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Ein tiefes Seufzen drängte sich aus meiner Brust, als ich die Tür zu meinem Apartment hinter mir abschloss. Ich ging in die Küche, machte mir eine Tasse Tee und ließ mich auf meinem Sofa nieder.

Gähnend klappte ich meinen Laptop auf, der den ganzen Tag auf dem Sofa gelegen hatte, während ich arbeiten gewesen war. Wie ich die Leute an diesem Ort hasste: Ständig wurde an mir herumgemäkelt und mir gesagt, dass ich nichts auf die Reihe brachte. Dass das stimmte wollte ich gar nicht anzweifeln, aber das änderte nichts an meinem Recht, diesen Ort abgrundtief zu hassen.

Ich öffnete den Safari-Browser und klickte Tumblr unter meinen Lesezeichen an.

Tumblr war eine unheimlich beliebte Website, auf der selbst ich einen Blog hatte - und normalerweise war ich nicht unbedingt ein Fan von solchen Dingen. Sein Privatleben im Internet posten? Niemals!

Aber diese Seite war anders. Es war nicht zwanghaft nötig, zu erzählen, wer man war oder woher man kam. Man musste auch nicht unbedingt sein Privatleben veröffentlichen. Genau genommen konnte man tun und lassen was man wollte, solange es nicht gegen die Regeln der Seite verstieß. Und die waren nicht anders als die jeder anderen Website auch - bis auf manche Ausnahmen.

Beispielsweise war mir aufgefallen, dass viele junge Mädchen Bilder von ihrem ausgehungerten Körper posten, oder Fotografien ihrer verwundeten Arme. Den Sinn davon verstand ich nicht wirklich - waren psychische Krankheiten denn jetzt eine Modeerscheinung?

Ich persönlich empfand es fast als eine Beleidigung. Genau wegen Menschen wie diesen wurden Personen mit ernsten psychischen Schwierigkeiten nicht mehr ernst genommen. So ging es mir schließlich auch: Lange Zeit war ich wegen meiner Depressionen arbeitsunfähig gewesen. Hatte mir irgendwer geglaubt? Nein.

Du bist doch nur ein bisschen traurig, das sind alle von uns. Wieso um alles in der Welt sollst du dann nicht auch arbeiten können?

Ein weiteres Seufzen. Ich öffnete meinen Posteingang, in dem ich prompt einige Fanmails fand. Einige von ihnen stammten von Personen, mit denen ich schon länger Kontakt hatte, andere wiederum von Menschen, die ich gar nicht kannte. Wieder andere waren anonym abgesendet worden.

„Ich liebe deinen Blog. Er hat mir oft geholfen, die Dinge positiver zu sehen, als sie eigentlich sind."

„Du bist einer der wenigen Menschen, die hier auf dieser Seite wirklich etwas verloren haben."

Eine Mail allerdings stach mir besonders ins Auge, weil sie sehr lang war. Zumindest für die Verhältnisse, die ich gewohnt war. Sie stammte von jemandem, der sich Liam Payne nannte und ein sehr schönes Profilbild hatte, so weit ich das von diesem Punkt aus erkennen konnte.

„Hey, Niall. Eigentlich möchte ich ohne lange Floskeln zum Punkt kommen, aber ich glaube nicht, dass ich das schaffen werde. Außerdem glaube ich, dass du Dinge wie ‚Ich liebe deinen Blog' oft genug zu hören bekommst. Wahrscheinlich kannst du es schon gar nicht mehr sehen und lächelst nur darüber, wenn jemand dir solche Dinge erzählt. Aber ich möchte nicht einer von vielen sein der dir sagt, dass dein Blog schön ist."

Ich zog beide Augenbrauen nach oben, bevor ich weiterlas. Dieser Jemand schien also ganz andere Absichten zu haben, als mir nur zu sagen, dass er meinen Blog mochte - oder er wollte es auf eine ganz besondere Art und Weise tun.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Das war genau das, was ich nach einem solchen Arbeitstag brauchte: Wenn man ununterbrochen gesagt bekam, dass man ein stetiger Versager war und absolut zu nichts in der Lage, konnte es gut tun, Bestätigung für das Einzige zu erhalten, was man wirklich konnte.

In meinem Fall war es eben das Bloggen.

„Ich weiß nicht, ob dir das überhaupt bewusst ist, aber du kannst Menschen mit deinen Posts wirklich helfen. Ob sie anderen helfen weiß ich nicht, aber ich gehe zumindest davon aus - ansonsten hättest du ja nicht so viele Follower, die dir täglich sagen, dass sie deinen Blog lieben. Das gilt zwar auch für mich, aber daran will ich mich wie gesagt nicht länger aufhalten. Meine Aussageabsicht ist eine Andere."

Wieder hielt ich inne. Seine Aussageabsicht war eine Andere? Hatte er das nicht oben auch schon aufgeführt und dann trotzdem von meinen Posts geschwärmt?

Ich seufzte kurz auf und las weiter.

„Mir jedenfalls haben sie geholfen. Auf dieser Seite gibt es viel zu viele Menschen, die wirklich absichtlich Dinge posten, die einen nur weiter runterziehen. Zumindest habe ich diesen Eindruck erhalten - ich bin ziemlich viel auf dieser Seite unterwegs. Ich finde mich in deinen Posts selbst wieder, und das hat vor dir noch nie jemand geschafft, den ich eigentlich gar nicht kenne. Als ich vor einem halben Jahr auf deinen Blog gestoßen bin, habe ich mich oft gefragt, was einem Menschen widerfahren sein muss, damit er so traurig sein kann. Und obwohl mich deine Posts nicht nach unten ziehen hat es mir schrecklich leid getan, als ich von dem Unfall gelesen habe."

Ich schluckte. Der Unfall. Ganz egal was er sagen würde, ich würde ganz bestimmt nicht mit ihm darüber sprechen. Er war ein völlig Fremder, ich wollte einfach nicht darüber sprechen, schon gar nicht mitten in der Nacht - oder eher gesagt, am frühen Morgen.

„Du solltest wissen, dass es nicht deine Schuld ist. Das ist meine eigentliche Aussageabsicht. Wie sollst du an etwas schuld sein, das du gar nicht hast kommen sehen? Das du gar nicht herbeigeführt hast?"

Ich schüttelte meinen Kopf und presste beide Lippen aufeinander. Wusste er überhaupt, was er da sagte?

„Ich würde mich sehr auf eine Antwort von dir freuen - ehrlich. Offen gestanden wollte ich diese Nachricht schon seit Wochen abschicken, habe mich aber nie wirklich getraut, eine so intime Mail zu schrieben - immerhin dringt sie ja doch ziemlich weit in deine Privatsphäre ein. Ich hoffe, das war nicht zu schmerzhaft für dich."

Wieder schüttelte ich energisch meinen Kopf. Das konnte er doch nicht ernst meinen - natürlich war das schmerzhaft für mich. Aber ich hatte gelernt, damit zu leben. Immerhin lag das Ganze jetzt schon einige Jahre zurück.

Also beschloss ich, ihm zu antworten. Immerhin hatte auch er sich die Mühe gemacht, eine so lange Mail zu verfassen - wäre es da nicht eine angemessene Gegenleistung gewesen, ihm zu antworten?

Ich seufzte. Irgendwie hatte diese Mail etwas wirklich Schönes.

Tumblr. (Niam AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt