11 Lass uns eine Religion erfinden

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„Dachte ich mir doch, dass Ihr das seid. Willkommen an Bord," strahlte Kapitän Chronos, als seine beiden speziellen Freunde ihn auf der Brücke begrüßten. Er hatte erst am Mittag erfahren, dass zwei Passagiere schon auf der Hinreise mitkommen würden. Sein Schiff war nur zur Hälfte beladen, unter anderem, mit Säcken mit Kunstdünger aus Thessaloniki und großen Holzkisten mit wertvollen Maschinenteilen für die Ölindustrie, die er in Piräus zugeladen hatte. Tom und Nikos blieben auf der Brücke, bis sie den Hafen verlassen hatten, und bezogen dann ihre Kabine.

„Ich konnte gerade erst wieder normal laufen, und jetzt sind wir schon wieder auf dem Wasser," meinte Tom. Nach der stürmischen Rückfahrt aus Ägypten war es ein komisches Gefühl gewesen, wieder an Land zu sein. Das Gehirn hatte sich an das Schaukeln als Normalzustand gewöhnt, und an Land gab es sich alle Mühe, so zu tun, als sei dieser Zustand noch immer normal. So staksten die Schiffsreisenden schon auf Kreta und später auf dem Festland so breitbeinig einher, als müssten sie die Schwankungen der Erdoberfläche ausgleichen. Aber nun, an Bord, war alles wieder gut.

Der Wind auf dem Meer war kühl. Sie packten ihre Lederjacken aus, Tom pfriemelte einen grünlich-braunen Knicker, der in Alufolie eingewickelt war, aus der Kaffeedose, und sie genossen den Sonnenuntergang ganz vorne auf dem Schiff.

„Lass uns den Wecker stellen, dann können wir morgen früh die afrikanische Sonne begrüßen," schlug Tom vor.

Das Abendessen nahmen sie mit dem Kapitän und zwei Matrosen in dem kleinen Kantinenraum ein, wo der Koch ihnen Kohleintopf mit Hammelfleisch servierte. Der Kapitän ließ sich die Geschichte der Pferde erklären, die auf dem Rückweg neben 20 Tonnen Datteln in Säcken und 100 Tonnen Zement seine einzige Fracht darstellten. Im Bauch des Schiffs waren provisorische Boxen eingebaut worden, die schon dick mit Stroh ausgelegt waren. Sie berichteten ihm auch, dass Ahmed mitkommen würde.

„Solange Ihr dafür nicht wieder einen Minister verhaftet..." kommentierte der Kapitän die Neuigkeit trocken.

Das sachte schwankende Bett und das regelmäßige Stampfen des Schiffsdiesels weckte bei Tom wie immer dieses ungeheuer beruhigende Gefühl von Geborgenheit, das er auf Schiffen oft empfand. Nikos war nicht so ruhig. Er hatte Angst vor dem Gespräch, das er jetzt, und keinen Moment später, führen musste.

„Gangster, ich muss Dir was sagen."

„Warum tust Du's dann nicht?"

„Weil ich Angst habe, wie Du reagierst."

„Sag's und Du wirst es sehen."

„Ich habe mit Samir geschlafen."

„Und, war's gut?"

„Weißt Du, ich wollte es einfach wissen. Stehe ich auf Frauen und nur auf Dich, oder stehe ich auch auf andere Männer?"

„Ich habe gefragt, ob's gut war."

„Jetzt weiß ich, dass ich auf Männer genauso stehe wie auf Frauen."

„Also war's gut."

„Nein, war es nicht. Ich meine, klar, hat Spaß gemacht. Aber es war nicht gut, weil ich seitdem an nichts anderes mehr denken kann als an Dich."

Tom wollte eine flapsige Antwort geben, biss sich aber auf die Zunge. Das war nicht der Moment für Scherze.

„Seit ich damals am Levkos Stavros in das Taxi Deines Vaters gestiegen bin, hat es nicht einen Tag gegeben, an dem ich nicht an Dich gedacht habe, Nikos."

„Das weiß ich, und ich liebe Dich dafür. Mir ging es die ganze Zeit genauso. Aber seit gestern ist das anders. Ich sehe Dich mit anderen Augen. Ich verstehe erst jetzt, was Du mit den Schmerzen gemeint hast, von denen Du gesprochen hast. Als ich wieder allein im Bett lag, nachdem Samir gegangen war, hätte ich schreien können, so weh hat es getan."

Die richtigen Leute Band 5: Nikos ToursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt