Kapitel 11

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Charlie

Mikes Worte von gestern – oder eher heute – gehen mir nicht mehr aus dem Kopf.

Weil ich in dem Moment an dich gedacht habe.

Aber das Schlimmste ist, dass es mich nicht so glücklich stimmen sollte, dass er mich und nicht Mijou angerufen hat. Schließlich habe ich einen Freund. Eine feste Beziehung.

Aber immer wenn ich an Tyler und mich denke, spuken mir Brookes Worte im Kopf. Aber bist du glücklich?

Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, ob ich noch glücklich mit ihm bin. Aber eine Sache steht außer Frage. Meine Gefühle für Tyler. Ich liebe ihn. Seit dem Moment, in welchem ich ihn gesehen habe. Und ich werde ihn nicht einfach so verlassen. Ich bin bei ihm geblieben, da er mich braucht. Er braucht mich und ich ihn. Bei ihm fühle ich mich geliebt und geborgen, obwohl er einmal aus Versehen Hand an mich im betrunkenen Zustand gelegt hat.

Außerdem bin ich kein Mensch, der andere hängen lässt. Widerspricht sich mit meiner Natur. In dieser Hinsicht hat Vater Unrecht. In dieser Hinsicht bin ich nicht wie Mutter. Ich würde Leute, Menschen, die mir wichtig sind, nicht verlassen, auch wenn sie mir noch so wehgetan haben.

Also sehe ich es nicht ein, Ty zu verlassen. Schließlich sind wir uns gegenseitig eine Stütze.

Während Mike wieder zurück in mein Zimmer geht, will ich mein Bild beenden. Zum ersten Mal bin ich von Anhieb an mit meiner Arbeit zufrieden.

Die Roten und schwarzen Formen fügen sich perfekt zu einem geordneten Chaos, welches das gleiche in meinem inneren widerspiegelt. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich unbedingt das Bedürfnis hatte, hellblau einzubauen, bis ich Mike bemerkt habe. Wie er mit seinen vom Schlaf unordentlichen Haaren am Türrahmen angelehnt war. Die Jeans locker auf seiner Hüfte sitzend.

Hoffnung. Das war das Gefühl, welches ich verspürt habe, als ich diese helle Farbe auf die Leinwand gebracht habe, die einen extremen Kontrast zu den anderen beiden dunkleren Farben darstellt.

Als er mich gestern angerufen hat, bin ich gerade ins Bett gekommen. Ich habe noch gemalt, als Vater nach Hause gekommen ist. Natürlich hat er mich wieder niedergemacht. Von wegen ich sei meiner Mutter nicht würdig, so wie ich mich kleide und einen Pinsel hinterm Ohr hatte. Das hat ihn vermutlich nur noch mehr angestachelt, da Mutter ebenfalls gemalt hat. Und das ziemlich gut, um genau zu sein.

„Danke, Charlie." Ich zucke zusammen. Zum Glück war der Pinsel bereits von der Leinwand gehoben, sodass mein Bild keinen Schaden genommen hat.

Ich drehe meinen Kopf. Mike steht schon wieder an der Tür. Die Musik läuft immer noch und Amy Winehouse gibt eben eins meiner Lieblingslieder zum Besten, weshalb ich mich im Takt bewegt habe, was mir nun ein wenig unangenehm ist.

„Natürlich. Das ist doch selbstverständlich." Ich wende mich wieder meiner Leinwand zu. Noch die letzten Pinselstriche und es ist fertig. „Das machen Freunde für einander." Ich kräusele die Lippen. „Oder nicht?" Nun blicke ich ihn direkt an. Der Ausdruck in seinen Augen haut mich für einen Moment um. Irgendwie mag er es scheinbar nicht, wenn ich uns als Freunde betitele, aber das ist es doch, was wir sind, oder etwa nicht?

Mit seinen hellen Augen durchbohrt er mich regelrecht. Sein Blick ist so intensiv, dass ich mich wieder abwenden muss, sonst würde ich womöglich noch zu Gele werden.

„Denke schon." Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie er seine Hände in den Hosentaschen vergräbt. Unsicher bewegt er einen seiner Füße auf dem Boden hin und her. „Trotzdem danke."

Ich lächle ihn an und nicke. „Wissen deine Eltern, dass es dir gut geht?", will ich wissen. Schließlich müssen nicht gleich bei allen die Familien zerrüttet sein, nur weil es bei mir so ist. Die vielen Pinsel, die ich benutzt habe, stelle ich in den Becher, der nun mehr wie Matschbraun aussieht. Diesen nehme ich und trage ihn zu dem Becken, der in diesem Haus hier angebracht worden ist.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt