Jahr 1: Kapitel 5 - Frühsport

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Die Tage bis zum Schulanfang gestalteten sich für Amina alle ähnlich. Aufstehen, Frühsport betreiben, Regale einräumen und sortieren, dazwischen etwas zu Mittag essen und den Unterricht vorbereiten.

Mit dem Kollegium kam Amina im Allgemeinen gut zurecht. Trotz der andauenden Versuche des Schulleiters und des Tränkemeisters in ihre Gedanken einzudringen, hatten auch diese beiden keinen schlechten Eindruck auf sie gemacht. Lediglich das Misstrauen ihr Gegenüber störte sie. Sie hatte schließlich nichts getan, was es erklären könnte. Zumindest nichts, dessen sie sich bewusst war.

Mit Minerva war sie sogar ein Stück spazieren gegangen, als sie sich zufällig auf den Ländereien getroffen hatten und hatte sich mit ihr auch gut unterhalten. Trotzdem konnte sie auch von ihr Misstrauen wahrnehmen. Es schien sie beinahe zu verfolgen und machte sie ein wenig traurig. Sie hatte gehofft, ohne Vorurteile ihr Gegenüber nach Hogwarts zu kommen. Die meisten Lehrkräfte kannten sie, seit sie elf war.

Am ersten September stand Amina, wie die Tage zuvor, gegen sechs Uhr auf, um vor dem Frühstück nach draußen an den See zu gehen, wo sie eine halbe Stunde Kraft-Training, eine halbe Stunde Ausdauer-Training und eine weitere Stunde Tai-Chi machen wollte. Nur mit einer kurzen Short und einem Sport-BH unter ihrem Zauberer-Umhang bekleidet lief sie durch die Gänge und grüßte einige Geister und Gemälde, die bereits wach waren.

Ihre exzentrische Kleidung ignorierten dabei die meisten, worüber Amina froh war. Sie hatte keine Lust, sich von Gemälden bezüglich ihrer Kleidung belehren zu lassen. Vor allem, weil sie von den älteren auch immer wieder auf ihre auffallend sportliche und muskulöse Statur hingewiesen wurde, die sich, laut den Bewohnern eben jeder Kunstwerke, für eine Frau nicht schickte. Die Figur war jedoch eine Folge der morgendlichen Sporteinheiten und Anima dachte nicht daran, an diesen etwas zu ändern.
Es schien ein schöner Spätsommertag zu werden und der See lag ruhig vor ihr, als sie den Umhang auszog und mit ihrem Training begann.

Gerade als sie zehn Minuten ihres Tai-Chi-Programms vollzogen hatte, spürte sie die Anwesenheit von jemanden. Ohne die Augen zu öffnen, die sie dabei immer geschlossen hielt, fragte sie: „Kann ich etwas für Sie tun oder sind Sie lediglich daran interessiert, warum eine Hexe einen Muggelsport ausübt?"

„Ich bin lediglich interessiert, weshalb Sie dies halb nackt vor meinem Bürofenster tun.", entgegnete ihr eine schnarrende Stimme. Ohne aus der Ruhe zu kommen, antwortete sie ihm: „Dies ist Sportkleidung, wenn auch etwas freizügige. Sie erwarten doch nicht, dass ich in einem Umhang einen Sport ausführe, bei dem es darum geht, den Geist freizumachen und mit der Umgebung eins zu werden. Das ist doch kein Quidditch."

Einige Sekunden vergingen, bis sie bemerkte, wie er versuchte, in ihren Geist zu kommen. Doch sie ließ ihn nicht rein. „Sie haben mich offensichtlich falsch verstanden. Ich lasse meinen Geist frei, nicht jegliche Schutzmaßnahmen fallen. Was erhoffen sie sich eigentlich davon, ständig in meinen Kopf zu wollen?", fragte sie ihn.

Er beantwortete ihre Frage nicht, ging jedoch auch nicht weg. Sie beschloss auf seine Antwort zu warten, auch wenn sie nicht daran glaubte, dass sie eine bekäme, und setzte ihre Übungen fort.

Nach einigen Minuten spürte sie, wie sie seine Empfindungen stärker wahrnahm und sich ihr Geist selbstständig in seinem Kopf umsehen wollte. „Wenn sie nicht wollen, dass ich demnächst alle ihre Gedanken und Erinnerungen trotz ihres recht passablen Okklumentik-Schutzes sehen und hören kann, schlage ich vor, dass sie sich verabschieden."

„Sie denken, sie könnten in meine Gedanken eindringen?", fragte ihr Beobachter skeptisch mit einer Spur Überheblichkeit in der Stimme.

Es entlockte ihr ein Schmunzeln. Er war nicht der Erste, der ihren Worten nicht glauben wollte. „Ich denke das nicht nur. Ich weiß es. Jeden Morgen höre ich mir von hier aus an, wie Pomona ihren Pflanzen ein Liedchen denkt und wie Hagrid, der übrigens seit vorgestern wieder da ist, seinen Tieren Kosenamen verpasst. Beide sind gute zweihundert Meter von mir entfernt und haben keinerlei Schutz. Sie hingegen haben einen, jedoch stehen Sie nur einige Meter von mir entfernt. Selbst ohne diese Übung wäre es ein leichtes aber mit, wären Sie mir hoffnungslos ausgeliefert. Wenn es Sie stört, dass ich meinen Frühsport hier betreibe, werde ich in Zukunft einen anderen Ort dafür verwenden."

Die Alchemistin - Bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt