capítulo veinte dos

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BRIELLE

Die ganze Nacht saß ich pitschnass in Natanaels Auto und starrte gegen die Uhrzeit, die sich schwach im Display abbildete.

»Ich werde dich gehen lassen und das nicht, weil ich dich nicht liebe. Im Gegenteil. Ich liebe dich so sehr, dass ich nicht ohne dich kann. Doch ich weiß, dass ein Leben ohne mich dein Glück wieder zurückholen wird. Irgendwann. Vielleicht nicht sofort, aber das wird zurückkehren. Deshalb werde ich die Scheidung einreichen und sobald alles damit geregelt ist möchte ich, dass du gehst und dein Leben lebst, so wie du es dir vorstellst«

Seine Worte wiederholten sich in Dauerschleife in meinem Kopf. Auch das, was danach geschah.

Seine Tränen nahmen zu. Sein Körper begann zu beben und ich konnte nicht anders, als es ihm gleich zu tun. Es war schrecklich. Alles, was geschah war schrecklich. Und ich konnte nun auch nicht anders, als einfach meine Hände um ihn zu schlingen und so zu verweilen, bis es sogar noch begann zu schütten. In strömen goss es von oben herab, während wir wie in einem verdammt schmerzhaften Liebesfilm einen Abschied nachstellten, was aber so real war, wie nichts anderes. Wie konnten wir nur so beide brechen? Wie konnte das alles nur so schnell aus dem Ruder laufen, dass wir an diesem Punkt angekommen waren.

Es war eine Explosion in meinem Herzen. Kein Knacken mehr, sondern eine gewaltige Explosion, die alles zerfetzte, was zu zerfetzen übrig war. Und das war der schlimmste Schmerz, den ich jemals erfahren durfte. Vor allem weil ich wusste, dass es das einzig richtige war, sich zu trennen. Weil wir beide daran kaputt gehen würden, auch wenn er behauptete, dass nur ich es tun würde. Aber er zerbrach genauso daran an dieser unglücklichen Liebe. Einer Liebe, die so stark war, dass sie uns zerstörte.

6:13. Die Sonne ging langsam auf.

8:26. Ich starrte an unsere Hausfassade.

10:57. Fast schon 11. Und ich saß hier noch immer. Natanael war noch immer im Inneren des Hauses, verließ es nicht einmal, obwohl er abrieten gehen müsste.

12:02. Mein Handy klingelte schon das vierte Mal, aber ich ging nicht dran. Ich konnte nicht.

12:23. Es hämmerte an die Fensterscheibe, wodurch ich zusammenfuhr und meinen Kopf dorthin drehte. Luisa und mein Bruder standen dort und sahen mich besorgt an. Doch ich rührte mich nicht.

»Brie, bitte mach deine Autotür auf!«, schrie mein Bruder, der nun direkt vor der Scheibe stand. »Sonst öffnete ich diese mit anderen Mitteln, aber es wäre mich ums Auto zu schade«

Ich wartete noch einige Minuten, atmete tief ein und aus, bis ich mit dem Schlüssel den Wagen entriegelte und mein Bruder mich daraus zerrte. »Gott, was tust passiert?«, er zog mich in seine Arme, dabei bemerkte ich nicht, wie schwach ich war und sackte langsam zu Boden.

»Ich werde dich gehen lassen«, hauchte ich und spürte, wie mir wieder Tränen in die Augen stiegen, die anschließend entlang meiner Wangen liefen. »Was?«

»Ich werde dich gehen lassen und das nicht, weil ich dich nicht liebe«, wiederholte ich die Worte von Natanael. Ich hauchte diese immer und immer wieder. »Luisa, was redet sie?«, versuchte er es bei der Blondine, die nur mit den Schultern zuckte und sich zu mir setzte.

»Deshalb werde ich die Scheidung einreichen...«, gab ich den letzten Satz wider. Und dann riss mein Bruder die Augen auf, Luisa zog mich direkt an sich und beide schwiegen. Sie sagten nichts und das war gut so, weil ich selbst nicht wusste, was man darauf noch hätte sagen können.

Ich wusste nicht, wie lange wir so saßen. Irgendwann waren mir die Augen zugefallen und ab da merkte ich nicht, was geschah.

Als ich langsam meine Augen aufschlug, starrte ich gegen eine hellblaue Decke. Ich sah mich langsam um und befand mich definitiv nicht bei mir zuhause, denn das kannte ich ihn und auswendig.

»Ich habe einen Tee für dich«, ich musste wohl bei Luisa sein, denn sie tauchte plötzlich auf und reichte mir eine Tasse, aus der der Duft von Kamille in meine Nase stieg. »Der tut gut«

»Ich möchte nicht«, schüttelte ich den Kopf und stellte diese auf der Kommode neben mir ab. »Möchtest du mir erzählen, was passiert ist?«

Und dann holte ich aus. Ich holte aus von dem Tag, an dem ich wieder von ihm zurück entführt wurde.

Es waren Stunden, die ich erzählte und Luisa dabei beobachtete, wie sie reagierte. Bei Momenten weinten wir beide, bei anderen fluchte sie, weil sie sauer auf Natanael war. In anderen Sachen, zog sie mich einfach nur in die Arme und tröstete mich. War für mich da, während ich mich nicht einmal selbst aufsammeln konnte.

»Es tut mir alles so leid, Süße. Ich wünschte, es wäre alles anders gekommen, weil ich in euch immer das perfekte Traumpaar gesehen habe. Aber vielleicht hat Natanael recht und es ist besser so«

»Ich weiß, dass es so besser ist. Ich weiß es, aber es tut trotzdem verdammt weh, weil ich ihn liebe und nicht weiß, ob ich Kemals jemanden so intensiv lieben würde, wie ihn«, und dann brach ich erneut zusammen.

Am späten Abend klingelte es an der Tür, dann hörte ich einige Stimmen und vor allem die von Natanael. Die irgendwie immer näher kam, bis schließlich die Tür zum Zimmer, in dem ich befand, aufging und er im Türrahmen stand.

»Hey«, er sah genau so aus, wie ich mich fühlte. Doch mir fiel vor allem der Umschlag auf, der sich in seinen Händen befand. »Hey«, krächzte ich zurück und deutete auf den Umschlag.

»Es sind die Unterlagen. Würdest du es unterschreiben? Dann bin ich auch wieder weg«, er wirkte distanziert, aber es war genau so richtig. Mehr Nähe, mehr Intimität, würde das alles nur noch schlimmer machen.

Als ich nickte, begab er sich zu mir, setzte sich auf die Bettkante und reichte mir die Unterlagen.

Diese Scheidungspapiere waren zwar nur irgendwelche Zettel, aber die sagten so viel aus, das ich einige Male regelmäßig atmen musste, um nicht zu kollabieren. Dann reichte mir Natanael einen Stift, den ich mit zitternder Hand entgegen nahm und die Papiere unterschrieb.

Er klappte es zu, verstaute es im Umschlag und sah mich dann an. Wir verharrten für Ewigkeiten. Zumindest fühlte es sich so an. Niemand sagte etwas. Denn das taten unsere Augen genug für uns.

Diese Gefühle konnte man nicht in Worte fassen und sie würden auch eine Weile bleiben, doch es war das einzig Richtige, das zu tun. Den Schlussstrich zu ziehen, damit wir uns nicht weiter in den Ruin warfen.

»Ich liebe dich«

»Und ich liebe dich, Natanael«

FALSE GAME | BAND 2✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt