Kapitel 5

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Sebastians POV

Die Unterrichtsstunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste war eine der witzigsten, die Professor Hecat je aus ihrem metaphorischen Hut gezaubert hatte. Der Irrwicht hatte die kuriosesten Gestalten angenommen, doch dann war Y/N an der Reihe. Bei ihrem Anblick hatte der Irrwicht die Gestalt von einem Haufen Körper angenommen. Es waren ihre Freunde, inklusive mir, wie wir leblos vor ihr lagen. Wir waren alle tot. Das ist also ihre größte Angst: Diejenigen zu verlieren, die ihr nahestehen und sie trägt die Schuld daran. Ich spürte, wie sich mein Herz bei diesem Anblick zusammenzog. Y/N war plötzlich zusammengesackt und ich konnte sie schluchzen hören. Natsai und Poppy waren sofort an ihrer Seite. Wütend schritt ich ein. „Riddikulus!" Leichen konnte man nur schwer ins Lächerliche ziehen. Die einzige Möglichkeit war, sie zum Schnarchen zu bringen. Und das taten sie dann auch. Sie schnarchten wie alte Holzfäller. Besorgt drehte ich mich zu Y/N um. Sie schien sich nicht beruhigen zu können. Professor Hecat beendete derweil den Unterricht, aber das nahm ich nur beiläufig wahr, denn meine Gedanken waren bei meiner traumatisierten Freundin. Ich hockte mich zu ihr und nahm ihr verweintes Gesicht in meine Hände. „Hey, schau mich an!" Ihre gequollenen Augen sahen mich traurig an und der Knoten in meiner Brust zog sich weiter zusammen. „Y/N, das war nicht echt. Wir sind hier, wir sind alle am Leben." In der Hoffnung sie beruhigen zu können und um mich ebenfalls ein wenig zu beruhigen, strich ich ihr über ihre weichen Wangen. Auf einmal lag sie in meinen Armen. Ich war etwas überrascht von ihrer Handlung, drückte sie aber sofort fest an mich. Wir beide brauchten diese Umarmung. Ich vergrub meine Nase in ihren nach Flieder duftenden Haaren. „Es ist alles gut", versicherte ich. Ich genoss noch einen Moment ihre Nähe und löste mich dann vorsichtig von ihr, ohne sie von mir wegzustoßen. „Alles in Ordnung?", fragte ich, während ich ihre Tränen aus ihrem verweinten Gesicht wischte. Sie so zu sehen brach mir das Herz. Y/N nickte leicht. „Kannst du aufstehen?" Auch dies bejahte sie. Vorsichtig half ich ihr auf die Beine. Als hätte jemand in ihrem Kopf einen Schalter umgelegt lief ihr Gesicht innerhalb einer Sekunde knallrot an und sie schaute zu Boden. „Entschuldige bitte." Ich war verwirrt. „Entschuldigen? Was soll ich entschuldigen?" „Na, dass ich, nun ja, dich einfach umarmt habe." Mein Herz setzte einen Schlag aus. Dafür entschuldigte sie sich? Ich war ihr ehrlicherweise dankbar für den körperlichen Kontakt. Ich wollte mehr. „Kein Grund sich zu entschuldigen, Y/N. Du scheinst es gebraucht zu haben und ich bin froh, dass ich dir helfen konnte." Sie bedankte sich. „Ich brauche frische Luft", sagte sie und verschwand. Mein Herz klopfte noch immer wie wild und ihr Duft hing mir noch in der Nase, was das Herzrasen nicht gerade beruhigte.

Ich machte mich auf die Suche nach Ominis, um ihm vom gerade erlebten zu berichten. Vermutlich saß er beim Streichquartett. Das wäre perfekt, um nicht belauscht zu werden. Auf dem Weg sammelte ich meine Sachen ein und schnappte mir einen Apfel aus einer der Schalen, die überall in der Schule verteilt standen. Wie erwartet saß Ominis auf einer der Bänke und lauschte der Musik. Ich widerstand der Versuchung meinem besten Freund den Apfel an den Kopf zu werfen. Es wäre lustig gewesen, aber ich wollte ihn heute nicht verärgern. Schließlich musste er sich gleich meine Schwärmerei anhören und das war schon Strafe genug für ihn. Meine Gefühle für Y/N haben letztes Jahr schon oft zu Diskussionen zwischen Ominis und mir geführt. Die Standpauke, die ich mir anhören musste, nachdem er herausgefunden hatte, dass ich Y/N die Krypta gezeigt hatte, hatte es in sich gehabt.

Flashback

Y/N hatte gerade die Krypta verlassen, als ich das Tor erneut rattern hörte. Hatte sie etwas vergessen? „Sebastian, das ist nicht dein scheiß Ernst! Du zeigst der Neuen einfach mir nichts, dir nichts die Krypta? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Dieser Ort sollte ein Geheimnis bleiben!" Ominis stürmte wutschnaubend auf mich zu. „Beruhig' dich mal." Sein Ton machte mich ebenfalls wütend. „Sie brauchte einen Ort an dem sie ungestört aufholen kann, was sie bisher verpasst hat. Ich wollte ihr nur helfen. Außerdem hat sie versprochen, niemandem von der Krypta zu erzählen." „Oh, Sebastian, der Retter der Jungfer in Nöten. Da macht dir ein Mädchen schöne Augen und du weihst sie direkt in alle deine Geheimnisse ein?" „Du weißt doch gar nicht, ob sie mir schöne Augen gemacht hat. Oder kannst du plötzlich sehen?" Wir schaukelten uns immer weiter hoch. „Punkt für dich, ich kann es nicht sehen. Ich merke aber, dass du dieses Jahr häufiger still bist, wenn sie irgendwo in der Nähe ist. Außerdem verhältst du dich in ihrer Gegenwart anders als sonst. Gib's zu: sie hat dir komplett den Kopf verdreht." Volltreffer. Bereits bei ihrer Ankunft hatte sie mein Interesse geweckt. Dass sie mich an ihrem ersten Tag im Duell in Verteidigung gegen die dunklen Künste mit links besiegen konnte, ließ das Interesse nur weiter wachsen und als sie den Troll in Hogsmeade besiegt hatte, war es um mich geschehen. „Na und? Sie ist eben... anders. Ich vertraue ihr. Ich möchte jede mögliche Sekunde bei ihr sein. Verdammt, Ominis, so habe ich mich noch nie gefühlt." Mein bester Freund seufzte. „Na gut. Wir können das Geschehene auch nicht mehr rückgängig machen. Wenn sie diesen Ort aber auch nur einer einzigen Person zeigt, reiß ich dir den Arsch auf und hänge dich nackt an den Astronomieturm, Sebastian. Ist das klar?" Ein Grinsen huschte über meine Lippen. „Verstanden." „Merlin, du machst mich noch wahnsinnig", lachte Ominis und ich stieg ins Lachen mit ein.

Flashback Ende

Ich setzte mich neben meinen besten Freund. „Du riechst nach Flieder. Was ist passiert?" Merlin, diese geschärften Sinne machten mir manchmal Angst. „Hallo Ominis, ich hoffe, du hattest auch eine gute erste Stunde", begrüßte ich ihn mit sarkastischem Unterton. „Ich habe Y/N umarmt. Oder besser gesagt hat sie mich umarmt." Nervös kratzte ich mich am Hinterkopf und ich merkte, dass ich wie bescheuert zu grinsen anfing. „Du machst Witze." Ominis drehte sich zu mir. „Wie das?" „Nun ja..." Mein Herz begann wieder wild zu klopfen. „Wir haben uns einem Irrwicht gestellt. Y/Ns Irrwicht waren wir. Tot. Sie ist zusammengebrochen und ich habe versucht sie zu beruhigen. Da hat sie mich plötzlich umarmt. Oh, Ominis, wären die Umstände anders gewesen, hätte ich ewig da sitzen und sie festhalten können." Ominis schüttelte den Kopf. „Bei Merlins Bart! Das wurde auch mal Zeit. Seit einem Jahr sülzt du mir die Ohren voll und dann braucht es einen Irrwicht, damit ihr zwei euch endlich einen Schritt näher kommt? Wenn ihr in dem Tempo weitermacht, habt ihr euren ersten Kuss mit dreißig. Sebastian, gesteh' ihr endlich deine Gefühle."

Ihr meine Gefühle gestehen? Ist er wahnsinnig geworden? „Das sagst du so leicht. Was ist, wenn sie nicht dasselbe für mich empfindet? Dann setze ich unsere ganze Freundschaft aufs Spiel." Ominis fing an zu lachen. „Ich bitte dich, Sebastian. Ich dachte, ich bin der Blinde hier. Sie ist ganz offensichtlich auch in dich verliebt. Reiß dich endlich zusammen und zeig ihr, dass ein Slytherin auch mutig sein kann." „Aber wie stelle ich das an? Ich gehe doch nicht einfach zu ihr und sage 'Hey, Y/N, ich stehe voll auf dich, willst du mit mir gehen'!?" „Könntest du, wenn du wie der nächstbeste dahergelaufene Trottel wirken willst. Ich habe nicht viel Ahnung von Mädchen und wie man sie beeindruckt. Vielleicht schreibst du ihr einen Brief?" Ich schüttelte den Kopf. „Viel zu kitschig." Ominis überlegte kurz. „Oder du lädst sie an einen schönen Ort ein." „Die Krypta!" „Ein schöner Ort, Sebastian! Da kannst du sie gleich in eine Besenkammer locken." Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln. „Das wäre zumindest kuschelig." Mein Freund verdrehte die Augen. „Du bist echt ein hoffnungsloser Fall. Sonst frag doch ein Mädchen nach Rat, wenn meine Vorschläge dir nicht gut genug sind. Hier laufen genug rum."

Ein anderes Mädchen um Hilfe bitten der Hexe meiner Träume meine Gefühle zu gestehen? Das bedeutete, dass ich zunächst einem anderen Mädchen von meiner Schwärmerei erzählen musste. Wer würde sich dazu eignen? Wem konnte ich genug vertrauen? Ich würde ja Y/N um Rat fragen, aber um sie ging es hier nun mal. Ihre Freundinnen kamen auch nicht in Frage, wobei diese vermutlich am ehesten wussten, was Y/N mochte. Anne konnte ich auch nicht fragen, denn dafür müsste ich erst einmal wissen, wo sie steckte. Mir fiel nur noch eine ein. Ich hoffte nur, dass ich mich nicht zum absoluten Vollidioten machte.



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Um Rita Kimmkorn zu zitieren: "Young love! How... stirring!"

Ich danke Euch für die Votes. Ich freue mich jedes Mal riesig :)

In the Shadows - Sebastian Sallow x Reader (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt