Willow Jane Osborn
Ich hatte gestern noch mehr als eine Stunde mit Harper über alles gesprochen, was ich gehört hatte. Sie hatte mir tausende Fragen gestellt, doch zu meiner eigenen Unzufriedenheit hatte ich die meisten nicht beantworten können.
'Wäre ich doch nur früher da gewesen', verfluchte ich mich selbst. Doch es liess sich nicht ändern. Es brachte nichts mir weiter darüber Gedanken zu machen, was ich noch gehört hätte, wenn ich tatsächlich früher da gewesen wäre.
Jetzt hatte ich sowieso keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn heute Abend stand das Interview an und ich befand mich schon jetzt – Stunden vor Beginn der Interviews – bei meinem Stylisten. Und Filius Featherman hatte ganz bestimmt nicht die Absicht, mir heute ein schönes Kleid anzuziehen. Wenn man seine Werke denn überhaupt 'Kleider' nennen konnte.
Während ich auf ihn hatte warten müssen, hatte ich mich nämlich mit einer seiner Broschüren beschäftigt. Die Kleider sahen alle so fürchterlich aus wie das jene, das ich bei der Eröffnung getragen hatte. Models dünn wie Zahnstocher und mit bedenklich komischer Schminke trugen die Kleider und machten seltsame Posen, die die Kleider wohl schön zur Schau stellen sollen. Vergeblich.
Nach den ersten zehn Seiten hatte ich die Broschüre wieder weggelegt. Und just in dem Moment hatte Filius den Raum betreten.
«Ich hoffe, sie geniessen den Aufenthalt im Kapitol in vollen Zügen», säuselte er nach einer nicht viel weniger schleimigen Begrüssung.
«Ja, danke», brachte ich hervor und wich vor ihm zurück, um einem feuchten Kuss zu entgehen.
«Ach, es ist mir immer ein äusserstes Vergnügen, wenn ich dazu auserwählt bin, das Beste aus den Tributen herauszuholen und sie schön zur Schau zu stellen», erzählte er mit stolzer Stimme. Bei den Worten 'das Beste' musterte ich ihn nachdenklich, wenn ich an mein Kleid der Eröffnung dachte.
Er machte sich an einem Schrank zu schaffen, wo sich wahrscheinlich all seine Utensilien befanden. Offenbar hatte er noch kein Outfit zusammengestellt, sondern entschied kurzfristig.
Als erstes brachte er eine hautfarbene Strumpfhose zum Vorschein, die von oben bis unten mit bunt funkelnden Glitzersteinchen bedeckt war. 'Könnte schlimmer sein', dachte ich mir, auch wenn ich so etwas wie diese Stumpfhose freiwillig nie und nimmer anziehen würde.
Dann holte er einen schwarzen Body hervor, der ebenfalls mit Glitzer überzogen war – jedoch mit schwarzen Steinchen. Der Ausschnitt sah ziemlich tief aus, doch es war weniger schlimm als ich erwartet hatte.
Dann kramte er wie wild in einer Schublade, bis er einen rüschenreichen Rock zum Vorschein gebracht hatte. Das Kleidungsstück trug alle erdenklichen Farben und glitzerte im Licht der Deckenlampe wie tausend kleine Lichter.
«Wenn Sie so gut wären», sagte er und reichte mir all die Dinge, die er eben hervorgeholt hatte. Ich tat brav, was er mir gesagt hatte.
Mit scharfem Blick musterte er mich, dann nickte er zufrieden. «Jetzt noch den Feinschliff», sagte er und holte mehrere Dinge, die er wohl zusammengesucht hatte, während ich mich angezogen hatte.
Als ich alles trug, was er bereitgemacht hatte, sah das Outfit ziemlich überschmückt aus. Ich trug Ballen aus Rüschen um meine Handgelenke, die dieselben Farben trugen, wie der Rock. Ausserdem etliche goldene Armbänder, Ringe und gleich drei Halsketten, von denen zwei mit einem funkelnden Stein versehen waren. Ich könnte sogar schören, dass es echte Diamanten waren.
Zuletzt machte er sich noch an meine Haare, flocht sie zu einer aufwendigen Frisur und schmückte sie mit einer goldenen Haarspange. Dann klatschte er mir noch Unmengen an Makeup ins Gesicht, sodass ich mich am Schluss selbst nicht mehr erkannte.
DU LIEST GERADE
Truth Rising | Die 51. Hungerspiele
FanfictionTeil 2 ᯽᯽᯽ »Warum sagen alle, dass man ehrlich sein soll, wenn man später dafür umgebracht wird, die Wahrheit aussprechen zu wollen?« Nur ein Jahr, nachdem Harper Thea Osborn zur Gewinnerin der 50. Hungerspiele gekürt wurde, trifft ein Schlag des Sc...