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Niall

Angestrengt blickte ich auf den dunklen Horizont, der sich in geschätzten zwei Stunden heller färben würde. Vielleicht aber auch nicht, schoss es mir durch den Kopf, denn das Wetter in London war nicht nur unberechenbar, sondern auch meistens ziemlich schlecht. Im Moment regnete es noch, also ging ich nicht davon aus, dass ich am Horizont messen konnte, wann ich mich auf den Weg ins Badezimmer machen musste. So musste also die Uhr meines Telefons herhalten, um mich über die Zeit zu informieren. Es war kurz vor halb vier.

Ich stieß ein tiefes Seufzen aus und nahm einen weiteren Zug von meiner Zigarette. Das Letzte, was ich heute wollte war, mich um die verwöhnten Kinder der Dawsons zu kümmern und am Abend im Halbschlaf hinter der Bar zu stehen und mich um Bestellungen zu kümmern, von denen die meisten eigentlich gar nicht ausgeführt werden durften, da diejenigen, die sie aufgegeben hatten, mit Sicherheit noch nicht alt genug waren, um Alkohol zu trinken.

Dabei wusste ich ganz genau, wenn ich ihnen sagte, dass ich ihnen keinen Alkohol ausschenken durfte, würde die Bar langsam aber sicher den Bach runter gehen - denn mindestens die Hälfte der Gäste waren nun einmal minderjährige Jugendliche, die ganz genau wussten, dass diese Kneipe ein Schlupfloch in der gesetzlichen Regelung Englands war.

Während ich dem bläulichen Rauch dabei zusah, wie er in den Himmel emporstieg und dabei beobachtete, wie er sich langsam, aber sicher auflöste, wanderten meine Gedanken unwillkürlich zu Liam. Hatte er bemerkt, dass ich mich nicht fühlte, als würde ich mein Leben auf diese Art und Weise noch länger ertragen können? Hatte er bemerkt, dass ich eigentlich gar nicht in der Lage war, zu arbeiten, wenn ich noch nicht einmal in der Lage war, zu schlafen?

Die wenige Zeit, die mir dafür zur Verfügung stand, nutzte nämlich mein Gehirn für Dinge, zu denen es während der Tageszeit nicht kam. Schließlich hatte ich irgendwo, irgendwann einmal gehört, dass die Gedanken einen so lange schützten, wie das nur irgendwie möglich war. Die Folge daraus war also Verdrängung - und wer befasste sich schon freiwillig mit Dingen, die einem in der Seele wehtaten?

Teilweise war ich noch immer nicht über Dinge hinweggekommen, die sich Jahre zuvor ereignet hatten. Personen spukten noch immer in meinem Kopf herum, die mich längst vergessen hatten. Sie hatten mich längst aus ihrem Leben gelöscht und verschwendeten keinen Gedanken mehr an mich, während ich nahezu jede Nacht wach lag und mich fragte, weshalb sie gegangen waren. War es wirklich meine Schuld gewesen, so wie sie es gesagt hatten?

War es wirklich mein Verhalten gewesen, das sie dazu getrieben hatte, mich meinem Schicksal zu überlassen? Dabei hatten sie doch ganz genau gewusst, dass ich allein keine Chance gehabt hatte, klarzukommen.

Dabei wusste ich, dass man nie allein an einer Trennung schuld sein konnte, sei es nun eine Freundschaft, oder eine Beziehung. Zumindest musste man sich anstrengen, um die ganze Schuld guten Gewissens auf sich nehmen zu können - und wer tat das schon?

Ich hatte in meinem Leben viele Menschen kennengelernt, die ihre eigenen Fehler weder sehen wollten, noch sehen konnten. Verdrängung - wer gab schon gern zu, wenn er etwas verspielt hatte?

Ich seufzte. Obwohl ich ihn noch nicht unbedingt gut kannte konnte ich schon jetzt sagen, dass Liam nicht unbedingt anders als der Rest war. Natürlich war er nur ein ganz normaler Student, der mit komplizierten Charakteren wie mir überfordert war. In seiner Situation würde es mir wahrscheinlich wenig bis gar nicht anders ergehen. Und das war es, was die ganze Sache am schlimmsten machte. Ich wusste ganz genau, dass ich selbst mich niemals würde ertragen können.

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand und nahm einen tiefen Zug aus meiner Zigarette, um die aufsteigende Trauer zu unterdrücken. Mir war klar, dass Menschen wie ich dazu verdammt waren, ihr Leben allein zu leben. Dabei hatte ich nie gewollt, so zu enden wie ich es letztendlich getan hatte.

Ein gedankenverlorener Blick auf mein Telefon verriet mir, dass eine Nachricht eingegangen war. Ich zog beide Augenbrauen irritiert nach oben - wer zur Hölle schrieb mir gegen vier Uhr morgens eine Nachricht? Und vor allem ... Warum?

... Liam?

Ich schüttelte irritiert meinen Kopf. Weshalb um alles in der Welt kontaktierte er mich um eine so unchristliche Zeit, zu der er eigentlich längst schlafen sollte?

Schläfst du schon?

Ich zog beide Augenbrauen nach oben. Bei einer normal denkenden Person wäre diese Frage mehr als nur überflüssig gewesen - aber da ich kein normal denkendes Individuum war ...

Kannte er mich mittlerweile denn so gut?

Nein.

Ich seufzte. Eigentlich sollte ich das nämlich wirklich tun - stattdessen saß ich hier und mutete meiner Lunge radioaktiven Rauch zu, der Teer und alles Mögliche enthielt.

Hast du Lust zu skypen?

Es war so paradox, dass ich schon fast lachen musste. Um es freundlich auszudrücken - es war bereits fast Morgen. Ich würde in zwei Stunden aufstehen müssen, hätte ich denn jemals geschlafen.

Sicher.

„Warum schläfst du nicht?", wollte er von mir wissen, als ich auf seinem Bildschirm erschien. Ich zuckte beide Schultern. „Das Gleich könnte ich dich fragen."

Nun war er derjenige, der ratlos beide Schultern anhob. „Ich weiß nicht. Ich habe mit großem Interesse eine Dokumentation im Fernsehen verfolgt und danach nicht mehr schlafen können."

„Studenten", scherzte ich und schüttelte grinsend meinen Kopf. „Wie kann man sich um diese Zeit freiwillig Dokus ansehen?"

Liam schien einen Moment lang nachzudenken, hob dann allerdings beide Augenbrauen. „Gute Frage."

Ein Kichern drängte sich aus meiner Brust. Plötzlich allerdings räusperte Liam sich und sah mich auf eine Art und Weise an, die ich so noch nie gesehen hatte. „Ich hatte einen bestimmten Grund, warum ich mit dir sprechen wollte."

„Ach ja?"

Er nickte. Ich schluckte.

„Möchtest du mich besuchen kommen?"

Tumblr. (Niam AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt