Kapitel 10

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Mike

Ich beobachte Charlie noch eine Weile, wie sie durch die Türe geht, ohne sich noch ein letztes Mal umzudrehen, nachdem sie sich von mir verabschiedet hat. Nur ein vages „Bye, Mike" habe ich bekommen.

Als ich ihren blonden Schopf nicht mehr sehen kann, mache auch ich mich auf den Weg nach Hause.

Sobald ich die Türe aufgeschlossen habe, ertönt bereits Moms Stimme aus dem Wohnzimmer. „Nein, Darren! Ich mache da nicht mit. Nicht mehr. Ich..." Sie wird eben von Vater unterbrochen, da sie aufgehört hat zu reden.

Als ich am Wohnzimmer vorbeikomme, sehe ich, wie Mom auf dem Sofa sitzt, das Telefon am Ohr. Sie versucht die ganze Zeit etwas zu erwidern, doch Vater schneidet ihr das Wort ab. Entnervt fährt sie sich durchs Haar. Ich benötige mehr als beide Hände, um zu zählen, wie oft ich sie schon in dieser Position gesehen habe, was wiederrum mich nervt.

„Du bist nie zu Hause, Darren!", fährt sie nun endlich fort. Noch hat sie mich nicht gesehen. „Du bleibst..." Sie springt vom Sofa auf und fuchtelt in der Luft rum. „Du bleibst nicht noch länger! Hast du gehört? Du bleibst... Argh!", ruft sie aus, bevor sie das Telefon auf die Couch wirft. Zum Glück federt es nicht ab, denn sonst bräuchten wir ein neues Telefon, was für uns zwar kein Problem wäre, aber dennoch nicht vorteilhaft.

Solange sie mich noch nicht bemerkt hat, gehe ich rüber in die große Küche, die nur so zu glänzen scheint. Graue Fließen bilden an einer Wand, bei der die Anrichte steht, ein Muster, welches nur von Gegenständen vor der Wand unterbrochen wird. Die Schränke sind ebenfalls hellgrau gehalten. In Mitten des Raumes steht ein Tresen, auf welchem nichts steht. Ich benutze ihn häufiger, um zu Frühstücken. Das ist so ziemlich die einzige Mahlzeit, die ich hier esse. Und das alleine, bevor meine Mom oder mein Vater, der selten zu Hause ist, aufwachen.

Ich erkenne, dass Mom noch nicht zu Mittag gegessen hat, da noch alles sauber ist und ich keine Töpfe oder derartiges sehe. Kurzerhand beschließe ich, etwas zu machen, obwohl ich keinen Hunger habe. Leider kommt es so oft vor, dass ich schon viel mehr Übung darin habe als mir lieb ist.

Im Wohnzimmer setzt Mom sich in Bewegung. Ihre Schritte kommen näher und näher, bis sie auf einmal verstummen und ich ihre Präsenz stark hinter mir spüre.

„Mike?" Sie wirkt überrascht. Ich drehe mich zu ihr. Sie sieht so fertig mit der Welt aus. Mit ihren vierzig Jahren sieht sie nun echt nicht alt aus, aber die ganzen Streitereien mit Vater machen ihr zu schaffen. Das merke ich daran, wie müde sie wirkt. Wie ihre Grübchen, die ich von ihr habe, nicht mehr auftauchen, da sie so selten lächelt, ihre Schultern sind nach unten gesackt, als hätte sie die ganze Welt zu tragen.

„Was machst du denn da?", will sie wissen, während sie näher an mich heran tritt, wobei sie nicht direkt über meine Schulter schauen kann, da ich nun um einiges größer bin als sie.

„Essen. Du hast noch nichts gehabt, stimmt's?", entgegne ich.

„Gib her." Sie versucht mir den hölzernen Kochlöffel aus der Hand zu nehmen, doch ich schiebe meinen Ellenbogen dazwischen, sodass sie ihn nicht einmal anfassen kann. „Mike." Sie wird strenger. „Ich mach das schon.", versucht sie es weiter. Erfolglos.

„Mom." Ich sehe sie eindringlich an. „Ich bin schon dabei. Also kannst du dich auch einfach hinsetzen und es genießen, dass du nichts machen musst." Ihr Telefonat mit Vater erwähne ich nicht, da ich nicht will, dass sie wieder traurig wird. Stress ist nicht gut für sie, deswegen versuche ich es so gut wie möglich zu vermeiden, welchen zu verursachen. All meine Angelegenheiten habe ich bis jetzt selber geregelt. So lange ich denken kann, habe ich für mich sorgen müssen, da ich meinen Eltern nicht unnötig zur Last fallen wollte, da sie eh schon genügend mit der Arbeit zu tun hatten.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt