Charlie
Am nächsten Morgen wache ich wieder früh auf. Aber wider Erwarten schläft Tyler nicht mehr neben mir, stattdessen höre ich Geräusche aus der Küche kommen. Vorsichtig gehe ich dort hin, wo Tyler vor dem Herd steht. Gerade rührt er um und verteilt alles auf zwei Tellern. Ich beobachte noch eine Weile das Muskelspiel seiner Arme und Schultern, bis der Toaster ist fertig, weswegen er sich umdreht.
„Charlie.", ruft er überrascht.
„Morgen, Babe." Ich gehe lächelnd auf ihn zu, während er die Toasts auf einen Teller legt.
„Setz dich." Abwesend deutet er auf den Tisch. Dankend lasse ich mich auf den Stuhl fallen. Wenig später stellt er zwei Teller auf den Tisch, die wir beide relativ schnell verdrückt haben.
Den Nachmittag verbringen wir beide auf der Couch. Er tippt auf seinem Laptop herum, ich habe meine Beine über seine gelegt und mache meine Hausaufgaben. Und in Momenten wie diesen frage ich mich, wieso ich alles am letzten möglichen Tag mache. So könnten wir jetzt etwas Lustiges, Spaßiges machen. Alles, nur keinen Aufsatz schreiben.
„Hey." Tyler fährt mit seinen Fingern mein nacktes Schienbein entlang.
„Hm?", mache ich abwesend, während ich den Aufsatz beende. Diese Lehrerin ist auch echt erbarmungslos. Noch eine Woche vor den Ferien gibt sie uns immer noch einen Aufsatz auf. Unglaublich.
„Wann hast du gesagt, kommt dein Dad zurück?" Ich stoppe das Tippen, um ihn anzusehen.
„Vater kommt morgen nach Hause.", antworte ich nur, bewusst das Wort Dad nicht verwendend. Diese Bezeichnung hat er schon seit längerer Zeit nicht mehr verdient. Mit einem Blick auf die Anzeige auf meinem Laptop stelle ich fest, dass ich wohl langsam nach Hause gehen sollte.
Mein Handy vibriert. Es ist eine Nachricht von Ryder, meinem ein Jahr jüngeren Bruder. Er fragt, wann ich wieder nach Hause käme. Manchmal frage ich mich, ob wir wohl nicht doch telepathisch verbunden sind.
„Ryder?", will Ty wissen. Ich nicke.
„Ich glaube, ich sollte langsam wieder los." Den Laptop packe ich in die Tasche. Im Flur ziehe ich mir noch meine geliebten Sneaker an.
Tyler ist mir in den Flur gefolgt und gibt mir einen Abschiedskuss. „Bye." Er lächelt mich an.
„Bye." Nach einem Lächeln mache ich die Türe hinter mir zu und gehe raus.
Als ich auf dem Kiesweg vor dem großen weißen Haus stehe, fühle ich mich irgendwie fremd an diesem Ort. Ich zähle das nicht mehr als mein zu Hause. Um genau zu sein seit zehn Jahren nicht mehr. Seit Mom ihre Sachen gepackt und uns verlassen hat. Ohne je Tschüss gesagt zu haben. Ohne auch nur ein einziges Mal zurück geblickt zu haben.
Der Kies knirscht unter mir, während ich meinen Weg dennoch fortsetze. Mein Körper fühlt sich viel schwerer an, als er eigentlich ist.
Das Auto von meinem Vater steht nicht auf unserer Auffahrt und Erleichterung flutet mich. Augenblicklich fühle ich mich schlecht, denn eine liebende Tochter wäre vermutlich enttäuscht.
Inzwischen verbringe ich viel mehr Zeit bei Tyler in der Wohnung, in der Schule oder in der Arbeit, als in diesem Haus, in welchem ich aufgewachsen bin. Immer, wenn ich hier her komme, wird mir bewusst, dass ich hier nicht länger sein möchte. Nicht länger hier sein kann.
Und dennoch zwinge ich mich einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis ich vor der grauen Türe stehe. In meiner Tasche suche ich nach dem Schlüssel. Ich werde fündig und schließe auf. Drinnen streife ich mir die Schuhe ab, meine Tasche stelle ich an die Wand. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, in dem der Grund sitzt, wegen welchem ich noch nicht gehen kann. Ryder. Er sitzt auf dem überdimensionalen Sofa, einen Kontroller in der Hand.
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Not me. Please.
Romance》Band 2《 Charlie fühlt sich wie im goldenen Käfig. Ihr einziger Wunsch ist es, endlich frei zu sein, doch ihr Vater sowie ihr Bruder Ryder halten sie noch hier. Und Gott bewahre jemand findet den Grund dafür heraus. Alles läuft nach Plan, bis sie Mi...