Dance the Night Away [Hyunlix]

(16) Hey, you wanna come in

* Lee Know *

»Lee Know ...«

Die gedämpfte Stimme drang wie durch eine dichte Membran an sein Ohr. Er lag auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt. Etwas Warmes lag auf seinem Bauch.

»Ach, Jisung«, brummte Lee Know. »Lass mich!«

Er gähnte mit geschlossenen Augen. Sanft schob er Jisungs Hand von seinem Bauchnabel und wälzte sich herum. Ein kalter Luftzug ergriff ihn und er packte die Bettdecke vor sich, um sie sich über den Hintern zu ziehen.

»Lee Know. Wach auf!«

Das war nicht Jisungs Stimme. Lee Knows Augenlider flatterten. Etwas streifte seinen unbedeckten Rumpf. Augenblicklich schlug er nach dem Störenfried.

»Verschwinde, Hyunjin!«

Ein Jaulen ertönte und er öffnete alarmiert die Augen. Jetzt erst nahm er das Türklopfen wahr. Es wurde von Sekunde zu Sekunde aggressiver, das Pochen in seinem Kopf ebenso.

»Lee Know!«, rief eine Frauenstimme. »Es ist schon Mittagszeit. Komm endlich essen!«

Er stöhnte geräuschvoll. Das klang ja fast wie seine Mutter - oder Chan. Lee Know blinzelte und streckte seine Hand zum Nachttisch aus. Ein Blick auf sein Smartphone bestätigte: Es war kurz vor Zwölf. Das Training hätte um neun Uhr starten sollen.

Sofort schnellte er hoch und schaute zur Zimmertür. Seine Handfläche presste er ins weiße Laken. Da streifte etwas Weiches über seine Finger.

Lee Know schrie auf und sprang vom Bett. Schwindel überkam ihn, weshalb er sich am Bettrand festkrallte und über den Matratzenrand linste. Er starrte auf das kleine, flauschige Etwas. Es torkelte hin und her, und plumpste schließlich zur Seite.

»Alles okay?«, drang es durch die Tür.

Lee Know gab nur ein »Hm« von sich, dann erhob er sich wieder. Das Kätzchen richtete sich auf und lief miauend auf ihn zu. Er streckte die Hand nach ihm aus und streichelte es sachte. Sofort legte es sich wieder hin und begann zu schnurren.

Es war also kein Traum gewesen. Lee Know erinnerte sich an das schwarz-weiße Tier mit dem zweigeteilten Gesicht.

»Lee Know, mach auf!«

Er sah wieder über die Schulter in Richtung der Frauenstimme. Vorsichtig hob er das Katzenbaby hoch und lief mit ihm zur Tür. Es blieb keine Zeit, sich eine Hose anzuziehen. Die Boxershorts mussten reichen.

Langsam öffnete er die Zimmertür und sah Rosé vor sich stehen. Sie trug eine schwarze Baggy Pants und ein gleichfarbiges Jäckchen. Von ihrem Bauch war nur ein hauchdünner Streifen Haut zu sehen. Augenblicklich hielt er das Kätzchen vor seinen eigenen nackten Oberkörper, um die Narbe an seinem Bauch zu verbergen.

»Entschuldige.«

Er meinte nicht nur, dass er so spät geöffnet hatte oder halbnackt vor ihr stand, sondern auch, dass er offensichtlich das gemeinsame Vormittagstraining geschwänzt hatte.

Am Ende des Flurs ertönte ein Knarzen. Rosés Kopf schwang in die Richtung. Als Lee Know ihrem Blick folgte, drängte sie ihn bereits an den Schultern rückwärts ins Zimmer. Ihre kühlen Fingerspitzen kribbelten auf seiner nackten Haut und ließen einen schmerzhaften Blitzschlag durch seinen Kopf schießen.

Hektisch schloss Rosé die Tür hinter sich. Dann beäugte sie Lee Know streng. Erst als sie hinab zum Kätzchen sah, wurde ihre Miene milder.

»Wer war da?«

»Unwichtig«, antwortete sie mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Rosé trat einen Schritt auf ihn zu und griff ungeniert nach dem Kätzchen. Mit einem sanften Gesichtsausdruck kraulte sie es unterm Kinn. Als sie über das Köpfchen strich, berührte sie beiläufig seine Brust. Ein Schauer lief ihm über die Haut und er wandte den Blick ab.

»Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte«, sagte sie mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen.

Er runzelte die Stirn und Rosé imitierte seinen Gesichtsausdruck.

»Du kannst dich nicht erinnern?«, fragte sie nach einer langen Pause.

»Klar, kann ich mich erinnern«, log er.

Tatsächlich waren seine Erinnerungen an den gestrigen Abend lückenhaft. Er wusste vom Gespräch mit Hyunjin im Tanzstudio, aber nicht, wie er in sein Hotelzimmer gekommen war. Seine Kopfschmerzen und der Filmriss ließen Schlimmes erahnen.

Hatte Rosé ihn etwa ins Bett gebracht? Hatte er sich vor ihr ausgezogen oder hatte sie ihn womöglich ausziehen müssen? Beides wäre ihm über die Maßen peinlich - peinlicher als diese Situation ohnehin schon.

Rosé lief an ihm vorbei und deutete auf den vollkommen zerwühlten Kleiderhaufen vorm Bett. »Wie sieht's denn hier aus? Hat Noori da drin etwa gepennt?«

Lee Know streichelte dem Kätzchen über den Kopf und zuckte die Achseln. Rosé hob sein schwarzes T-Shirt vom Boden auf und roch daran. Ihr Gesicht verzog sich vor Ekel, bevor sie es wieder fallen ließ.

Eilig ging sie zum Kleiderschrank und öffnete die linke Tür. Sie durchwühlte die Kleiderstapel, die Lee Know fein säuberlich geordnet hatte, und warf ein frisches T-Shirt und eine Jogginghose aufs Bett.

»Na, dann. Zieh das an, pack Noori in deine Trainingstasche und dann los! Sonst gibt es nichts mehr zu essen.«

Er sah hinab auf das Kätzchen, das unter seinem stetigen Kraulen wieder zu Schnurren begonnen hatte. Sein Brustkorb vibrierte im Takt und wurde ganz warm. Das Pochen in seinem Kopf blieb gleichmäßig, solange er das Kätzchen streichelte. An den Namen hatte er sich definitiv nicht mehr erinnern können. Gut, dass er ihn jetzt kannte.

Langsam lief er aufs Bett zu. »Wie geht's Hyunjin?«

»Du meinst nach deinem Kuss?«

Lee Knows Muskeln spannten sich unweigerlich an. Das Kätzchen in seinem Arm quiekte auf. Sofort lockerte er den festen Griff um seine Tatzen. Noori sprang aufs Bett. Rosé gluckste und zog eine Augenbraue hoch. »Woran erinnerst du dich? Ernsthaft!«

Er wandte seinen Blick wieder dem Kätzchen zu, das die Krallen ausgefahren hatte, um das saubere T-Shirt damit zu bearbeiten. Bevor es sich ein neues Nest bauen konnte, zog Lee Know es sich über. Endlich fühlte er sich nicht mehr so freizügig vor seiner Tanzpartnerin.

»Wir haben getrunken ... Hyunjin und ich lagen übereinander ... Das Kätzchen lag in meinem Arm ...« Er verengte die Augen zu Schlitzen. »Haben wir uns echt geküsst?«

Rosé legte ihm eine Hand auf die Schulter. Lee Know war unendlich froh, dass nun endlich Stoff zwischen ihnen war. Sie legte den Kopf schräg, um ihm tief in die Augen sehen zu können. Ihre silbernen Haare fielen ihr in Wellen über die Schulter.

»Nur auf die Wange.«

»Woher ...?«, begann Lee Know.

»Hat Lisa mir erzählt.«

»Warum ...?«

»Weil du ihm wohl was beweisen wolltest.«

Lee Know schüttelte den Kopf. »Ich brauch 'nenKaffee!«