33 Noch einer von Phils Sorte

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Tom, Nikos, Martin und Billy konnten sich an der archaischen Landschaft nicht sattsehen. Die Felder mit Gemüse, Baumwolle und Reis waren durchzogen von einem Netz unterschiedlich breiter Kanäle. Bauern plagten sich in der Nachmittagshitze, und unter kleinen Holzunterständen dösten Esel vor sich hin. Über der Gegend lag ein leichter Dunst.

Die Dieselabgase der Lok zogen durch den Waggon. Gerade wurde Tom etwas schläfrig, als Serhat seinen Heimatbahnhof ankündigte. Der Zug verlangsamte sich und kam mit quietschenden Bremsen an einem langen Bahnsteig aus trockenem Lehm zum Stehen.

Beim Aussteigen brach ihnen sofort der Schweiß aus. Es war fast 35 Grad, und die feuchte Luft waberte über dem braunen Bahnhofsgebäude, das allein inmitten von Feldern stand. Händler boten ihnen Gebäck und Früchte an, das beste Geschäft machte aber ein Wasserverkäufer.

Serhat führte sie auf einem Lehmpfad durch Obstgärten und Gemüsefelder. Bauern winkten ihnen zu und riefen ihnen Grüße hinterher. Dann konnte Tom die ersehnte Ziegelei in Augenschein nehmen. Was bei der Busfahrt so romantisch gewirkt hatte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als harte Plackerei. Männer mit nacktem Oberkörper, die sich Tücher um den Kopf gebunden hatten, trugen Lehmquader, die in einer Grube in Holzformen gepresst wurden, auf Brettern an den Rand des Areals, wo sie in langen Reihen in der Sonne getrocknet wurden.

Obwohl es sich um einen Industriebetrieb handelte, waren statt Maschinengeräuschen nur die Rufe der Männer und das allgegenwärtige Zwitschern der Vögel zu hören. Die Luft roch muffig. Tom fühlte sich unbehaglich. Sie standen hier faul in der Gegend herum und begafften die in der Hitze schuftenden Arbeiter, die von ihnen keine Notiz nahmen. Serhat bot ihnen eine Führung durch den Betrieb an, aber sie wollten den Arbeitern nicht noch näher auf die Pelle rücken.

Am Rand des Dorfes zeigte ihr „Führer" auf vier Parzellen, die zusammen etwa der Größe eines Fußballfeldes entsprachen, auf denen saubere Reihen mit Weinpflanzen standen. Am Fuß mancher Reben blühte eine lila Blume.

„Was sind das für Blumen?" fragte Tom.

„Das sind keine Blumen," erklärte Serhat. „Das sind Zwiebeln. Mein Professor meint, wenn man unter eine Weinpflanze eine Zwiebel setzt, braucht man nicht so viel Gift. Es scheint zu funktionieren. Die Raupen hassen diesen Geruch. Ich probiere gerade aus, ob man sie unbedingt blühen lassen muss, oder ob sie schon vorher die Schädlinge abhalten. Wenn sie geblüht haben, kann man die Zwiebeln nicht mehr verkaufen."

„Wieso baut Ihr Wein an? Ihr dürft doch gar keinen Alkohol trinken," hakte Phil nach.

„Wir nicht, aber die Christen. Wir könnten die Trauben zum Keltern beim Staat abgeben, aber das bringt nicht viel ein. Wir verkaufen sie lieber als Obst. Die Zwiebeln, die nicht geblüht haben, verkauft meine Mutter auch, das ist ein schönes Zubrot."

„Christen? Ich dachte, Ägypten ist ein muslimisches Land."

„Ist es auch. Die meisten Ägypter sind Moslems, aber es gibt ziemlich viele Christen, man nennt sie Kopten. Sie haben einen eigenen Papst, der sitzt in Alexandria, glaube ich."

„Und das gibt keine Probleme?"

„Früher schon, aber Nasser hat dafür gesorgt, dass die Kopten unbehelligt hier leben können."

„Stimmt es eigentlich, dass Sadat aus dieser Gegend stammt?"

„Du hast recht, Tom, er ist gar nicht weit von hier aufgewachsen. Woher weißt Du das?"

„Muammar hat es mal erwähnt," blieb Tom im Ungefähren.

„Du musst mir von Al-Gaddafi erzählen. Viele bewundern ihn. Sieh mal, da ist unser Haus."

Die richtigen Leute Band 5: Nikos ToursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt