Kapitel 44

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Erwachseneninhalt voraus


„Und wie haben Sie sich dabei gefühlt?", fragte Doktor Walker einige Wochen später an einem Freitagnachmittag und sah mich erwartungsvoll über den Rand ihrer Halbmondbrille an. Schwester Blainey hatte ihre alte Schulfreundin kontaktiert, da diese auf Psychologie spezialisiert war. „Doktor Walker kann Ihnen viel besser helfen, als ich es je könnte", hatte sie nach unserem ersten Gespräch erklärt und nach meiner Zustimmung eine eilige Eule nach London geschickt. Doktor Walker arbeitete im Zaubereiministerium, um Auroren und Angehörigen bei der Traumabewältigung zu unterstützen. Und nun kam sie zusätzlich einmal die Woche nach Hogwarts und half mir, meine Erlebnisse zu verarbeiten. Nicht nur den Schaden, den Leander angerichtet hatte, sondern auch die Narben, die meine Cousine Emily und auch mein erstes Jahr in Hogwarts, auf meiner Seele hinterlassen hatten. „Stolz", antwortete ich auf Doktor Walkers Frage. „Und irgendwie frei." Wir sprachen gerade über meine kleinen Erfolge. Es war mir zunächst unangenehm, mit einer völlig fremden Frau über mein Liebesleben zu reden, doch ich hatte schnell gemerkt, dass es einen großen Teil meiner Therapiezeit beanspruchte. Viele meiner Wunden beeinflussten meine Beziehung mit Sebastian und zu meinem Körper. Ich hatte Doktor Walker vom letzten Wochenende erzählt. Sebastian und ich hatten Gryffindors Sieg gegen Hufflepuff mit einer wilden Knutscherei gefeiert. Eine Knutscherei, die darin endete, dass ich nackt auf seinem Schoß saß und mich an seiner Erektion rieb. Wir standen so kurz davor zu verschmelzen, doch irgendetwas in mir war noch nicht bereit gewesen. Allerdings fühlte ich mich inzwischen wieder wohl genug, um in knappen Sachen neben meinem Freund zu schlafen und nicht sofort in Panik zu geraten, wenn er mich eng an sich drückte und meine Brüste aus Versehen – oder vielleicht auch mit voller Absicht – berührte. „Das ist sehr schön zu hören. Ich freue mich über Ihre Fortschritte und sie können Stolz auf jeden weiteren Schritt sein. Auch wenn er noch so klein ist." „Dankeschön", hauchte ich. „Das ist nichts, wofür Sie sich bei mir bedanken müssen. Danken Sie sich selbst." Sie warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu. „Und denken Sie daran: ein Rückschlag ist keine Schande." Ich nickte und knetete meinen kleinen Finger. Die letzten Sandkörner der großen Sanduhr, die Doktor Walker zu jeder Stunde mitbrachte, rieselten durch das Loch in der Mitte in die untere Hälfte und verkündeten das Ende unserer Sitzung. Doktor Walker steckte ihre Feder und ihren Block in ihre Tasche, stand auf und ging auf den Kamin in dem kleinen Zimmer zu, das uns zur Verfügung gestellt wurde. „Wir sehen uns dann in einer Woche. Wenn etwas Dringendes sein sollte, schicken Sie eine Eule." Ich nickte noch einmal und stand ebenfalls auf. Grüne Flammen erhellten für einen kurzen Moment den Raum, als die Ärztin die Flohflammen benutzte. Ich atmete einmal tief durch. Die Sitzungen halfen mir viel, aber sie verlangten mir auch einiges an Kraft ab. Ich wollte nur noch ins Bett. Oder mich zumindest einkuscheln und verkriechen.

Nach einer kleinen Wanderung durch das Schloss ließ ich mich mit dem Gesicht voran in die weichen Kissen fallen und inhalierte den Duft nach Zedernholz. Sebastian und ich hatten keine Nacht mehr in unseren Schlafsälen verbracht. Wenn das jemand erfuhr, würden wir gewaltigen Ärger bekommen, aber das war es uns mehr als wert, wenn es je dazu kommen sollte. Ich ließ einen tiefen, lauten Seufzer in das Kissen dröhnen und schlang meine Arme um das weiche Ding. Nur einen Augenblick später schlief ich ein.

Y/N!" Eine starke Hand rüttelte sanft aber bestimmt an meiner Schulter. „Aufwachen, mo ghràdh. Du verschläfst noch das Abendessen." Stöhnend drückte ich mein Gesicht tiefer in das Kissen unter mir. Ein leises Lachen ertönte neben mir. Ich drehte meinen Kopf gerade genug, um Sebastian anzufunkeln. Behutsam strich er mir die Haare aus dem Gesicht und lächelte mich liebevoll an. „Wir wissen beide, dass du sonst heute Nacht einen Bärenhunger hast und nicht schlafen kannst, wenn du jetzt die ganze Zeit schläfst." „Ich habe nur meine Augen ausgeruht", konterte ich. „Sicher", grinste Sebastian. „Und dabei geschnarcht wie ein Troll." Ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Ein sehr hübscher, zierlicher Troll. Eine Trollprinzessin", versuchte er sich zu retten. „Netter Versuch." Ich setzte mich auf. „Macht dich das dann zu meinem Trollprinzen?" „Wenn du das willst", antwortete Sebastian mit einem schiefen Grinsen. „Wie war dein Gespräch mit Doktor Walker?", erkundigte er sich. Ich seufzte. „Anstrengend. Wie immer. Aber ich mache Fortschritte." „Das ist sehr gut. Und das sehe ich. Du wirst immer aufgeschlossener." Sebastian gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Wie war deine Strafarbeit?", fragte ich im Gegenzug. Sebastian seufzte theatralisch. „Anstrengend. Wie immer." Ich donnerte ihm das Kissen ins Gesicht. „Blödmann. Machst du auch Fortschritte?" Er schüttelte den Kopf. „Ich fange jeden Tag von vorne an. Als ob jede Nacht neuer Dreck auf die Pokale gestreut wird. Wobei ich das Peeves schon zutraue." Ich unterdrückte ein Lachen. „Das ist ihm wirklich zuzutrauen." Sebastians Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Grimasse. „Na komm. Ich will nicht, dass du verhungerst." Er streckte mir seine Hand entgegen, die ich ohne zu zögern nahm. Gemeinsam schlenderten wir zur Großen Halle, damit keiner von uns verhungerte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 22 ⏰

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In the Shadows - Sebastian Sallow x Reader (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt