10 Der weiße Elefant

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Obwohl die Sonne schien, war es kühl in Iraklion. Mole empfahl einen Besuch in Knossos, was sie auf dem Hinweg vor zwei Tagen verpasst hatten, weil sie bei Lydia und am Strand waren. Eigentlich standen eine Stadtführung in Rethymnon und der Besuch eines Klosters auf dem Programm. Xenia überredete den zuständigen Agenturmitarbeiter, einen Bus stattdessen nach Knossos fahren zu lassen. Die Uptones verabschiedeten sich, um auf der Nefertiti ihr Quartier zu beziehen und die Anlage zu testen. Die Dubliners vereinbarten mit ihnen, sie in London zu treffen. Vielleicht ergab sich ja mal ein gemeinsamer Auftritt. Oder eine kleine Afrikatournee.

Sophia und Tom wachten erst auf, als das Schiff schon den Hafen ansteuerte. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie den Bus und fanden zwei freie Sitze direkt hinter dem Fahrer.

„Ich möchte Dir gerne in Knossos meinen Lieblingsplatz zeigen. Ich habe da mal eine Stunde gesessen und mir vorgestellt, wie es früher dort zuging. Es war spannend. Ich habe diesen Film immer in meinem Kopf."

„Schön, dass Du ihn mit mir teilst."

Respektvoll lauschte der kretische Reiseführer dem Alten Mann, der seinen Mitreisenden eine ganz besondere Führung durch die antiken Ruinen zuteil werden ließ. Er konnte die Steine ebenso zum Leben erwecken, wie Toms Fantasie das schaffte. Seine Worte schienen die uralten Bruchstücke zusammenzusetzen zu einer Siedlung, die eben erst verlassen worden war.

***

An Bord empfing Basilis wie versprochen Lydia und Andreas, allerdings war das Tagesbuffet ab- und das Abendbuffet noch nicht aufgebaut. In der Cafeteria gab es aber immer etwas, und so aßen sie dort zusammen. Andreas druckste anfangs herum, aber es musste sein:

„Ich habe schlechte Nachrichten, Basilis. Ich habe vorgestern Unterlagen aus Souda bekommen, die wirklich brisant sind. Es ist eine Liste mit möglichen Angriffszielen der NATO in Libyen dabei. Ich habe mit Thessaloniki gesprochen. Sie sagen, Ihr müsst in Athen Kontakt mit Tripolis aufnehmen. Morgen Abend fährt Kapitän Chronos in Piräus los, unter anderem, um in Benghazi die Pferde abzuholen. Du musst zwei Leute mitschicken. Thessaloniki geht es diesmal nicht um Geld. Sie befürchten, die Amerikaner planen eine Strafbombardierung, wegen der Verstaatlichung der libyschen Ölindustrie."

Basilis überschlug in Gedanken die Optionen. Seine Überlegungen liefen auf drei Namen hinaus: Tom, Nikos, Martin. Er hatte Bauchschmerzen dabei, aber er würde mit ihnen reden müssen. Zusammen mit Lydia und Andreas ging er in seine Kabine, wo der dünne Ordner von Andreas' Umhängetasche in Basilis' Koffer des anderen wanderte. Dann entfernte sich Andreas taktvoll, und Basilis genoss drei seltene Stunden mit Lydia.

***

Gut gelaunt kam die Gruppe von ihrem Knossos-Ausflug zurück. Sie hatten noch etwas Zeit, sich in der Stadt umzusehen. Einige, unter ihnen auch Tom, Sophia und die Dubliners, die noch einmal proben wollten, gingen schon an Bord. Basilis fischte sich auch Martin und Nikos heraus. Er bat sie und Tom, vor dem Abendessen in seine Kabine zu kommen.

Tom und Sophia gingen zu ihrer Kabine.

„Was ist das denn?" wunderte sich Sophia, die die Kajüte als Erste betrat, und zeigte Tom ein kleines braunes Päckchen, das auf dem Tisch lag. Es war mit einer rot-weißen Kordel verschnürt, unter der ein Kärtchen steckte: „For Mr. Tom".

„Gute Frage. Nächste Frage: wie kommt das hierhin?"

„Auch gute Frage. Noch eine: wollen wir's aufmachen?"

„Tun wir das. Vielleicht beantwortet das Nummer 1 und 2."

Der Knoten war so fest, dass Tom den Bindfaden mit Sophias Nagelschere durchschneiden musste. Er entfernte das Packpapier, in das eine würfelförmige Pappschachtel mit einer Kantenlänge von etwa 20 cm eingeschlagen war. Er zog an einer Lasche und öffnete den Deckel. Der Karton war randvoll mit Watte. Tom zögerte.

Die richtigen Leute Band 5: Nikos ToursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt