Jeongguk POV:Genervt packte ich meinen Rucksack auf meine Schulter. Mein Handy in der einen Hand griff ich nach meinen Schlüsseln mit der noch freien Hand. 'Jimin, ich weiß. Und nein, ich schaffe das schon irgendwie alleine. Es sind jetzt 7 Wochen vergangen.' schrieb ich Augen verdrehend, bevor ich den langen Flur entlang ging. Heute wollte ich das erste Mal seit meiner Entlassung alleine Einkaufen gehen. Klar, ich war irgendwo so was von nervös, aber ich freute mich auch unglaublich darüber, wieder ein weiteres Stück Normalität zurück zu bekommen.
Hoseok und Jimin waren bisher immer für mich unterwegs, hatten Termine mit mir wahrgenommen und mir wirklich bei jedem noch so kleinen Schritt zurück ins normale Leben geholfen. Nun, zumindest in das Leben, was ab jetzt meine Normalität sein würde. Auch wenn es viele für falsch hielten, hatte ich mich gegen eine direkte Reha nach meinem Krankenhaus Aufenthalt entschieden. Warum? Naja, ich hatte einfach das Gefühl, durch das Lippenlesen, welches ich nun wirklich relativ gut konnte, war nicht mal so viel anders als früher. Es war einfach für mich nichts, was ich als großen Verlust betiteln könnte, nur weil meine Ohren nicht mehr funktionsfähig waren.
Jimin schimpfte immer, dass ich meinen Verlust ernst nehmen sollte, aber ich war einfach nur noch genervt davon, dass er mich wie ein Krüppel behandelte. Ich war alt genug, und selbst jetzt kam ich sehr gut allein durch den Alltag, was Jimin natürlich nicht so sah. Der eine oder andere würde es einfach als Verdrängung sehen, ich wollte aber ehrlich gesagt einfach alles vergessen. Den Unfall, den Aufenthalt, alles. Ich wollte wieder ich selbst sein. Der kalte Wind schlug mir ins Gesicht, als ich das Studentenwohnheim verließ. Mittlerweile war es nichts komisches für mich, den Windzug nicht mehr zu hören. Einfach diese Stille in meinem Kopf, sie war für mich irgendwie beruhigend geworden.
Der einzige Nachteil? Nachts waren meine Gedanken umso lauter. Yun hatte mich mal angerufen und um ein Treffen gebeten, irgendwie war ich nicht mal sauer auf ihn nach dem ganzen Stress, aber ich wollte auch nicht so tun als wäre nichts passiert. Er hätte uns immerhin alle umbringen können. Kurz gähnte ich, bevor ich meine Jacke ein bisschen näher an mein Gesicht zog. Viel zu kalt. Ich hatte knapp 3 Monate meines Lebens durch diesen Unfall verloren, und es fühlte sich an, als wären alle weitergelaufen, und ich würde noch im Leben vor 3 Monaten stehen. 2 Wochen Koma, dann der lange Aufenthalt im Krankenhaus und nun fast 2 Monate zu Hause. Aller surreal, aber doch war das mein Leben. Wie melancholisch ich geworden war.
Keine 10 Minuten später war ich schon im Supermarkt und fing an, wie früher einfach strikt meine Einkaufsliste abzuarbeiten, jedoch immer wieder den Blick ein wenig schweifend, aus Angst, jemand würde mich ansprechen, und ich bekam es nicht mit. War ein wenig anstrengend, aber es war nichts was nicht auszuhalten war. Jimin würde ich es noch zeigen, ich war sehr wohl im Stande alleine das Haus zu verlassen. Heute wollte ich mal wieder ein bisschen kochen, und hatte sogar Minnie und Hoseok eingeladen. Auch ein Grund, warum Jimin meinte sie könnten ja einkaufen, aber nein, ich hatte es ja schon fast geschafft. Zwar würde es nur einen völlig langweiligen Gemüseauflauf mit Nudeln geben, aber das war das erste Mal nach dem Unfall, dass ich mich bereit für einen normalen Alltag fühlte.
Natürlich packte ich mir noch ein paar Süßigkeiten ein, denn was wäre so ein gelungener Tag am Ende ohne eine Tafel meiner liebsten Schokolade? Ja, genau, absolut verschwendet. Stolz auf mich ging ich den Gang entlang und nahm noch 2 Dosen Energy mit, Hobi und Jimin liebten das Zeug, auch wenn sie sich sonst strikt gesund ernährten, war das wohl ihr Kryptonit. Lächelnd begrüßte mich der ältere Herr an der Kasse und kurz bekam ich ein wenig Angst, da er einen ziemlich flauschigen Bart trug. Das würde das Lippenlesen echt schwer machen. Man wuchs aber mit jeder Herausforderung, dachte ich mir. 'Hallo junger Mann, das wären dann 43.558 won bitte.' sagte er, und ich nickte kurz ehe ich besagten Betrag zahlte. Ein Glück für mich, dass die Zahl auch an der Kasse stand, denn die hatte ich absolut nicht verstanden.
'Einen schönen Tag noch!' verabschiedete der Herr sich, was ich natürlich freundlich erwiderte. Meine eigene Stimme hatte ich gut trainiert, und ich wusste dass ich mich für Außenstehende wie ein normaler Mensch anhörte, wurde mir immer wieder versichert und ich glaubte Jimin und Hoseok, dass sich meine Stimmfarbe auch nicht verändert hatte. Schnell hatte ich meine Einkäufe verstaut und hätte vor Stolz platzen können, für jeden war es wohl das normalste der Welt, einkaufen zu gehen. Doch ich fühlte mich, als hätte ich etwas unmögliches geschafft, einen Marathon bezwungen oder einen Weltrekord aufgestellt. Grinsend verließ ich den Laden und ging zur Ampel, die gerade noch grün war. Die Dämmerung hatte schon begonnen, und so wollte ich schnell heim um dort das Essen vorzubereiten.
Also lief ich über die Straße und in dem Moment schaltete wohl die Ampel auf rot, doch ich war ja schon auf halber Strecke. Meine Augen sahen etwas im Winkel und ich drehte mich nach Rechts, als ich in die Scheinwerfer des wartenden Autos blickte. In der Sekunde gefror mir mein Blut in den Venen, und mein Herzschlag beschleunigte sich um das hundertfache. Ich hatte das Gefühl, als würde ich jegliche Kontrolle über meinen eigenen Körper verlieren und mit einem Schlag wurde mir kotzübel. Schwindel überkam mich, und ich wollte nur noch wegrennen. Das absurde jedoch war, dass meine Füße sich keinen Zentimeter bewegen wollten. Einzig die beiden Scheinwerfer, welche mich blendeten nahm ich wahr.
Bis plötzlich ein Ruck durch meinen Körper ging und ich an meinem Arm von der Straße gezerrt wurde, ehe ich in das verwirrte Gesicht einer jungen Frau blickte. Sie sprach mit mir, da ich sah dass sich ihre Lippen bewegten, aber ich konnte mich absolut nicht auf sie fokussieren, da mein Kopf sich drehte und ich nicht wusste, ob ich gleich Ohnmächtig würde oder nicht. Als sie jedoch anfing, an mir zu rütteln kam ich halbwegs zu mir, bedankte mich nur und griff nach meinem Einkauf, ehe ich fast schon fluchtartig davonlief. Es waren vielleicht 5 Minuten, die ich bis nach Hause brauchte, doch für mich fühlte es sich an wie eine Ewigkeit.
Während meiner Flucht hatte ich auch noch angefangen zu weinen, aber nicht das normale weinen. Tränen flossen nur so meine Wangen hinab, und die Schluchzer die aus meiner Kehle kamen konnte man einfach nicht überhören, dessen war ich mir mehr als sicher. Die Passanten die ich fast über den Haufen lief schauten mich alle sehr verwirrt an, und ich wusste dass ich an ihrer Stelle wohl gleich reagiert hatte. Mein Hals schnürte sich immer mehr zu, und als ich dann endlich vor meiner Wohnung stand und meine zitternden Hände den Schlüssel nicht mehr in das Schlüsselloch bekamen wäre ich fast umgekippt. Jedoch griff eine Hand zu meinem Schlüssel und drehte ihn, und ich konnte mich ohne weiter nachzudenken nach hinten lehnen.
Hoseok und Jimin. Egal wie sehr ich von ihnen genervt war ab und an, sie waren einfach immer da. Immer. Und so überkam mich diese erholsame Dunkelheit, in der mein Kopf endlich aufhörte sich zu drehen und zu hämmern.
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Silent ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ
FanficJeongguk ist ein Jura Student, wie er definitiv nicht im Buche steht: Er liebt das Feiern mit seinen Freunden, tut nur das nötigste um durch sein Studium zu kommen und lebt in den Tag hinein. Das alles ändert sich jedoch durch einen schicksalhaften...