Kapitel 29

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Mike

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus einem unruhigen Traum. „Ja?", melde ich mich, ohne auf das Display zu schauen.

„Kannst... Kannst du bitte aufmachen?", dringt die Stimme leise an mein Ohr.

Alarmiert setze ich mich kerzengerade im Bett auf und sehe auf die Ziffern meines Weckers. Halb eins in der Früh. Ich bin schon halb die Treppe runter, als ich antworte: „Sofort."

Sobald ich die dunkle Mahagonitür aufmache, erscheint Charlies Gesicht. Sie wirkt völlig aufgelöst. Ihre Augen sind gerötet und geschwollen, ebenso ihre Wangen. Ihre Stupsnase ist genauso gerötet. Ihr Aufzug lässt mich vermuten, dass sie einfach so von zu Hause los ist, wie in der Nacht, in der sie mich vom Club abgeholt hat. Diesmal trägt sie einfache schwarze Shorts mit weißen Pandas drauf. Ihr Oberteil ist ebenfalls schwarz, jedoch steht auf diesem in weißer Schrift „Love to eat, watch Netflix and sleep". Unter anderen Umständen hätte ich angesichts dieses Spruches gegrinst, doch es genügt in ihr Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmt.

„Charlie?", spreche ich sie besorgt an. Sie sieht sehr müde aus. Das Licht, dass hin und wieder in ihren Augen leuchtet, ist erloschen. Normalerweise kann man mindestens einen Funken sehen, doch diesmal... Nichts. Dunkelheit. „Charlie. Rede mit mir." Ich mache einen Schritt auf sie zu und lege meine Hand auf ihre Wange. Völlig fertig sieht sie mich aus großen Augen an. „Bitte. Du machst mir Angst." Es tut weh, sie so zu sehen. So am Boden.

Ihre rechte Hand umfasst ihren linken Unterarm und sie senkt den Blick. „Sorry. Ich weiß nicht, was ich hier soll. Das war eine dumme Idee. Vergiss einfach, dass ich hier war, ja? Bitte. Und tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich ge -"

Noch im Reden dreht sie sich um und will gehen, doch ich packe sie am Arm und reiße sie herum. „Warte." Erschrocken sieht sie zu mir auf. „Was ist passiert?"

„Vergiss es einfach. Bitte."

Vehement schüttele ich den Kopf. „Nein.", entgegne ich sanft und streichele weiter ihre Wange. Scharf atmet sie ein. „Was ist passiert?", versuche ich es erneut. Sie schüttelt den Kopf. „Willst du darüber reden?" Ein weiteres Kopfschütteln. „Was -"

Sie unterbricht mich, indem sie ihre zierlichen Arme um meinen Körper schlingt. „Halte mich einfach nur.", wispert sie. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

„So lange du willst.", flüstere ich. Meine Hand begibt sich an ihren Hinterkopf und ich beginne, durch ihre Haare zu fahren. Nach und nach entspannt sie sich und ich schlage vor, rauf in mein Zimmer zu gehen. Sie willigt mit einem Nicken ein. Als sie jedoch keine Anstalten macht, sich von mir zu lösen, greife ich kurzer Hand unter ihre Schenkel und hebe sie hoch. Ihre Beine schlingt sie um meine Hüfte. Ich unterdrücke mein Keuchen.

In meinem Zimmer angekommen, steuere ich automatisch mein Bett an, auf welches ich mich auch setze, Charlie nach wie vor in meinen Armen, weswegen sie nun rittlings auf mir sitzt. Ihr Gesicht hat sie in meinem Hals vergraben. Sie hält sich so stark an mir fest, dass ich befürchte, ich würde Spuren abbekommen. Aber das ist mir in dem Moment scheißegal. Ihr geht es nicht gut. Offensichtlich braucht sie mich. Sachte reibe ich über ihren Rücken, wiege sie leicht vor und zurück.

Auf einmal vernehme ich ein mir von ihr unbekanntes Geräusch. Sie schluchzt. Sie schluchzt auf und in meiner Brust zerspringt es. Folter. Das ist es, was es ist. Es ist Folter, sie im Arm zu halten und sie dennoch so leiden zu sehen. Ich wage es nicht, mich zu bewegen außer meinen Armen, die beruhigende Bewegungen an ihrem Rücken machen.

Charlies Körper erbebt und zittert. Ihre Hände vergraben sich in meinem nackten Oberkörper. Das wird sicher Spuren hinterlassen. Doch ich zucke nicht zurück.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt