Kapitel 15 | Fred
Ich mache doch nur meinen Job. „Nur ein Job, leider..." Oh shit, hatte er das jetzt etwa laut gesagt? Selbst wenn... Henry würde es bestimmt nicht gehört haben. Seit ihrem gemeinsamen Wettschwimmen fühlte sich Fred seltsam. Er schlief schlecht, und wenn er schlief, träumte er Zeug, vom dem er geglaubt hatte, es längst hinter sich gelassen zu haben. Warme Arme, die ihn umfingen, die ihn hielten. Eine Aura, die ihn regelrecht in körperlich greifbare Sicherheit hüllte und warme Lippen an seinem Hals, die ihm immer wieder versicherten, dass ihm kein Leid geschehen würde.
Sich aus den Gedanken schüttelnd, versuchte er sich auf den heutigen Abend vorzubereiten. Es war ein ausgewähltes Publikum angekündigt. Geldgeber, Aktionäre... Das ganze Geschmeiß, das Hill abgrundtief hasste eben. Doch mit diesem Krankenhausflügel hatte Hill etwas gestiftet, das er wirklich hinterlassen wollte. Zusammen mit dem Krankenhaus mitten in der Stadt, in dem auch die Behandlung von Mittellosen durch einen von ihm eingerichteten Fond übernommen wurde, verstand er diesen Flügel als eine Art Vermächtnis. Da würde er die Einweihung wohl gerade noch über sich ergehen lassen können.
Den dunkelroten Anzug aus dem Schrank nehmend, betrachtete er ihn kurz und wählte ein weißes Hemd mit schwarzem Einstecktuch dazu. Schwarze Schuhe, dann war das Outfit komplett. Im Bad betrachtete er seinen Anblick im Spiegel und suchte seine Augen. Das unbändige Verlangen, sich zu übergeben, mit einem kurzen Schluck aus dem Glas mit Scotch neben sich betäubend, fuhr er sich mit etwas Wachs durch die Haare und rasierte sich gründlich. Aus der Schublade vor sich nahm er ein mildes Beruhigungsmittel heraus und schluckte es mit dem Rest des Scotchs. „Na, dann mal los..."
Henry wartete bereits am Wagen, als Frederik in die Garage kam. Der Bodyguard trug einen schwarzen Galaanzug, der seine Körperform angenehm umschmeichelte. Der Milliardär warf ihm einen wohlwollenden Blick zu und stieg ein, als Henry ihm die Tür zur Rückbank aufhielt. Ein wundervolles After Shave stieg dem Schwarzhaarigen in die Nase. Herb wie Moos und holzig wie ein Waldgebiet. Seine Lippen öffneten sich, als könne er den Geruch so besser schmecken, doch als er dann den Blick seines Bodyguards auffing, holte er sich mit einem Kopfschütteln aus den Gedanken und gestattete sich ein kurzes Schmunzeln, das nicht mehr war als das leichte Kräuseln seiner Mundwinkel.
Als sich der gebändigte Wuschelkopf gegen die Kopflehne drückte, hatte Hill erneut das Gefühl, dass es einfach nicht passte. Warum zähmte jemand das Wilde an sich mit so einer Gewalt? Und warum zum Teufel dachte er schon wieder darüber nach? Henry hatte es doch selbst gesagt: Er machte seinen Job. Und genau das war es doch, was Fred vom ihm erwartete! Oder? Oder!?
Schluckend sah er durch die abgedunkelten Scheiben nach draußen. Die Belüftung im Wagen wehte ab und an diesen unvergleichlichen Duft zu ihm herüber, und innerlich hatte er bereits beschlossen, KeyEye herausfinden zu lassen, was dies genau für ein After Shave war. Nur um die Firma zu zwingen, es exklusiv an ihn zu verkaufen, damit niemand auf dieser Erde ihm diesen Duft jemals wieder wegnehmen können würde. Er schloss die Augen, ließ die Beruhigungstablette wirken und den Duft ihn umfangen. Nahezu berauscht von dieser Kombination erschrak Frederik fast, als der Wagen anhielt und die Tür geöffnet wurde. „Wir sind da, Mister Hill."
„Danke, Connor." „Mein Name ist Henry", schmunzelte der Bodyguard, als der leicht ironisch grinsende Fred zu ihm aufsah. „Was du nicht sagst, MacLeod." Einen kurzen Moment stutzend, legte der Bodyguard den Kopf schief und zog fragend seine Augenbrauen zusammen. „Du weißt schon, der Highlander... Also, Connor, ich bestehe darauf, dass du mir nicht von der Seite weichst." „Der war Schotte, Sir. Ich bin Ire." „Und wann habe ich verpasst, dass mich das interessiert?" Frederik grinste nun und nahm mit dem spielerischen Tonfall seinen Worten die Schärfe. „Und hör' verdammt noch mal auf mit deinem ‚Sir'. Nenn mich endlich Fred oder Frederik." „Ich denke, Mister Hill ist abgebrachter." Wie sehr ihn diese Worte tatsächlich trafen, zeigte der Milliardär mit keiner Regung nach außen. „Wie du meinst", sagte er lediglich und hoffte inständig, dass seine Stimme nicht so steif klang, wie für ihn selbst. Wenn der Kerl wirklich auf diese Mauer bestand, dann sollte er sie eben bekommen.
Gefühlte vier Stunden und eine Million geschüttelte Hände später, kam das Grauen in Person quer durch den Raum in Frederiks Richtung gewalzt. „Frederik, Schätzchen!" Oh bitte... Ihm fielen Millionen unflätige Kommentare ein, als er das diamantenbehangene Etwas auf ihn zuwackeln sah. In all den Jahren war sich Hill nie sicher gewesen, wie alt diese Frau war. Sie nannte sich Toni, hatte schwarze Haare bis zum Steißbein, eine unglaublich dünne Figur und an jedem möglichen Ort ihres Körpers funkelte irgendein Diamant. Er hasste es, wenn Leute ihren Reichtum auf diese Weise zur Schau stellen. Ebenso hasste er diese distanzlose, übergriffige Art.
Toni wackelte in Pfennigabsätzen auf ihn zu und ehe Henry eingreifen konnte, hatte Frederik klebrige Lippen auf seinen. „Schätzchen, du siehst soooo gut aus!" „Danke." Er schaffte, es ein halbwegs glaubhaftes Lächeln aufzusetzen, doch als der Griff um seine Arme enger wurde und er nicht zurückweichen konnte, warf er Henry einen kurzen Blick zu. Sein Bodyguard schloss nur kurz die Lider, um ihm klar zu machen, dass er verstanden hatte und trat näher an ihn heran. „Toni, Liebes... Holst du uns einen..." Champagner hatte Fred noch sagen wollen, als die nächste Knutschattacke bereits auf ihn zukam. Dieses Mal aber war Fred schneller. Er drehte sich blitzschnell um und prallte so mit dem Gesicht genau gegen Henrys Hals. Instinktiv legte der Bodyguard seinen Arm um Frederiks Körper und führte ihn an den Rand des Raums.
Freds Körper stand in Flammen. Ein seltsames Kribbeln erfasste seine Fingerspitzen, die sich unbewusst um die schmale Hüfte des Bodyguards gelegt hatten. Der Duft des After Shaves legte sich wie eine beruhigende Decke über ihn. Und ehe er sich wirklich bewusstwurde, was er da tat, schloss er die Augen und lehnte sich in den Griff des Mannes neben ihm. Nur um erschrocken zusammenzufahren und zwei Schritte zurückzuweichen, als er bemerkte, dass sie in einer Ecke des Raums stehengeblieben waren. Er sah, wie Henry ihn mit einer Mischung aus Schrecken und etwas, das Frederik nicht deuten konnte, ansah, sich jedoch sofort wieder unter Kontrolle bekam, als er den Blick seines Chefs bemerkte „Ich... Ich will hier weg...", hauchend, räusperte sich der Milliardär heiser, drückte sich an Henry vorbei und eilte in Richtung Ausgang.
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Protect Me From Myself
RomanceTechmilliardär und Einzelgänger Frederik Hill braucht einen neuen Bodyguard und wird in dem Iren Henry McAlister fündig. Auf Grund von Bedrohungen aus dem Milieu wird dieser direkt auf die Probe gestellt. Nach und nach kommen die ungleichen Männer s...