Kapitel 34

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Charlie

Weg! Einfach nur weg! Das ist der einzige Gedanke, der mich im Moment erfüllt, als ich die Türe hinter mir zuknalle. Wahrscheinlich wird Vater dadurch wieder geweckt, jedoch ist mir das sowas von egal.

Blödes Miststück! Bitch! Unnützes Gör! Platzverschwendung!

Angesichts dieser Worte, die Vater mir an den Kopf geworfen hat, als ich ihm das Jackett abgezogen habe, schnürt sich mir die Brust zusammen. Ich kann nicht atmen. Noch nie habe ich so auf seine Worte reagiert.

Wie auch schon das letzte Mal, als ich einfach nur laufen wollte, tragen mich meine Füße erneut zu dieser einen Stelle. Zu dieser einen Person, von der ich tief im Inneren weiß, dass sie die einzige ist, die mir jetzt helfen kann.

Also laufe ich, auf die Dunkelheit und meine von der Dusche nassen Haare nicht achtend. Und plötzlich fängt es auch noch an zu regnen. Das Universum hat sich wohl gegen mich verschworen.

Angekommen, klopfe ich an der dunkelbraunen Holztür. Wahrscheinlich schläft er schon längst, jedoch ist das momentan der einzige Ort, an dem ich sein will. Ich warte, was mir wie eine Ewigkeit vorkommt, wobei es nicht mal zwei Minuten waren.

„Hey! Wie-" Er hält inne, als er mich sieht. Vermutlich sehe ich aus wie ein Gespenst. „Kätzchen?" Bei seinem süßen und liebevollen Kosenamen wird mir warm ums Herz, sodass ich vor Rührung die Tränen runterschlucken muss. „Was machst du denn hier?"

Ich möchte ihm antworten, mich erklären. Doch als ich den Mund öffne, kommt kein Wort raus.

Ohne weiteres nimmt Mike mich in den Arm und drückt mich fest an seine nackte Brust. Wie aus einer anderen Welt nehme ich wahr, wie er mich, immer noch im Arm, ins Haus dirigiert und die Türe hinter mir verschließt. Sein Geruch umgibt mich. Er riecht nach seinem Duschgel und Shampoo, doch auch seinen eigenen Geruch, frisch und zitronig, mache ich aus. Er riecht nach Geborgenheit. Noch nie habe ich etwas mit diesem Wort assoziiert, doch nun ist es so. Mike fühlt sich nach Geborgenheit an.

„Süße. Hey." In besänftigenden Bewegungen reibt er mir über den Rücken. „Was ist los?" Er löst sich von mir, jedoch neigt er nur seinen Kopf ein wenig, damit er mir über meine Wangen streichen kann. Und erst bei dieser Geste registriere ich, dass ich wirklich weine.

Ich schüttele den Kopf. Mike verzieht mitleidig das Gesicht, bevor er meine Stirn küsst und diese anschließend auf seine Brust legt. Für eine Weile stehen wir so da, bevor er das Schweigen bricht: „Gehen wir rauf?" Ein Déjà – Vu, denke ich, als ich nicke und wir die hellen Stufen rauf steigen, während er mich nicht loslassen will.

Oben in seinem Zimmer angekommen, schaltet er seine Nachttischlampe ein, damit wir nicht blindlinks stolpern müssen. Das schummrige Licht taucht ihn in warmes Licht und lässt seine Haut noch brauner erscheinen, als sie eh schon ist. Als mir wieder die Tränen kommen, – seit wann weine ich denn so häufig? – nimmt er mich erneut ohne Worte in den Arm und drückt mich fest an sich. Ich schluchze auf.

An Mikes Brust weine ich, lasse vor ihm meine Maske fallen, während er mich hält. Ich will ihn küssen, für immer in seinen Armen liegen, die mir so viel Sicherheit schenken, so viel Wärme. Ich möchte auf ewig seinen Worten lauschen können, die mir immer gut zureden. Die mir sagen, dass ich frei sein kann. Dass ich tatsächlich eine Wahl hätte. Ich will diese Ruhe, die er in mir hervorruft, nicht verlieren. Und das würde unweigerlich passieren, wenn ich mich von Vater beeinflussen lasse.

Vater. Der Mann, der mich beschimpft. Für den ich nur die billige, unvollkommene Kopie meiner Mutter bin. Ein Hindernis, ein Dorn im Auge. Und ich verbiege mich für ihn, um ihm zu helfen. Doch ihm kann nicht mehr geholfen werden. Mutter hat ihn gebrochen. Und Vater hat mich beschädigt. Aber ich will mich nicht mehr von Mike fernhalten müssen.

Not me. Please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt