Harper Thea Osborn
Ich hatte gestern noch den ganzen Abend lang nachgedacht, wen ich um Hilfe bitten könnte. Wer würde mir helfen? Wer würde mir überhaupt glauben?Doch nach mehreren Stunden Nachdenken hatte ich schliesslich einige Namen aufgeschrieben. Ich war zwar davon überzeugt, dass gewisse mir nicht helfen würden, doch es würden bestimmt ein paar Leute zusammenkommen.
Ich verliess das Kapitol schon früh morgens, bevor die Sonne vollständig aufgegangen war. Mein Weg führte mich zum Bahnhof, wo ich in eine Magnetbahn stieg, die mich nach Distrikt 4 bringen würde. Dort würde ich meine ersten Verbündeten suchen.
Während die Bahn fuhr, hatte ich genügend Zeit, um auf einem Bildschirm nach den Adressen der Personen zu suchen, die ich mir aufgeschrieben hatte. So legte ich mir eine konkrete Route zurecht, die ich heute abklappern würde.
Danach setzte ich mich auf einen Sitzplatz am Fenster und holte einen Notizblock hervor. Ich schrieb einfach drauflos und arbeitete meinen Entwurf von einem Plan weiter aus. Die Zeit war knapp und sie würde nicht warten, bis ich meinen Plan genug durchdacht hatte. Ich alles auf diesen einen Plan setzten, denn für einen anderen würde ich keine Zeit haben.
Die Zeit verging viel zu schnell und so legte ich meinen Plan zur Seite, packte meine Sachen zusammen und stieg aus der Magnetbahn. Der Bahnhof lag vollkommen still da, keine Menschenseele war zu sehen. Kein Wunder, es war auch noch früh morgens. Und ausserdem waren die Hungerspiele am Laufen. Die Menschen sassen vor dem Fernseher, anstatt nach Draussen zu gehen.
Meine Schritte waren in den leeren Strassen gut zu hören, kleine Steinchen knisterten unter meinen Sohlen. Ich lief ziemlich schnell, da ich heute noch viel zu tun hatte. Nur an den Abzweigungen blieb ich stehen und überlegte einen kurzen Moment, wo lang ich gehen musste. Zum Glück kannte ich die Strassen von Distrikt 4 Inn und auswendig, ich war schliesslich hier aufgewachsen.
Ich kam vor einem etwas heruntergekommenen Haus zum Stehen. Die Wände waren grau – wahrscheinlich waren sie einmal blau gewesen, doch mit der Zeit hatten sie sich verfärbt. An den Fenstern waren Blumenkästen mit bunten Blumen angebracht und neben der Tür flackerte eine Laterne.
Es war das Haus von der Familie Moore, Bellamys Familie. Ich hatte Bellamy nicht lange gekannt, doch während unserer Zeit im Kapitol und in der Arena hatte ich von ihm erfahren, dass er einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester hatte.
Mit zögerlichen Schritten trat ich die wenigen Stufen zur Tür hoch und presste meinen Finger auf die Klingel. Ich hörte das Gedämpfte Geräusch durch die Tür und nur wenig später öffnete die Tür sich mit einem Knarren.
Die Ähnlichkeit zu seinem Bruder war nicht zu übersehen, denn er trug dieselben Locken, die auch Bellamy gehabt hatte. Und auch im Gesicht konnte ich einige Züge erkennen, die mir bekannt vorkamen. Bellamys Bruder stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und starrte mich fragend an.
«Ehm, ich bin Harper», begann ich vorsichtig und suchte vorsichtig Blickkontakt mit ihm.
«Ich weiss, wer du bist», sagte er, bevor ich noch etwas anderes sagen konnte. Seine Augen musterten mich mit einem kalten Ausdruck.
«Kann ich kurz reinkommen?», fragte ich, «Es gibt etwas, über das ich mich dir sprechen möchte»
Er sah mich eine Weile einfach nur an, machte keine Anstalten mich hereinzubitten oder etwas anderes zu sagen. Es hätte mich nicht gewundert, hätte er einfach die Tür vor meiner Nase zugeschlagen.
«James, wer ist es?», fragte eine weibliche Stimme und nur einen Moment später stand ein dunkelhaariges Mädchen neben Bellamys Bruder im Türrahmen. «Ach du Scheisse!», entfuhr es dem Mädchen, als sie mich sah und sie hielt sich beschämt die Hand vor den Mund. «Sorry», brachte sie kleinlaut hervor, bevor sie mir freundlich die Hand entgegenstreckte. Ich ergriff sie und schüttelte sie.
«Kannst du das regeln?», fragte James und wandte sich ohne abzuwarten zum Gehen. Doch ich war nicht bereit schon aufzugeben.
«Warte!», rief ich, «Ich brauche deine Hilfe. Meine Schwester ist in der Arena und ich kann nicht zulassen, dass sie stirbt. Du musst mir helfen sie da rauszuholen»
«Aus der Arena gibt es kein Entkommen», erwiderte er kalt, «Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Entweder gewinnt sie, oder sie wird die Arena nie mehr verlassen. Zumindest nicht lebend»
«Hör mich wenigstens an», flehte ich, «Ich habe die nötigen Informationen, um die Spiele zu beenden. Für immer. Ich kann es schaffen, aber nur wenn mir jemand dabei hilft. Bitte! Tu es für Bellamy!»
James hielt wieder inne, dann drehte er sich um. Seine Augen waren nur noch zwei schmale Schlitze, die mich durchbohrten. «Nenn niemals wieder seinen Namen, du hast nicht das Recht dazu» Mit diesen Worten verschwand er nun endgültig. Mit schnellen Schritten ging er die Treppe hoch und ich hörte eine Tür zuschlagen.
«Tut mir leid», sagte das Mädchen, «Du musst verstehen, dass es für ihn nicht einfach war seinen Bruder zu verlieren. Er würde jedem die Schuld für Bellamys Tod geben»
«Er gibt mir die Schuld für Bellamys Tod? Aber-«, begann ich ungläubig. Ich hatte doch gar nichts mit Bellamys Tod zu tun gehabt. Ich konnte doch nichts dafür, dass es gestorben war oder an den Hungerspielen hatte teilnehmen müssen.
«Ich weiss», sagte Bellamys Schwester, «Du bist nicht daran schuld. Das Kapitol ist als einziges schuldig. Nur kann mein Bruder seine Trauer und Wut schlecht am Kapitol auslassen. Also sucht er sich alle möglichen Personen aus. Seit Bellamy gestorben ist, ist er nicht mehr wieder zu erkennen»
«Das», ich musste schlucken, «tut mir sehr leid»
«Du kannst nichts dafür», sagte sie und legte mir eine Hand auf die Schulter. «Du hast etwas von einer Möglichkeit die Spiele zu stoppen gesagt. Ich würde gerne mehr davon wissen»
«Du würdest mir also helfen?», fragte ich ungläubig.
«Ich würde alles tun, um die Spiele zu stoppen. Ich möchte nicht, dass es noch einer anderen Familie so ergeht, wie meiner. Das ist das Mindeste, das ich für Bellamy tun kann», sagte sie, «Ich bin übrigens Ripley, du kannst mich aber Ley nennen»
Ley bat mich daraufhin ins Haus und wir setzen uns ins Wohnzimmer auf das Sofa. Während das 15-jährige Mädchen für uns einen Tee kochte, erzählte ich ihr alles von Anfang an. Ich erzählte ihr von meinen Spielen, der Ernste, bei der Willow ausgelost wurde und von allem, das im Kapitol passiert war.
Später liess ich sie alle Fragen stellen, die sie wissen wollte. Sie hatte das Recht alles zu wissen, wenn sie mir helfen würde. Ich machte mir zwar Sorgen um sie, da sie doch nur 15 jahre alt war, doch ich konnte sie nicht davon abbringen mir zu helfen und sie war die einzige Verbündete, die ich bisher hatte.
«Ich werde dir helfen», sagte sie, als wir alles Nötige besprochen hatten. Sie war auch bereit, gleich mit mir mitzukommen. Die Zeitspanne von der Vorbereitung, bis zur Ausführung des Plans war ziemlich kurz, deshalb würde ich ein Versteck für mich uns meine Verbündeten finden müssen, denn es wäre zu aufwendig uns täglich zu treffen. Zumal die Leute auf meiner Liste nicht nur aus einem Distrikt kamen. Und wie gesagt, die Zeit war knapp, wir mussten jede freie Minute ausnutzen.
Also holte Ley einen Rucksack, verschwand in ihrem Zimmer und packte das Nötigste zusammen. Sie verabschiedete sich von James, dann verliessen wir das Haus.
Und so ging meine Reise weiter. Ich ging von einer Adresse zur anderen und sammelte einen Verbündeten nach dem anderen. Und mit jedem Verbündeten kam ich dem Gelingen meines Plans einen winzigen Schritt näher, denn zusammen waren wir stärker.
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Truth Rising | Die 51. Hungerspiele
FanfictionTeil 2 ᯽᯽᯽ »Warum sagen alle, dass man ehrlich sein soll, wenn man später dafür umgebracht wird, die Wahrheit aussprechen zu wollen?« Nur ein Jahr, nachdem Harper Thea Osborn zur Gewinnerin der 50. Hungerspiele gekürt wurde, trifft ein Schlag des Sc...