Kapitel 30

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Charlie

Ich kann nicht schlafen. Es ist inzwischen fast zwei Uhr in der Früh und ich bin hellwach. Rick schläft oben in Alex Zimmer, genauso ist es bei Adela und Jayden. Für Cameron und Mijou haben Allen und Alex das Sofa ausgefahren. Mike liegt auf einer Matratze auf der rechten Seite des Sofas, ich auf der linken.

Das Haus ist still. Kein Geräusch ist zu hören. Selbst draußen ist es leise, als würde die gesamte Menschheit schlafen. Als wäre ich die einzige, die wach ist.

Ich schlage die Decke zurück und stehe auf, dabei sehr stark versucht, kein Geräusch zu machen. Nach unserem Filmmarathon war Rick der erste, der eingeschlafen ist. Als dann auch noch Mijou eingenickt ist, haben wir beschlossen, um halb elf den Tag für beendet zu erklären.

Schleichend mache ich mich auf den Weg in die Küche. Sie ist in leichten Braun – und Grüntönen gehalten. Mehrere Regale hängen an den Wänden und in der Mitte steht eine Insel. Die Anrichte ich gräulich und ein Würzregal befindet sich neben dem Fenster. Dort lasse ich mich auf einen Hocker gleiten, um unser Haus zu beobachten. Ob es Ryder gut geht? Ob Vater ihm ebenso schreckliche Sachen an den Kopf geworfen hat? Immer, wenn ich die Nacht nicht zu Hause verbringe, fühle ich mich unglaublich schuldig. Wie jetzt. Normalerweise würde ich das schlechte Gewissen und die unnachgiebigen Gedanken wegdrücken, doch diesmal schaffe ich es nicht. Die Furcht, was denn nun mit Ryder ist, killt mich fast.

Fast bin ich versucht, ihm zu schreiben, dann fällt mir allerdings wieder ein, dass es ja zwei Uhr ist und er wahrscheinlich schon schläft.

„Ich habe ihn noch nie so gesehen.", hat Adela gesagt, als sie mich beiseite genommen und mit mir über Mike gesprochen hat. „Lange hat er nicht mehr so gelächelt."

Ich habe allerdings nur den Kopf geschüttelt. „Nein, Adela. Er hat Gefühle für Mijou. Das sieht doch jeder." Doch sie ließ sich nicht so schnell abschütteln.

„Nein, hat er nicht." Eindringlich hat sie mich angesehen. Ihre ganze Erscheinung hat Entschlossenheit verströmt. „Nicht, seit er dich kennt, Charlie.", fuhr sie im ruhigen Ton fort. „Glaub mir. Ich kenne ihn seit ich denken kann." Sie hat mich angelächelt, doch ich konnte es nicht erwidern. „Lange Zeit war er vollkommen am Boden wegen seinen Gefühlen für Mijou, doch das ist vorbei. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass er nie über sie hinwegkommen würde.", endete sie in sich hineingrinsend.

„Adela..."

Nur gab sie mir keine Gelegenheit zu widersprechen. „Nein, Charlie. Bitte weis ihn nicht ab. Kämpfe um ihn. Gib ihn nicht auf."

Gib ihn nicht auf.

Wie bei einer kaputten CD wiederholt sich dieser eine Part in meinem Kopf. Hoffnung will in mir aufkeimen. Hoffnung, nicht für Vater, sondern für eine Zukunft für Mike und mich. Dass es vielleicht doch noch ein wir geben kann.

Eben fährt ein Auto vorbei, dessen Scheinwerfer die gesamte Straße erleuchten und die Gärten der anderen in schummriges Licht tauchen.

„Charlie?" Ich fahre zusammen. Wie oft will ich denn noch in Gedanken versinken? Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen, meinem Hals, meinem gesamten Körper aus.

Ein – zweimal atme ich aus, dann erst habe ich den Mut, seinen hellen Augen zu begegnen.

„Hey, Mike.", wispere ich. Ich versuche mich an einem Lächeln, was ihn erleichtert ausatmen lässt. Fragend runzle ich die Stirn.

„Du lächelst mich wieder an." Einer seiner Mundwinkel verzieht sich nach oben. Langsam kommt er auf mich zu und mein Herz macht einen Satz. Einfach nur, weil es in seiner Nähe sein darf. Innerlich schüttele ich über mich selber den Kopf.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt