23. Kapitel

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Willow Jane Osborn

Wir hörten die Stimmen unserer Verbündeten schon, bevor wir sie sehen konnten. Immer wieder war Harmonys Lachen zu hören. Wahrscheinlich amüsierte sie sich über den Tod eines Tributen. Im Verlauf des Tages war nämlich einmal die Kanone ertönt und ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass entweder Harmony oder Titan der Grund dafür waren.

Es hatte bereits begonnen zu dämmern, der Himmel wurde von Minute zu Minute dunkler. Der Mond stand hoch am Himmel und lieferte Licht, das obskure Schatten der Bäume warf.

Dann tauchten Harmony, Titan, Nuray und Khaos aus dem Gewirr aus Bäumen und anderen Pflanzen auf. Wie immer gingen die beiden Tribute aus Distrikt 1 ganz vorne. Natürlich.

«Nein, töte mich nicht, bitte!», sagte Harmony. Sie ahmte eindeutig das Mädchen nach, das sie heute getötet hatten. «Das jämmerliche Ding hat wirklich geglaubt, wir würden Erbarmen mit ihr haben»

«Ja», stimmte Titan zu, «Sie hat sich tatsächlich vor uns verbeugten, als wir es ihr befohlen haben. Nur leider haben wir sie trotzdem umgebracht»

«Leider ist der andere Entkommen», sagte Nuray und ging zu den beiden Karrieros. Ich sachte erst, ich würde nicht recht hören. Seit wann war Nuray denn so? Bisher hatte es so gewirkt, als würde er genauso wenig von den Karrieros halten wie ich. Und nun schien er zu einem von ihnen geworden zu sein.

«Wie gerne ich dem sein lächerliches Leben genommen hätte», sagte Harmony.

«Den werden wir schon noch kriegen», sagte Nuray und sah Harmony unterwürfig an. «Ich bin mir sicher, dass dein Moment noch kommen wird»

«Gewiss», stimmte Harmony zu und wandte sich ab.

Ich glaubte zu verstehen, was hier vor sich ging. Wahrscheinlich wollte Nuray sich bei den Karrieros einschleimen, um nicht der Erste zu sein, der umgebracht wurde, wenn es eng wurde. Es waren nur noch zehn Tribute übrig. Sechs davon von unserem Bündnis. Wenn es so weiter ging, würden keine Tribute mehr übrig sein, die Harmony und Titan ermorden konnten. Dann würden sie sich die eigenen Verbündeten vornehmen. Einen nach dem anderen.

Irgendwie konnte ich Nuray sogar verstehen. Auch wenn ich selbst niemals so handeln würde, niemals so würde handeln können.

«Wie das Mädchen gewimmert hat», lachte Harmony, als wir alle zusammen an einem Lagerfeuer sassen und etwas assen. «Sie wusste genau, dass sie keine Chance gegen uns haben würde»

Mir drehte es der Magen um, der Erzählung meiner Verbündeten zuzuhören. Sie erzählten detailliert was vorgefallen war und wie sie das Mädchen erledigt haben. Nicht mehr lange und ich würde mich übergeben müssen.

«Ich gehe schlafen», sagte ich und erhob mich von dem umgestürzten Baumstamm, auf dem ich gesessen hatte. «Wenn das in Ordnung ist»

«Klar», sagte Harmony. Sie flüsterte Titan noch etwas zu, doch ich konnte es nicht verstehen, da ich mich schon umgedreht hatte. Mit schnellen Schritten ging ich zu unserem Lager und legte mich in meinen Schlafsack. Die Stimmen der anderen drangen nur in unverständlichen Fetzten zu mir und der Schein des Feuers war aus dem Augenwinkel noch zu sehen.

Erst jetzt merkte ich, wie müde ich tatsächlich war. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, doch der Himmel war pechschwarz, der Mond stand am Himmel.

Es dauerte keine halbe Stunde, bis ich in dem wohlig warmen Schlafsack einschlief und alles um mich herum für einen Moment vergass.

«Willow! Willow, wach auf», drang es an mein Ohr. Ich wühlte mich in meinem Schlafsack auf die andere Seite und wollte weiterschlafen, doch die Stimme hörte nicht auf meinen Namen zu wiederholen. «Willow, wach auf!»

Truth Rising | Die 51. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt