Kapitel 43

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Mike

Als der Wagen, mit dem wir zur Gala gefahren sind, stehen bleibt, ist das riesige Gebäude das erste, was mir auffällt. Es besteht im Erdgeschoss hauptsächlich aus Fenstern, die getönt sind. Allerdings kann man dennoch die ganzen Lichter von innen sehen, die den Raum in schummriges Licht tauchen.

Sobald wir eintreten, fallen mir die großen Kronleuchter aus Kristallen auf, die von der Decke hängen. Es gibt zwei davon und vier weitere, die kleiner sind als die anderen und deswegen auch näher an den Wänden hängen.

Alle Frauen tragen schöne lange Kleider. Manche von ihnen sind ausgefallener als der Rest, andere sind zu bunt, und einige wirken so, als würden wir hier in einem Bordell sein. Die Hochsteckfrisuren variieren genauso. Die Männer jedoch tragen alle ein und denselben Anzug in schwarz. Nur die Krawatten unterscheiden sich in Farbe, da sie zu den Kleidern der Frauen passend gewählt wurden.

Ganz hinten im Raum befindet sich ein langgezogener Tisch, auf welchem verschiedenste hors d'oeuvres angerichtet sind. An beiden Ecken findet man eine gläserne Schüssel mit rotem Inhalt, daneben ein Tablett mit Gläsern gestapelt. Die Musik ist leise, aber dennoch laut genug, damit die Leute zu dieser tanzen können. Noch befindet sich aber keiner auf der Tanzfläche.

Und plötzlich bleibt mein Herz stehen. Nicht aus Angst oder Unbehagen, sondern aus Freude. Kurz danach fängt es an wie wild in meiner Brust zu hämmern. Ganz hinten, neben dem Buffet – Tisch, steht Charlie. Zum ersten Mal seit einer richtig langen Zeit bekomme ich sie wieder zu Gesicht. Und sie sieht schöner aus als je zuvor aus.

Charlie steht dort mit ihrem roten Kleid, das fantastisch ihre zarten Kurven umarmt. Sie sieht aus wie eine gefallene Göttin. Spitze verläuft an ihrem Dekolleté und lässt ihre Schultern frei. Bis zur Taille liegt es sehr eng an ihrem Körper an, dann fließt es regelrecht zu Boden. Ihre Ärmel aus Spitze gehen ihr bis zu den Handgelenken. Nach einem zweiten Blick stelle ich fest, dass sie mein Armband tatsächlich trägt.

Ihre Haare sind kunstvoll nach oben gesteckt, wahrscheinlich das Werk von Mijou oder Adela. Vielleicht sogar von beiden. In ihnen schimmern einige Edelsteine, die farblich perfekt zu ihrem Kleid passen. Als ich allerdings in ihr Gesicht blicke, erkenne ich nicht das echte Lächeln, was ich inzwischen kennen und lieben gelernt habe. Ihre Lippen sind falsch verzogen. Es ist das Lächeln, was sie jeden anderen um sich herum sehen lässt. Doch verraten sie ihre Augen, die nicht mehr glänzen, immer wieder. Man muss nur wissen, wonach man suchen muss.

Momentan spricht sie mit einem Typen, der in unserem Alter sein müsste. Der Typ wirkt wie ein reicher Schnösel. Seine Gesten und Haltung strahlen regelrecht Überheblichkeit aus. Was mich allerdings am meisten stört, ist, dass er ständig seine Hand nach Charlie auszustrecken versucht und sie berühren möchte. Sie jedoch lässt es nicht zu, sondern trinkt stattdessen etwas aus ihrem Glas, um seinem Griff auszuweichen. Innerlich muss ich grinsen.

„Ist sie das? Charlie?" Dad taucht urplötzlich neben mir auf und flüstert mir das ins Ohr. „Ich hätte sie fast gar nicht erkannt."

Es stimmt. So habe ich sie noch kein einziges Mal gesehen. Sonst ist sie immer locker, aber schick gekleidet. Nie war sie aufwendig geschminkt oder ihre Haare so kunstvoll gemacht. Ich finde ihr natürliches Auftreten schöner, was nicht heißt, dass sie jetzt nicht unglaublich aussieht. Denn das tut sie auf jeden Fall. Meine Augen kann ich nicht von ihr abwenden, was Dad mit einem leisen Prusten kommentiert. Daraufhin verdrehe ich die Augen und beobachte weiter das schönste Geschöpf im Raum.

„Nun geh schon zu ihr hin.", ermutigt mich Vater.

„Sie wird nicht mit mir reden wollen. Ich habe ihr echt gemeine Sachen an den Kopf geworfen." Enttäuscht von mir selber senke ich den Blick. „Auch wenn sie mein Armband trägt, was ich ihr geschenkt habe.", füge ich leise hinzu.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt