Twenty-one

10 4 0
                                    

PoV Alex

Der große Tag war gekommen und damit meinte ich nicht den Tag der Abfahrt. Natürlich überschnitt sich beides, aber für mich stand vorrangig der 18. Geburtstag meines Bruders im Raum. Nur irgendwie war ich der einzige, der mit einer Party gerechnet hatte. Meinen eigenen hatte ich vor Monaten in London, mit einem Haufen Freunden und Freunde von Freunden gefeiert. Der Tag war doch etwas besonderes, da konnte man schon mal leicht eskalieren. Immerhin war er jetzt volljährig

Doch hier lief alles normal. Wie an jedem anderen ganz normalen Tag. Keine Torte, keine Deko, keine Geschenke, kein Fest. Vor vier Jahren sah das alles noch ganz anders aus. Yassen hatte die größten Partys für Alec geschmissen, er hatte alles für ihn gemacht, auch wenn seinem Sohn das nicht gefiel. Aber der Geburtstag blieb doch etwas Besonderes.

Aber als ich nun die Räume nach Alec absuchte, war nichts von einer Feier, oder sonstigen zu erkennen. Bis ich ihn endlich in dem großen Versammlungssaal fand. An der Spitze des Tisches saß der rotblonde Junge, links und rechts je einen Stapel mit Mappen. Verträge die er nach und nach unterschrieb. Von der Übernahme bis zu seinem Testament. Volljährig. Damit war er der neue auf dem Platz seines Vaters.

Aber mit 18 sein Testament schreiben? Naja bei einem Leben als.. Was auch immer die Gregorovichs waren, konnte man jederzeit sterben. War es unhöflich zu fragen wer der begünstigte wäre? Aus reiner Neugier natürlich. Bei Yassen war und ist es natürlich sein Sohn, aber Alec hatte ja niemanden. Ohne ein Wort zu sagen, ging ich den Tisch runter und setzte mich zu ihm. Alleine musste er das alles sicher nicht machen, ich konnte zwar nicht helfen, aber Gesellschaft brachte es manchmal auch. Vor allem in einer dunklen einsamen Höhle. Wie vor einer Woche.

"Wenn ich hiermit fertig bin, können wir los."
"Kein Stress."

Es ging ja nur um den Sohn seines Exfreundes der seit Wochen verschwunden war. Da kam es sicher nicht auf den ein oder anderen Tag an.. Man beachte meine Ironie. Aber ihm gegenüber konnte ich das nicht sagen, wie gesagt es war sein Exfreund und das Thema ohnehin nicht sein liebstes. Dazu war er, seit das mit seinem Bein war, beinahe dauerhaft gereizt und explodieren konnte er in Sekunden, da musste man nicht noch das Feuer entzünden.

"Hast du ein Testament?"
"Ich bin 19 Alec."
"Also hast du eins?"
"Nein. Aber im Falle meines Todes, bekommt vermutlich Yassen alles was ich habe."

Und das war nicht besonders viel. Um ehrlich zu sein. Zwar hatte ich ein kleines Vermögen von meinen Eltern und meines Onkels geerbt, aber das bekam ich erst mit 21 ausgezahlt. Mit einem Alter, in dem ich vermutlich gewissenhaft damit umzugehen weiß. Und für eine kleine Wohnung in London, ging fast mein ganzer Sold drauf. Ich trachtet eigentlich auch nicht danach bald zu sterben. Aber fur meine Neugier war hier jetzt doch der richtige Platz. Der Russe neben mir besaß jetzt schließlich etliches. Jetzt und vorher schon.

"Und bei dir?"
"Wenn ich sterbe bestimmen du, Yassen, Mirnas und Misha meinen Nachfolger. Mindestens drei müssen sich einig sein, beziehungsweise zwei falls einer ausscheidet."

Wow. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das war irgendwie eine Ehre, aber machte mir auch Angst. Daher ließ ich das Thema einfach und beobachtete ihn einfach weiter. Auch wenn ich mich fragte warum seine Eltern nicht da waren und halfen, oder soetwas. Musste er jetzt wirklich alles alleine machen? Von heute auf morgen, weil er jetzt volljährig war? Als hätte er meine Gedanken lesen, fing er wieder an zu reden.

"Yassen und Mirnas sind nach Zambia, irgendwie gibt es dort Probleme. Aber im Kühlschrank steht die Torte falls du..."

Weiter musste er gar nicht reden. Denn schon stand ich auf und ging Richtung Küche. Auf dem Weg traf ich auf Wolf. Wie auch immer sein wirklicher Name war. Als wir uns kennenlernten war er der Boss und ich ein kleiner Schüler, der in zwei Wochen seine komplette Ausbildung durchlaufen sollte. Dementsprechend war er auf mich gestimmt gewesen. Richtig schlecht. So wurde ich dann auch behandelt. Später hatte er mir des öfteren mein Leben gerettet und schließlich Informationen zugespielt, um die Kinder vor den Grimaldis zu retten. Mittlerweile war meine Position, aber um einiges gewachsen. Zwar sollte ich nach meinem eigentlichen Dienstgrad immer noch richtig schiss vor ihm haben, aber hier war ich irgendwie ein Gregorovich. Und damit war er für meine Zwecke perfekt.

"Ich brauche deine Hilfe."
"Bin dabei Cub. Legal oder illegal?"
"Alec wird 18. Wir brauchen eine Party. Wo ist Mishas Schwester? Können wir jemanden einfliegen lassen? Und ganz wichtig.. Wir müssen nüchtern bleiben, Alec will uns sicher selbst nach Nizza fliegen. Ist dafür alles bereit?"
"Ich bin für die Sicherheit zuständig und kein Koordinator... Aber warte."

Nachdem warte erfolgte ein schrilles Pfeifen seinerseits und augenblicklich trat jemand zu uns, der deutlich mehr nach einem Koordinator aussah. Mit einem Tablet in der Hand informierte er mich zu all meinen Fragen und folgte mir auch in die Küche. Wolf ging, aber nur um wenig später mit einem Karton voll Deko wieder zu kommen. Zusammen kümmerten wir uns um den Festsaal. Von Misha keine Spur, aber wer sollte es ihm verübeln.

Seine Schwester war nach ihrem Einsatz gleich im Süden geblieben und hatte nach Yurii gesucht. Mit einer handvoll Leute. Auch wenn sie ihr Leben lang im Schatten ihres großen Bruders stehen würde, war sie nicht zu unterschätzen. Sie war eine der besten ihres Jahrganges, in der normalen Schule sowie in ihrer Ausbildung. Sie wäre eine Legende in Scorpia geworden, hätte es die Schule für angehende Profikiller noch gegeben. Es gab eine neue Ausbildungsstätte. Die genauso gut war, aber ich wusste nicht wo. Vielleicht zur Sicherheit. Geheim und so weiter.

Ein paar Zimmer oberhalb des Festsaals, saß der rotblonde Russe immernoch vor den Verträgen. Einige las er gar nicht mehr, sondern unterschrieb sie einfach. Jene die er von seinem Vater übernahm. Kaum klappte er die letzte Mappe zu, wurde der Stapel auch schon von dem Tisch entfernt und ein schwarzer länglicher Metallkoffer wurde dort platziert. Ein Butler mit Seidenhandschuhen, um ja keine Fingerabdrücke oder sonstiges zu hinterlassen, öffnete den Koffer und gab eine schwarze Pistole zum Vorschein.

Es sah aus wie ein Baukasten. In Schaumstoff gelegt, gab es die Waffe, einen Schalldämpfer, die Magazinerweiterung, das Visier, den verlängerten Lauf,... Und zwei Reihen an Kugeln. In der einen normale Patronen, in der anderen hatte jede einzelne seine Initialen, fein säuberlich, eingraviert. Als er seine Hand um den Griff legte, klickte es kaum hörbar wodurch klar wurde, dass sie sich entriegelt hatte. Würde jemand anderes sie in die Hand nehmen, würde sie augenblicklich wieder blockieren. Alles zusammen erinnerte ihn an sein Scharfschützengewehr, welches eben genau aus so einem Bausatz bestand.

Er dachte daran und schon wurde sein Rucksack neben den Koffer gelegt und geöffnet. Als hätten sie geahnt was er dachte. Zumindest gingen sie nicht davon aus, dass Alec sich von null auf hundert änderte und legten ihm seinen Rucksack hin. In der Rückwand befand sich immer noch sein Gewehr, in Einzelteilen und durch hauchdünne Bleiplatten von allen Strahlungen abgeschirmt. In die zweite Lage platzierte er die Teile der Pistole und einen Moment füllte es sich an wie in der Grundschule, beim Stifte in die Federtasche stecken. Genauso war das hier auch.

Die Pistole an sich steckte er selbst ein. Ehe er aufstand, seinen Rucksack schulterte und den Raum verließ. Zwar war er nun noch deutlich schwerer, aber das war für ihn kein Problem. Ein extrem dünner Fallschirm war schließlich ebenfalls drin. Damit konnte er zwar nciht fliegen, aber seinen Sturz soweit abfedern, dass er sich nur etwas brechen würde. Ein paar andere Sachen hatte er nach seinem Höhlenbesuch ebenfalls hinzugefügt.

In seinem Zimmer angekommen, kamen noch ein paar Kleidungsstücke in den Rucksack. Nur die Notgarnitur. Auf dem Schiff wären genug Sachen für sie und nochmal wandern und Zelten, darauf hatte er im Moment wenig Lust. Etwas Luxus musste es da geben, auch wenn es auffälliger war als das andere. Aber zumindest konnten sie sich auf die Technik seines Vaters verlassen. Hoffentlich kam Misha mit dieser klar, denn ein Schiff hatte Alec noch nicht gesteuert. Flugobjekte und alle möglichen Landfahrzeuge waren kein Problem, aber ein Schiff. Auch wenn es nur eine Yacht war... In Venedig hatte er mal über die Ferien ein paar Krachten gelenkt, aber dazwischen lagen Welten.

Würde er Fynn je wieder sehen?

Diese Frage hatte er erfolgreich verdrängt, seit er London verlassen hatte, aber nun, durch Alexs Fragerei beschäftigte sie ihn doch wieder. Warum überhaupt? Sonst interessierte er sich doch auch für nichts und niemanden. Außer er hieß Alex oder Misha oder war mit ihm verwandt. Misha... War das nun wirklich endgültig vorbei? Zwar war es schon vor Jahren vorbei, aber eine Ehe und ein Kind.. Das machte es doch endgültig... Oder?

Good AgentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt