt mit ihm sein wie früher - vor jener Nacht.

Hyunjin schaute auf sein eigenes gezeichnetes Konterfei. Er hatte sich selbst mit neutralem Gesichtsausdruck zeichnen wollen, doch irgendwie wirkte sein Spiegelbild traurig. Hatte er unterbewusst seine eigene Stimmung in die Zeichnung einfließen lassen?

Im Vordergrund hatte er rechts Felix gezeichnet, links Lisa. Erst jetzt fiel ihm bei genauerer Betrachtung auf, dass die beiden sich wie in einem Duell gegenüberstanden. Er hingegen starrte sich wie sein eigenes Ebenbild aus dem Spiegel an. Hyunjin wandte den Blick ab, wollte diesen bemitleidenswerten Typen nicht mehr sehen. Diesen verlogenen Trottel.

Gestern war er mit Lisa noch lange in der Stadt geblieben. Eigentlich hatte er früh ins Bett gehen wollen, um dann mit dem Training weitermachen zu können. Doch erst hatte er nicht einschlafen können, dann war er mitten in der Nacht aus einem Albtraum erwacht.

Er konnte sich nur an Felix erinnern, wie er auf der Bühne in Tränen ausgebrochen war. Hyunjin war froh, dass er keine weiteren Details mehr kannte, geschweige denn, warum Felix geweint hatte. Wenn er ehrlich war, war Felix ohnehin nahe am Wasser gebaut.

Frustriert legte er den Zeichenblock auf die weiche Bettdecke neben sich und griff nach seinem Smartphone. Er scrollte durch seine Fotos, auf der Suche nach Backstage-Bildern von Felix, die ihn in natura zeigten. So konnte er nicht weiterarbeiten. Seine Erinnerungen an Felix verblassten zu schnell. Dabei stand er ihm eigentlich immer vor Augen. Was war nur los?

Dance the Night Away [Hyunlix]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt