31. Kapitel

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Harper Thea Osborn

«Ich sagte doch, du sollst mir nicht folgen», hörte ich Min-Ahs Stimme. «Traust du mir nicht zu, dass ich das allein schaffen würde? Ich-»

«Eiserner Wille, ja ich weiss», erwiderte Comet. «Aber ich glaube nicht, dass du mit deinem eisernen Willen eine Videoaufnahme im Fernsehersender des Kapitols ausstrahlen kannst. Dazu brauchst du jemanden mit Fachwissen und das bin nun einmal ich»

«Na gut, ich hab keine Ahnung von Technik und all dem Zeug», lenkte Min-Ah ein.

In diesem Moment bog ich um die letzte Ecke und stand nun direkt vor ihnen. Ich wollte gerade fragen, was sie hier taten, als Comet schon zu einer Erklärung ansetzte.

«Sie wissen, dass wir hier sind, Harper. Wir wollten euch warnen, damit ihr den Spielmachern nicht unvorbereitet in die Arme lauft»

«Schon passiert»

Erst jetzt schienen die beiden zu bemerken, dass ich völlig aufgelöst war, meiner Haare vollkommen zerzaust waren und meine Hände voller Blut waren.

«Ach du-», begann Min-Ah, doch Comet kam ihr zuvor und trat einen Schritt auf mich zu.

«Was ist passiert?», fragte er entgeistert. Sein Blick hing an meinen blutigen Händen. «Ist alles in Ordnung, wo sind die anderen?»

Ich starrte ihn an. Seine Worte brachten von neuen Tränen in meine Augen. «Das...ich...es ist nicht mein Blut», brachte ich schliesslich hervor. «Wir...wir wurden von den Friedenswächtern überrascht, sie haben uns angegriffen...»

«Wo sind Ley und Gray?», fragte Comet eindringlich. Er hatte seine Hände auf meine Schultern gelegt, sodass ich ihn ansehen musste.

«Ley ist rausgegangen. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich in Sicherheit bringen und Gray...» Ein Schluchzer unterbrach mich und ich schüttelte den Kopf. Mit einer Hand wischte ich mir die Tränen vom Gesicht.

«Was ist mit Gray?», fragte Comet erneut. «Harper, was ist mit Gray?»

«Er ist tot», hauchte ich und fiel ihm in die Arme. «Sie haben ihn umgebracht»

Comet schlang seine Arme fest um mich. «Es tut mir leid, ich konnte ihn nicht retten», flüsterte ich ihm zu.

«Du kannst nichts dafür», erwiderte er, «Das ist die Schuld des Kapitols und sie werden dafür bezahlen»

Mit diesen Worten löste er sich aus meinen Armen. Er sah nicht mehr mitleidig aus, nicht mehr traurig, Da war nur noch Wut und Entschlossenheit.

«Wir bringen das hier zu Ende. Und zwar noch heute. Seid ihr bereit?» Sein Blick sah erst mich und dann Min-Ah abwartend an.

«Ja», brachte ich hervor.

«So halbherzig werden wir es niemals schaffen. Seid ihr bereit?»

«Ja, ich bin bereit!», sagte ich, diesmal um einiges energischer und überzeugter.

«Denen werden wir es zeigen!», stimmte Min-Ah zu.

«Dann los!», sagte Comet und wies mit seiner Hand den Gang hinunter. Die Tür zur Zentrale der Spielmacher war nur noch wenige Schritte entfernt.

Wir gingen den Gang entlang, bis wir vor der Tür standen. Comet versicherte sich, dass wir bereit waren, dann stiess er die Tür mit einem Ruck auf. Jetzt gab es kein zurück mehr.

Im Raum wurden wir wie schon vermutet von mehreren Spielmachern überrascht. Oder eben sie von uns. Mit erschrockenen Mienen starrten die Spielmacher uns entgegen, keiner reagierte.

«Auf sie!», rief Comet und wir rannten auf sie zu. Jeder von uns nahm sich gleich drei Spielmacher vor, denn wir waren eindeutig in der Unterzahl. Doch dank des Überraschungsmoments waren wir dennoch im Vorteil.

Zum zweiten Mal an diesem Tag war ich in einen Kampf verwickelt. Den ersten Spielmacher setzte ich mich einem gezieltem Schlag ausser Gefecht, noch bevor er sich von seinem Stuhl erheben konnte.

Doch bei den beiden anderen ging es nicht so schnell, da sie genügend Zeit hatten, um zu reagieren. Sie wehrten meine Hiebe geschickt ab und stiessen mich immer wieder von sich weg.

Obwohl sie sich gut hielten, war mir schnell klar, dass sie keinerlei Kampferfahrung hatten. Sie konnten meine Angriffe zwar abwehren, aber nicht selbst angreifen. Nach ein paar weiteren Schlägen ging der zweite Spielmacher zu Boden.

Ich kam langsam ausser Atem, aber ich würde weiter durchhalten. Die nächsten paar Hiebe meinerseits gingen daneben. Der letzte Spielmacher war äusserst geschickt und wich stehts rechtzeitig aus.

Plötzlich hallte ein Schuss durch den Raum, der mich und mein Gegenüber innehalten liess. Ich sah mich um, konnte aber auf die Schnelle nichts erkennen. Als ich mich wieder auf meinen Gegner konzentrierte, der noch immer nach der Ursache des Schusses suchte, nutzte ich den Moment der Unaufmerksamkeit und verpasste dem Mann einen Hieb gegen die Schläfe. Er sackte augenblicklich in sich zusammen. Reglos blieb er am Boden liegen.

Ich verschaffte mir einen Überblick über die Lage. Comet hatte seinen Teil der Spielmacher erledigt. So weit ich sehen konnte, war nur noch ein Spielmacher übrig.

Doch dann sah ich, wem der Schuss gegolten hatte. Am Boden lag Min-Ah, die Hand auf eine Wunde an ihrem Bauch gepresst. Der Spielmacher stand über ihr und der Lauf der Waffe war direkt auf Min-Ah gerichtet.

Ehe ich reagieren konnte, war Comet bei ihm und warf ihn zur Seite. Ein Kampf brach zwischen den beiden aus, sie gingen mit den Fäusten aufeinander los.

Ich rannte zu Min-Ah, liess mich neben ihr auf die Knie sinken. Meine Hand suchte wie automatisch nach ihrer und ich drückte sie ganz fest.

«Ich habe nicht gesehen, dass er eine Waffe hat», hauchte Min-Ah. Sie sah mich an. Ihre Haut war blasser als sonst und ihre Stimme nicht halb so ausdrucksvoll wie sonst.

«Wir bringen dich hier raus und dann werden wir dir helfen, okay?», sagte ich und drückte ihre Hand ganz fest.

«Sieh mich an», sagte Min-Ah. Ich liess den Blick zu ihrer Wunde schweifen. Unmengen an Blut klebten an Min-Ahs Haut, ihren Händen und Kleidern. «Du weisst, dass ich es niemals hier raus schaffen würde, also lüg mich nicht an»

«Es tut mir leid», sagte ich.

«Ich wusste, dass das hier der reinste Selbstmord ist», brachte sie hervor, «Aber ich wollte in meinem Leben etwas Gutes tun, etwas erreichen. Ich habe mir immer gewünscht, dass die Leute Gutes über mich erzählen» Sie schniefte leicht.

«Du hast etwas Gutes getan, Min-Ah», versicherte ich ihr, «Du bist eine Heldin, okay?»

«Sind die Helden nicht eigentlich die, die alles überleben?», fragte Min-Ah und lächelte leicht, «In allen Geschichten überleben die Helden...Du musst überleben, Harper. Die Welt braucht eine Heldin wie dich»

Ich nickte. «Ich werde das hier zu Ende bringen und ich werde überleben», sagte ich, «Und ich werde allen erzählen, dass du eine Heldin warst» Nun liefen mir auch die Tränen über die Wangen.

Min-Ah lächelte, doch dann musste sie husten und spuckte Blut. Sie verzog das Gesicht vor Schmerzen. «Ich war...», brachte sie noch hervor, doch dann kippte ihr Kopf zur Seite.

«Eine Heldin», beendete ich ihren Satz. Ich legte eine meiner Hände auf ihr Gesicht, um ihr die Augen zu schließen. 

Truth Rising | Die 51. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt