Dance the Night Away [Hyunlix]

(18) I know you want me too

* Lee Know *

Lee Know und Rosé saßen auf dem Parkett ihres Tanzstudios und schauten sich das Dance Practice Video von ›Lovesick Girls‹ an. Sie hatte ihm einen bestimmten Move zeigen wollen, der ideal in ihre Choreographie passte. Doch er hatte nur Augen für ihre Bandkollegin.

»Lisas Haare sehen aus wie das Fell eines Stinktiers«, sagte Lee Know.

Rosé riss den Mund auf und sah ihn grinsend an. »Das hab ich auch gesagt.«

»Die Haare hatte Felix auch mal so ähnlich.«

»Ach, deshalb wolltest du Noori erst Felix nennen.« Rosé kicherte. »Ich verstehe.«

Lee Know sah sie lange an, ohne zu antworten. Er konnte sich an so einige Dialoge der letzten Nacht nicht erinnern. Hoffentlich hatte sie nicht gelogen, was den Kuss mit Hyunjin anging.

Sein Blick fiel wieder auf Rosés Smartphone. Unter den Vorschauvideos am Rand sah er ein Live-Video von Blackpink. Er deutete mit dem Zeigefinger darauf.

»Ist das euer Song?«

»Ja, wieso?«, fragte Rosé.

»›Stay‹. So heißen unsere Fans.«

»Unsere heißen ›Blink‹.«

»Naheliegend«, sagte Lee Know.

»Dito.«

Es entstand eine lange Pause. Erst als Rosé aufstand und unkommentiert den entsprechenden Move aus ›Lovesick Girls‹ nachmachte, begannen auch bei Lee Know wieder die Mühlen zu mahlen. Morgen war schon das Finale, aber ihnen fehlten noch ein paar einzelne Übergänge. Sie mussten sich ranhalten, wenn sie fertig werden wollten.

Es fiel Lee Know teilweise schwer hinterherzukommen. Das war unüblich für ihn. So einfache Girlgroup-Tänze waren sonst nichts, was ihn ins Straucheln brachte. Doch er kämpfte weiterhin mit dem Pochen in seinem Kopf.

Nachdem Lisa Hyunjin und ihm jeweils eine Schmerztablette gegeben hatte, ging es ihm zwar schon besser, aber dennoch war ihm ein wenig schwindelig. Der Raum drehte sich kurz, wenn er zum Beispiel aus der Hocke schnell wieder aufstand, doch er konnte sich immer wieder fangen.

Noori machte es nicht sonderlich besser. Als sie aus der Cafeteria zurückgekehrt waren, hatte das Kätzchen noch in der Tasche geschlafen. Doch nach etwa einer Stunde war es erwacht und strich seither auf leisen Pfoten durch den Raum auf der Suche nach Nähe. Mehrmals stolperte er fast darüber. Es kostete wahnsinnig viel Konzentration, sich auf die Musik, Rosé und das Kätzchen gleichzeitig einzulassen.

Dafür war Noori aber auch die perfekte Ausrede, weshalb er von Zeit zu Zeit das Gleichgewicht verlor oder eine Pause einlegen musste. Natürlich nur, um sie zu streicheln, nicht um den Raum wieder klar und deutlich wahrnehmen zu können.

Insgeheim hoffte er, dass es Hyunjin ähnlich beschissen ging, ansonsten würden Lisa und er einen unfairen Vorteil haben. Aber er konnte sich nichts vormachen: Er hatte ihn zum Trinken gezwungen. Wie hätte Hyunjin ihm einen Drink abschlagen können? Lee Know war selbst schuld an seiner momentanen Verfassung, auch wenn er das nicht gern zugeben wollte.

Und er sollte dankbar sein, dass Lisa ihm eine Tablette besorgt hatte. Sicher würden sie hier nicht so einfach trainieren können, wenn sie nicht gewesen wäre. Er war in der Cafeteria motzig und unfair zu ihr gewesen. Dabei hatte sie es nur gut gemeint. Wenn er sie beim Abendessen sah, würde er sich aufrichtig bei ihr entschuldigen müssen.

»Und dann?«, fragte Rosé.

Sie standen nebeneinander, die Arme nach einer Drehung zur Seite ausgestreckt, als wären sie zwei Kreuze auf einem Friedhof.

»Lass uns poppen!«

Sie zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf in den Nacken. Ihre silbernen Haare schwangen sacht hin und her.

Lee Know schmunzelte. »Ich meine ...«

»Ich weiß schon.«

Rosé ließ den Oberkörper hochpoppen. Die Schwingung ging in ihrem rechten Arm weiter und erreichte Lee Know. Der nahm sie mit der linken Hand auf und gab sie Körperteil für Körperteil weiter, bis sie in seinem Bein zum Erliegen kam.

»Wenn du den Kopf dabei von mir abwendest, hat es sogar noch einen größeren Effekt.«

Lee Know nickte. Sie wiederholten den Move und entschieden sich dafür, den Teil so zu belassen.

»Fehlt uns nur noch der Übergang zur zweiten Strophe.«

»Es müsste ein wenig Action nach der Bridge kommen«, schlug Rosé vor. »Die letzten Worte sind echt stark.«

Sie ging zur Anlage und spulte den Song von Jackson Wang zurück. ›Cruel‹ dröhnte aus den Boxen. Es war der instrumentale Teil, der nur von einem leisen Summen im Hintergrund unterlegt war.

›This ain't what you want. This is what you need‹, begann der Sänger die Bridge zu raunen.

Die Stimme wirkte in Kombination mit den Hintergrundgeräuschen bedrohlich. Dennoch war hier eher eine bedächtige Stimmung im Vordergrund. Es bot sich an, hier weniger Bewegungen einzubringen.

›Wake up in the morning. Know just what ya need, need, need, need‹

Bei den letzten Worten nahmen die Drums Fahrt auf, um dann mit allen anderen Instrumenten gemeinsam zu verstummen, bis der Sänger die erste Zeile des Refrains beendet hatte.

›I'm coming back to you‹

Rosé hob den Zeigefinger ihrer rechten Hand. »Genau hier müssten wir irgendwas Großes einbauen. Irgendwas ...«

»Ich hab eine Idee, Noona«, unterbrach Lee Know sie mitten im Satz.

Er ging einen Schritt auf sie zu und breitete die Arme vor ihr aus.

»Schlag mich!«

Rosé zog ihre Augenbrauen hoch und reckte das Kinn.

»Tu so, als würdest du mich schlagen! Hau richtig zu!« Er forderte sie heraus, indem er die Handflächen vor ihr öffnete und wieder schloss. »Ich weich dir aus. Keine Sorge!«

Rosé verzog die Lippen und zuckte mit den Achseln. Dann ballte sie die linke Faust und holte aus.

»Stopp!« Lee Know hielt die Hände schützend vor sich. »Mit der flachen Hand.«

Rosé nickte. Lee Know schenkte ihr ein verschwörerisches Lächeln und ließ die Hände wieder sinken. Vorgebeugt stand er vor ihr, als sie die Faust vorschnellen ließ und in der Bewegung öffnete.

Kurz bevor ihre Handfläche seine Brust berühren konnte, ließ er seinen Oberkörper rückwärts kippen und sprang gleichzeitig kräftig mit den Füßen vom Boden ab. Er flog etwa einen Meter zurück, kam wieder auf den Füßen auf, doch balancierte sich mit Absicht nicht aus. Lee Know landete mit dem Hintern auf dem Boden und fing sich mit den Händen ab.

Anerkennend schob er die Unterlippe vor. Rosé sah schockiert ihre Handfläche an und öffnete den Mund.

»Ich hab Superkräfte«, flüsterte sie.

Noori torkelte auf Lee Know zu. Als sie bei ihm ankam, setzte er sich in den Schneidersitz und hob sie auf seinen Schoß.

»Den nehmen wir.«

Lee Know begann das Kätzchen unterm Kinn zu kraulen und warf damit den Motor an. Das Schnurren vibrierte durch seine Finger bis in den Ellenbogen.

»Ich wusste, dass es dir gefallen würde, mich zu schlagen«, sagte er.