Liam
Was gibt es Schöneres, als einen entspannten Abend nach einem anstrengendem - sehr anstrengendem Tag, um genau zu sein - an der Uni? Daraus sollte allerdings nichts werden, denn es gab, wie so oft, Ärger mit irgendwelchen Dingen die nicht funktionierten, weil wir die Rechnungen nicht bezahlen konnten.
„Es wird Zeit, dass du dir einen Job suchst", sagte ich zu Harry und stieß ein tiefes Seufzen aus. „Allein kann ich das ganze Zeug nicht bezahlen, ich bin Student."
Er nickte und sah mich verständnisvoll an, wie immer wenn er wusste, dass ich recht hatte. „Ich werde mir die Stellenangebote ansehen."
„Das sagst du jedes Mal", protestierte ich, mit einem leicht entnervten Ton in meiner Stimme. Der war noch nicht einmal beabsichtigt gewesen, mehr ein unangenehmer Zufall, denn ich wusste, wie empfindlich Harry auf solche Dinge reagierte.
Nun war er derjenige, der tief Luft holte und sie hörbar wieder ausstieß. „Du weißt ganz genau, dass ich mir Mühe gegeben habe."
„Wir müssen uns alle Mühe geben", entgegnete ich und machte mich auf den Weg in die Küche und holte zwei Tassen aus einem Schrank.
Automatisch wanderten meine Gedanken wieder zu Niall und der Mail, die ich gestern abgeschickt hatte. Irgendwie war es mir fremd, mit jemandem so engen Kontakt zu haben, über so persönliche Dinge zu sprechen oder ihn überhaupt auf diese Art und Weise anzuschreiben. Normalerweise tat ich so etwas nicht, weil es ganz und gar nicht meine Art war. Ich war eher der schüchterne Typ, der darauf wartete, dass irgendjemand den ersten Schritt machte, weil er Angst hatte, zurückgewiesen zu werden. Zugeben würde ich das allerdings nie.
Es war mehr mein Unterbewusstsein, das solche Dinge für mich regelte.
Wieder seufzte ich tief auf. Es musste doch irgendetwas geben, das mich an ihm so sehr fasziniert hatte, dass ich ihn unbedingt hatte anschreiben wollen. Natürlich, sein Blog war einer der schönsten, die ich je gesehen hatte - aber da war noch etwas anderes. Ich kannte mich selbst, ich wusste, dass ich nie mit irgendjemandem freiwillig in Kontakt treten würde, wenn ich nicht einen wirklich guten Grund dazu hatte.
„Was machst du da?", riss Harry mich aus meinen Gedanken, „Tee oder Kaffee?"
„Was möchtest du denn?"
Er warf einen demonstrativen Blick auf die Uhr. „Willst du um die Zeit wirklich noch Kaffee trinken?"
„Es war nur eine Frage", zuckte ich beide Schultern und griff nach der einzigen Schachtel Tee, die wir im Haus hatten: Kirsche.
Ich hasste Kirschtee, weil ich ursprünglich aus England stammte, und deshalb eigentlich auf meinen englischen Tee bestand. Wie dieser Kirschtee hier gelandet war, wusste ich eigentlich auch nicht, aber für eine neue Schachtel fehlten mir im Moment, so seltsam das auch klingen mochte, die finanziellen Mittel.
Ich warf einen Blick auf die Uhr meines mittlerweile ziemlich veralteten und an allen Seiten demoliertes iPhone, das ich mir irgendwann einmal, kurze Zeit vor meinem Studium, geleistet hatte. Damals hatte ich noch bei meinen Eltern gewohnt, wo alles noch ein wenig gemütlicher war, als hier, am anderen Ende der Welt, meilenweit von zu Hause entfernt.
Ich goss den Tee auf, reichte Harry seine Tasse und deutete demonstrativ zur Tür. „Du wirst die Jungs wieder fragen müssen, ob du bei ihnen duschen kannst. Unser Wasser wird vorerst nicht funktionieren."
Ein entnervtes Stöhnen drängte sich aus der Brust meines Freundes. „Ich hasse das."
„Wer nicht", murmelte ich leise in mich hinein und verzog mich mit meiner Tasse Tee und dem ebenfalls veralteten Laptop in mein Schlafzimmer, um mit dem verbleibenden Akku meinen Posteingang bei Tumblr zu checken. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als das Kuvert ganz oben rechts eine Zwei anzeigte, was mir signalisieren sollte, dass ich zwei Nachrichten erhalten hatte.
Ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, ob ich mich selbst als ‚geduldig' bezeichnen würde. Zumindest nicht von Natur aus - ich meine, ich muss oft ziemlich geduldig sein, ob ich das will oder nicht. Aber ob das in meiner Natur liegt? Keine Ahnung. Aber es freut mich zumindest, dass du das so siehst. Geduldige Menschen habe ich immer bewundert, weil es - nach meinen Erfahrungen - eine relativ gesehen sehr seltene Eigenschaft ist. Findest du nicht? Ich sehe selten Menschen, die viel Geduld mit irgendetwas haben. Ich bin da oft nicht anders, vor allem, wenn ich die Motivation für irgendetwas verloren habe. In der Schule ist es mir immer schwer gefallen, Matheaufgaben zu lösen, weil ich mich nicht reinhängen konnte. Ein ausgeprägtes logisches Denkvermögen hatte ich zwar noch nie, aber wirklichen Ehrgeiz? Nur für Dinge, bei denen sich der Erfolg irgendwann auch gezeigt hat. Und manchmal war ich einfach viel zu antriebslos, um irgendetwas aus mir zu machen. Ich weiß nicht, ob du das kennst.
Die Frage danach, ob du Drogen nimmst oder zu viel Alkohol trinkst, habe ich mir zwar noch nicht gestellt, aber Danke dass du mir die Antwort schon vorab lieferst. Ich meine, es hätte ja durchaus sein können, dass ich mir diese Frage irgendwann wirklich gestellt hätte - vor allem wenn du mir sagst, dass du lachend vom Stuhl gefallen bist. Wobei ich in diesem Punkt wohl nicht unbedingt besser bin, das muss ich ehrlich zugeben. Man kann mich nicht unbedingt leicht so richtig zum Lachen bringen, aber wenn - dann schon richtig. Und dann höre ich so schnell auch nicht mehr damit auf.
Was meinen Musikgeschmack angeht, kann ich dir eigentlich nur eine Antwort geben: Er ist sehr vielfältig. Ich mag im Grunde genommen alles, außer diese Disco-Musik, weißt du, was ich meine? Ich arbeite glücklicherweise in einer Bar, aber in einem Club würde ich früher oder später wahnsinnig werden. Ich selbst bevorzuge Bands wie Bring me the Horizon oder The Pretty Reckless - alles was nicht so weich gewaschen ist, wenn du verstehst, was ich meine.
Zum einen beeindrucken mich die Texte solcher Bands meistens, zum Anderen kann ich mich mit diesen Texten auch oft identifizieren. Ich weiß nicht, ob du dieses Gefühl kennst, aber für mich ist es immer wichtig, mich selbst auf irgendeine Art und Weise in der Musik wieder zu erkennen, die ich höre.
Liebe Grüße,
Niall
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Tumblr. (Niam AU)
FanficNiall und Liam kennen sich eigentlich gar nicht. Der einzige Kontakt besteht vorerst über Tumblr, einer Website, die schon vielen Menschen geholfen hat - für manche aber das genaue Gegenteil bedeutet. Nach einiger Zeit ist ihr Vertrauen so weit gewa...