Kapitel 1

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Charlie

Ich höre Schlüssel klimpern. Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es Mitternacht ist. Komisch. Er ist früher als sonst dran.

Mein Herz beginnt zu klopfen, unwissend, was es zu erwarten hat, was es gleich zu Gesicht bekommen wird.

In der Zwischenzeit habe ich es mir auf der Couch mit meinem Tablet gemütlich gemacht, auf welchem ich meine Zeichnung beenden wollte, während ich auf ihn warte. Und wie immer habe ich beim Zeichnen die Zeit vergessen. Aber bis ich nicht weiß, dass er sicher nachhause gekommen ist, hätte ich sowieso nicht schlafen können.

Aber jetzt lege ich das Tablet weg, um aufzustehen. Schnellen Schrittes mache ich mich auf den Weg in den Flur.

Das Zimmer liegt im Dunkeln, weshalb meine Augen leicht brennen, da mir nur das Licht des Geräts entgegengeschienen hat. Doch den Weg durch diese Wohnung kenne ich auswendig. Ich hätte hier alles blind gefunden. Im Flur hängen nur Hacken, auf welchen die Jacken hängen, aber da es Sommer ist, sind keine aufzufinden. Dann gibt es noch einen schmalen Schrank, in dem er die Schuhe verstaut, die er nicht braucht. Ein Bild und daneben ein bodenlanger Spiegel hängen auch noch da. Für mehr ist auch nicht sonderlich viel Platz. Es war echt eine Herausforderung, ihm das alles hier schön gemütlich und praktisch einzurichten, aber ich habe meiner Meinung nach gute Arbeit geleistet.

Als ich das Wohnzimmer verlasse, wäre ich beinahe stehen geblieben. Der Anblick meines Freundes schockiert mich. Dass er früher als sonst zurückgekommen ist, ist nicht das einzige, was ungewöhnlich ist. Sein linkes Auge ziert ein Veilchen. Es schwillt jetzt schon allmählich an, sodass er Schwierigkeiten hat, es komplett offen zu lassen.

Als ich meinen Blick weiter runter gleiten lasse, erkenne ich, dass seine Knöchel an der rechten Hand aufgeschürft sind.

Das einzige, was mir an seinem Auftreten nicht unbekannt ist, ist sein Zustand. Er ist sturzbetrunken. Das sehe ich, als er seine Schuhe ausziehen will, dabei aber fast stolpert. Genervt streicht er sich durchs längere Haar, was mal wieder geschnitten gehört. Dann schmeißt er seine Schuhe von sich, während er sich selber an der Wand festhält.

Sobald er seine Augen auf mich richtet, sehe ich Wut in ihnen aufblitzen, die in ihm brodelt. Erst habe ich den Instinkt, zurückzuweichen, doch als sein Blick weicher wird, atme ich leise aus. Er betrachtet mich mit diesem warmen, weichen, zarten Blick, sodass ich fast vergesse, was gerade passiert ist.

„Hey, Baby.", lallt er und macht Anstalten, zu mir zu kommen. Aber ich komme ihm entgegen, da er das vermutlich nicht geschafft hätte.

„Ty." Ich lege meine Hände seitlich an sein Gesicht. „Was ist denn passiert?" Eindringlich schaue ich ihn an.

„Nichts, Baby. Alles gut." Er nimmt meine Handgelenke in seine Hände, woraufhin mir augenblicklich der Geruch von Blut in die Nase steigt. Behutsam streicht er mit seinem Daumen über meine Handrücken, was mich leicht lächeln lässt. Meine Wut lässt es jedoch nicht komplett verschwinden. Aber ich muss mich jetzt erstmal darauf konzentrieren, ihn Schlafen zu legen. In dieser Hinsicht ist er wie ein Baby, wenn er betrunken ist. Mit viel Schlaf bekommt man ihn wieder in Ordnung.

Mit einem Seitenblick sehe ich seine aufgeschürften Knöchel und ziehe die Augenbrauen zusammen. Meine Hände ziehe ich zurück, um seine rechte Hand zu umschließen.

„Tyler!", sage ich strenger. „Das ist nicht nichts." Mit einer Hand streiche ich behutsam neben seinem Veilchen entlang.

„Charlie." Tyler entzieht sich meiner Hand. „Wenn ich sage, es ist nichts, dann ist es auch so." Nun ist er derjenige, der seine Hand auf mein Gesicht legt. Langsam beugt er sich runter, um mich zu küssen, was ich zulasse.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt