Der Tod durch verdursten

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Krieg. Angst. Schmerz. Macht. Tod.

Diese Worte beschrieben die aktuelle Situation.
Diese Worte beschrieben die Situation der letzten 38 Monate.

5.9.2084, 6:04 Uhr, Manchester/England

Mittlerweile waren drei ganze Tage vergangen, an denen ich hier lag. Hilflos, verschüttet und ohne jegliche Verpflegung. Mittlerweile spürte ich meine Beine überhaupt nicht mehr, meine Arme hingegen schmerzten immer noch so wie am ersten Tag. Wenn ich nur an meine verdammte Waffe kommen würde, dann könnte ich dieses Leid endlich beenden. Doch so viel Glück hatte ich nicht. Stattdessen würde ich in den nächsten achtundvierzig Stunden verdursten.

Wenn dieser riesige Stein vor ein paar Stunden doch nur auf meinem Kopf gelandet wäre. Dann hätte er meinen Helm zerstört. Und meine Schädeldecke ebenso.

Irgendwann wurden die Schreie und Schüsse leiser. Ich wusste nicht ob sie wirklich verschwanden, oder ob mir mein Gehirn einen Streich spielte. Immerhin fehlte mir Flüssigkeit, deswegen wäre zweiteres nicht mal so unwahrscheinlich.

Wie ging es meinen Kameraden? Konnten sie fliehen? Wurden sie ebenfalls verschüttet?

Fragen über Fragen. Fragen auf die ich keine Antwort hatte und nie bekommen würde.

Ich drückte den kleinen Knopf meines Aufnahmegerätes und hob es mit aller Kraft an meinen Mund.

Hier spricht Sergeant Johnson, das hier ist mein fünfter und letzter Eintrag. Vermutlich werde ich in den nächsten vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden verdursten und werde in spätestens zwölf Stunden keine Kraft mehr haben dieses Diktiergerät zu halten.

Ich werde verrückt wenn ich mit niemanden spreche, deshalb rede ich mit diesem Gerät hier. Mittlerweile bin ich mir sogar sicher, dass das hier niemand hören wird.

Deshalb kann ich auch offen und ehrlich sprechen.
Mit 19 Jahren sterben war nie mein Plan, doch was für eine Wahl hatte ich schon?

Dieser verdammte Krieg dauert nun schon 4 Jahre und es ist kein Ende in Sicht. Noch dazu sieht es für uns Engländer mehr als nur schlecht aus.

Die Amerikaner sind in der Überzahl. Diese verfickten Hurensöhne.

Sergeant Johnson Ende."

Das waren meine letzten Worte an die Außenwelt. Das waren meine letzten Worte überhaupt.

Kraftlos ließ ich das Aufnahmegerät fallen und schloss meine Augen. Verdursten war einfach nur schrecklich. Mal davon abgesehen das meine Kehle staubtrocken war und mein Mund seit fast zwei Tagen keinen Speichel mehr produzierte, hatte ich extreme Sprachstörungen, mir war unglaublich schwindelig, mein Hirn spielte mir Streiche und ich spürte wie mein Körper langsam aber sicher vergiftete. Meine Nieren zapften mit Sicherheit schon nahegelegene Blutgefäße an.

Diesen Tod wollte ich niemals sterben. Ich dachte immer erfrieren oder verbrennen wäre das Schlimmste, aber verdursten war mindestens genauso schlimm.

Diese Halluzinationen waren kaum auszuhalten. Es fühlte sich dauerhaft an wie in einem Fiebertraum. Ich bildete mir Sachen ein, die nie da gewesen waren, ich sah Menschen die nach mir suchten und Menschen die mich retten wollten. Doch diese Menschen gab es nie.

Denn niemand würde mich jemals finden.

Ich hatte mich damit abgefunden. Ich war ein Soldat, Soldaten zeigten keine Schwäche. Niemals.

Seitdem ich auf der Welt bin brachte mir mein Vater so etwas bei. Für ihn war klar; sein Sohn tritt in seine Fußstapfen!
Und genau das musste ich dann auch tun.
Mit fünfzehn Jahren.

Die Ausbildung war hart. Härter als normalerweise, denn es herrschte Krieg. Niemand hatte die Wahl, wenn man sich weigerte wurde man umgebracht oder weggesperrt. England war barbarisch.

Und das nur weil sie diesen Krieg unbedingt gewinnen wollten. Immerhin hatten sie ihn begonnen. England war das neue Deutschland.

Die Menschen würden es niemals lernen. Sie hatten es nie gelernt.

Früher konnten die Teenager noch Teenager sein, heute mussten sie Menschen töten, foltern und einsperren. Mittlerweile war es normal für mich. Doch ich hasste es abgrundtief. Ich hasste dieses Leben. Zu gern hätte ich 2020 oder so gelebt, zu gern wäre ich ein normaler Teenager gewesen.

Zu gern hätte ich mein Abitur gemacht, studiert, eine Familie gegründet und hätte einfach mein Leben gelebt.

Zu gern wäre ich älter als neunzehn geworden.

Doch diese Wahl hatte ich nicht. Dieses Glück hatte ich nicht.

Ich bemerkte wie meine Gedanken immer wirrer wurden und unrealistische Bilder durch meinen Kopf sprangen. Die Halluzinationen nahmen ebenfalls zu. Ich bildete mir ein, Sergeant Murphy neben mir zu sehen. Sergeant John Murphy. Meinen besten Freund.

Doch niemand war neben mir.

Langsam drifteten meine Gedanken ab, ich wusste nicht ob ich träumte oder immer noch wach war. Mein Tag-Nacht-Rhythmus existierte schon lange nicht mehr.

Die nächste Halluzination riss mich sogar aus meinem Schlaf. Stimmen. Überall waren diese Stimmen. Diese Stimmen mit diesem amerikanischen Akzent. Sie wurden immer lauter.

Poltern. Das Geräusch von fallenden Steinen.

Sonne.

Diese Halluzination war realer als sonst. Ich würde sterben.

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Sooo, wie findet ihr das erste Kapitel?🫶🏽

Habt ihr schon einen kleinen Einblick in Nathan bekommen? Habt ihr schon ein grobes Bild von ihm im Kopf?

Lasst es mich gerne wissen🥰

Noch eine kleine Info:
Updates werden regelmäßig kommen, aber ich kann noch nicht sagen wie oft genau, da ich auch noch meine Hauptstory habe.
Mal können tägliche Updates kommen, mal nicht. Aber ich aktualisiere mindestens 2 mal die Woche🥰

War, Love, and other feelings [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt