Atomschutzbunker

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Isaac war der Erste, der sich wieder gefangen hatte. Er straffte seine Schultern und schaute uns an.

„Die Ausnahmesituation ist eingetreten, wir haben gelernt wie man sich verhalten muss. Zwischen Theorie und Praxis liegen jedoch Welten. Jeder der hier ist hat heute zahlreiche Kameraden und Freunde verloren, jeder der hier ist hat allerdings auch überlebt. Wir haben keine Informationen zu den Raketen, wir wissen nicht welche sie benutzt haben. Falls uns niemand holen kommt, bleiben wir vorerst sieben ganze Tage hier unten."

Isaacs Blick wanderte durch die Reihen.

„Dieser Bunker ist dafür ausgelegt, dass zweihundert Menschen ein halbes Jahr überleben könnten. Wir sind knapp hundert und haben nur maximal sieben Tage vor uns. So gut wie wir die nächsten Tage leben werden, haben wir die letzten Jahre nicht gelebt."

Isaac begann damit seine Schutzausrüstung abzulegen.

„Es gibt hier ein Lufterfrischungssystem, fließendes warmes Wasser, einige Schlafzimmer, genügend Vorräte und Beschäftigungsmöglichkeiten."

Wovon sprach er da? Wo sollte das alles sein? Doch nicht hier in diesem Bunker, oder?

Isaac öffnete eine Tür am anderen Ende des Raumes. Und was ich da zu sehen bekam, ließ mit den Atem stocken.

Eine steinerne Wendeltreppe führte mindestens zwanzig Meter in die Tiefe. Staunend fiel meine Kinnlade herunter. Wer hatte dieses Teil denn gebaut?

„Die Schlafzimmer befinden sich in den unteren Stockwerken. Über den Schlafzimmern gibt es eine Kantine, Vorratskammern und Beschäftigungsmöglichkeiten. Im oberen Stockwerk befindet sich ein Versammlungsraum, wichtige technische Geräte und die Schlafzimmer für den General und den Commander."

Isaac schaute uns an.

„Ich weiß das es viel ist, bitte sucht euch erstmal eure Schlafzimmer, macht euch frisch, beruhigt euch und kommt in drei Stunden in den großen Versammlungsraum."

Seine Kameraden nickten fassungslos und taten dann was er sagte. Sie liefen die lange Wendeltreppe nach unten. Sie tuschelten und hatten vermutlich genauso viele Fragezeichen im Kopf wie ich.

Wortlos schaute mich Isaac an, seine grauen Augen wirkten glanzlos. Man merkte ihm deutlich an, dass auch ihm diese Situation zu viel war. Doch er musste einen klaren Kopf bewahren. Zumindest musste er es versuchen.

Ich schluckte, dieser Tag war hart. Meine Gedanken waren wirr und nur schwer zu ordnen. Ich realisierte kaum, dass es eine Atomexplosion gab.

Ich ging an Isaac vorbei und lehnte mich an das Geländer. Das hier war so groß. Wer hatte das verrammt nochmal gebaut und warum wusste ich nichts davon? Immerhin waren wir hier in dem Land, in dem ich aufgewachsen war. Wieso gehörte das hier den Amerikanern?

„Was genau ist das hier?"

Isaac stellte sich neben mich und folgte meinem Blick. „Dieser Bunker wurde kurz vor dem Beginn des Krieges errichtet. Ursprünglich sollte das hier eine Militärbasis mit Atomschutzbunker für die Englische Armee werden. Als der Krieg begonnen hat, hat Amerika ihn für sich beansprucht."

Das erklärte natürlich einiges, vor allem auch wieso ich ihn nicht kannte. Dieser Bunker hier war hochmodern, er konnte nur von den Amerikanern errichtet worden sein.

7 Tage später

„Bist du dir wirklich ganz sicher?"

„Ja."

„Isaac..."

Er nahm die Spritze mit der dunkelroten Flüssigkeit und injizierte sie sich selbst in den Oberarm. Jetzt war es sowieso zu spät.

„Jetzt du."

„Ich weiß nicht."

„Nathan, welche Wahl haben wir?"

„Keine."

Isaac nickte und reichte mir die zweite und somit letzte Spritze.

Mit zittrigen Fingern nahm ich sie entgegen und hielt einen Moment inne.

Die letzten Tage waren ziemlich durchwachsen. Wir hatten keine Funkverbindung aufbauen können und wussten somit nicht, was außerhalb dieser Wände geschehen war. Vielleicht waren wir sogar die letzten Menschen auf dieser Erde.

Die Situation im Bunker war angespannt. Jeder hatte Angst und niemand wusste wie es weitergehen sollte.

Isaac und drei seiner Kameraden hatten die ganze Zeit über an einem Plan gearbeitet. Sie waren mehrere mögliche Szenarien durchgangen und hatten nach der besten Option für uns gesucht.

Ich hatte Isaac nicht sehr oft zu Gesicht bekommen. Nicht mal Nachts hatte er regelmäßig geschlafen.

Er wurde erst frisch zum General ernannt und schon stand er vor so einer Aufgabe.

Ich vermisste Isaac, ich vermisste unsere Zweisamkeit und Intimität. Vermutlich war das fehl am Platz, aber ich konnte nichts für meine Gefühle.

„Nathan, los jetzt."
Isaac riss mich aus meinen Gedanken.

Ich schluckte und setzte die Spitze der Spritze an meinen Arm. Ich musste es tun.

War, Love, and other feelings [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt