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Drei Jahre war es her seitdem Alec Gregorovich den Gentleman getroffen hatte und dessen Brief entgegen nahm. Er hatte ihn geöffnet, doch auf dem Papier stand nur ein Datum. Ein Datum welches drei Jahre später war.
In den drei Jahren hatte der Heimatlose Junge sein Abitur abgeschlossen und erstaunlicherweise gab es auch keine Probleme mehr mit der Polizei, geschweige denn mit dem MI6.

Er lebte in einer Wohnung in London, in der Nähe der Themse, am anderen Ende der Stadt ging Alex auf seine Schule, ab und an trafen sie sich, aber nicht mehr so wie zuvor. Meistens nur noch zu sportlichen Aktivitäten.

Seit drei Wochen hatte er sein Abschlusszeugnis und während alle um ihn herum sich für Ausbildung, Studium, Auslandsjahre und Co bewarben, saß der Neuengländer in seiner Wohnung und wartete. Er wartete auf das Datum, welches in dem Brief stand. Immerhin hatte Unwin über eine Akademie geredet. Sein Zimmer war eingerichtet wie die meisten anderen, seiner Mitschüler. Nichts deutete mehr auf die früheren Jahre hin.

Es gab Familienbilder und Familienurlaube. Seine Eltern waren froh zu wissen, dass Alec ein 'normales' Leben führte, aber sie wussten auch nichts von Gary Unwin.
Sie lebten in Zambia in dem Schloss von Mirnas. Sie telefonierten ab und an, aber die Informationen über ihren Sohn waren mittlerweile verschlüsselt und nur im äußersten Notfall für sie verfügbar. Privatsphäre und soetwas.

Er konnte sich ganz normal eine Pizza bestellen, ohne das Gefühl zu haben, dass diese vergiftet sein könnte. Dafür hatte er seinen Namen etwas verändern. Auf seinem Ausweis stand mittlerweile nicht mehr Alecsander Gregorovich, sondern Alec Gregory. Die englische Anpassung seines Namens war schon ein drastischer Schritt, aber einer der ihm das Leben deutlich erleichterte. Es gab keine Akten mehr zu seinem Namen. Er hatte praktisch eine weiße Weste und alle Türen standen ihm offen.

Wäre da nicht dieser Brief gewesen, der seit Jahren im untersten Fach seines Nachtschrankes lag, zusammen mit den Reststücken seines vorherigen Lebens, seine Pistole, seine Pässe, die Kugel seines Lebens, zwei Kreditkarten. Alles gut in seinem Rucksack eingepackt und im Nachtschrank verstaut. Für den Notfall griffbereit, fürs normale Leben versteckt.

Es war das heutige Datum.

19.08.2014

Sein 17. Geburtstag lag nur wenige Wochen zurück. Und er fühlte sich ausgeglichener denn je. Zum Training ging er immernoch, aber nicht mehr um sich zu verbessern, sondern um nichts zu verlernen.
Wie jeden dritten Dienstag im Monat stand er an einem der chinesischen Restaurants und wartete darauf, dass sein Essen fertig war und er es mit nach Hause nehmen konnte.

Sein bester Freund Fynn, den er über die drei Jahre immer als Sitznachbar hatte und ein ganz anderes Leben führte als er es bisher kannte, war vor zwei Tagen nach Spanien geflogen. Für ein Auslandsjahr bevor er studieren wollte. Eigentlich passten sie gar nicht zusammen. Sie hatten nicht mal ähnliche Interessen und doch verstanden sie sich super. Ganz anders als er und Alex.

Gerade als er seine Blechbox mit seinem Namen von der Bedienung entgegen nahm, erkannte er an einem der Tische einen Mann der hier absolut nicht hingehörte. Im Smoking und mit schwarzem Basecap. Komplett fehl am Platz.
So fehl am Platz, dass sich der blonde Junge doch überwand im Restaurant zu bleiben und sich gegenüber von dem Mann an den Tisch setzte. Kaum saß er, bekam der Mann ebenfalls sein Essen. Sie schwiegen sich eine Weile an und aßen einfach.

"Wie ich hörte, hast du mit Bestnote bestanden."

"Sind wir hier um über meine Noten zu sprechen?"

"Noten waren nie meins. Ich brauche einen Junior Partner. Aber zuerst gehen wir shoppen."

Partner. Er hatte schon mal einen Partner. Wollte er das wieder? Den ganzen Stress, ständig Angst zu sterben und den Finger immer am Abzug? Während sein Kopf eindeutig Nein schrie, spürte er das altbekannte Kribbeln in seinen Fingern. Aber normalerweise fing das nicht mit shoppen an. Das kannte er nur von den endlosen Privatschulen. Eine Akademie hatte sicherlich den gleichen Anspruch, hoffentlich schaffte er es dort länger als auf den Privatschulen.

"Keine Sorge, ich war auch kein Überflieger."

Nachdem sie fertig waren mit dem Essen, standen beide zeitgleich auf und verließen das Restaurant.
Mr Unwin führte ihn durch die Straßen Londons und erzählte irgendetwas beiläufiges über die Stadt. Bis sie vor einem der kleinen Geschäfte anhielten. Kingsman. Davon hatte er schon mal gehört. Es gab einen Gin der so hieß. Sein Vater hatte immer eine Flasche in seinem privaten Casino stehen und Mirnas hatte ebenfalls eine in seiner Bar im Salon.

Doch hinter der Tür befand sich kein Geschäft für Spirituosen, sondern ein Schneider. Einer der besten und edelsten die er je gesehen hatte und er viele gesehen.

"Oh Eggsy, Sie haben doch nicht schon wieder ein Brandloch, wie oft habe ich Ihnen gesagt.."

"Wir bräuchten einmal die Grundausstattung."

Der Mann hinter der vergoldeten Kasse hob seinen Blick und schien für einen Moment, wie als würde er einen Schalter umlegen. Und dies tat er tatsächlich. Ein Regal mit Lederschuhen klappte beiseite und ließ sie beide in eine Art Fahrstuhl eintreten. Die Türen schlossen sich, doch statt sich in Bewegung zu setzen, schoben sich die Wände neben den Türen auseinander und ließen den Blick auf eine ganze Ansammlung von verschiedensten Waffen frei.

"Eigentlich darf ich sie dir noch nicht zeigen, aber ich fand den Raum hier damals echt cool. Und ich denke du kannst mit jeder dieser Schätzchen ausgezeichnet umgehen. Allerdings.. Besitzt du sicher eine eigene, sodass ich nicht gegen die Vorschriften verstoßen muss und dir eine in deinen Anzug ein nähen lasse. Immerhin wollen wir den Wettstreit ja gewinnen."

"Was für ein Wettstreit?"

"Habe ich das nicht gesagt? Du musst dich mit einem Haufen anderer Jugendliche beweisen und wenn du alle Prüfungen bestehst, sind wir ein Team. Ein zurück gibt es nach unterschreiben des Vertrages nicht mehr, dass sage ich dir gleich, aber du bist definitiv der vielversprechenste Kandidat. Ich habs geschafft und ich hatte null Ahnung von dem ganzen, demnach müsstest du es easy schaffen. Eigentlich bin ich nicht lang genug dabei um jemanden auszuwählen, aber ich habe Anfang des Jahres den gesamten Verein gerettet und bin echt überzeugend, daher wähle ich den besten. Ich rede zu viel. Kümmern wir uns um deinen Anzug."

Und mit dem Anzug, nahm alles seinen Lauf.

Good AgentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt