Kapitel 75

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The Night We Met- Lord Huron
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„Warte, ich bringe dich ins Bett!", erklärt unser ältester Bruder. Wenige Sekunden später befindet sie sich auch schon in seinen Armen und sie machen sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.
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Amelia

Alleine vom Anblick der Lebensmittel sehe ich die Bilder meines Traumes vor mir. Ich spüre jeden einzelnen Schlag, jede Erniedrigung und jeden spöttischen Gesichtsausdruck. Dementsprechend bin ich auch froh, dass Blake mich vor mir selbst beschützt , indem er mich in mein Zimmer bringt. Dort sehe ich kein Essen und kann mich erstmal wieder auf mich und meinen Körper konzentrieren. Vorsichtig legt mich mein Bruder auf die weiche Matratze ab und wirft mir einen besorgen Blick zu. „Und du bist dir wirklich sicher, dass wir nicht kurz Martin hinzuziehen sollten? Du siehst wirklich alles andere als gut aus und ich möchte nicht, dass du hier verreckst und wir es im Endeffekt verhindern hätten können. Marin freut sich sicherlich auch dich erneut wieder zu sehen. Ein paar Tage hast du es ja ohne ihn geschafft", fragt er zuerst kritisch und am Ende mit einem deutlich hörbaren und belustigten Unterton. „Ich werde schon nicht sterben... hoffentlich! Wenn es mir in nächster Zeit schlechter gehen sollte, dann werde ich sofort einen von euch rufen und ihr könnt dann Martin verständigen. Ich bin mir aber sicher, dass es nur an dem ganzen Wasser aus dem Pool liegt. Vorgewarnt hat mich dieser Idiot nämlich nicht, als er mich reingeworfen hat", lüge ich wütend. Ich bin immer noch fassungslos, dass er mich einfach fallen gelassen hat. Ich habe zwar gesagt, dass ich runter möchte, allerdings hatte ich als Boden nicht den Pool anvisiert. Ich hatte eher an Gras, oder irgendwo in der Villa gedacht, aber Leonardo hatte nunmal andere Pläne. Wenigstens habe ich ihm auch eine Lektion erteilt, weshalb er hoffentlich aus seinen Fehlern lernen wird. Ich werde eine wundervolle Mutter werden, denn die Erziehung übe ich schon einmal bei meinen Brüdern. „Amelia! Hallo, ich rede mit dir!", reißt mich die Stimme von Blake aus den Gedanken. Seine schnipsenden Finger entferne ich mit meinen Händen aus meinem Blickfeld und blicke direkt in zwei wunderschöne Augen. „Tut mir leid, ich war in Gedanken! Hast du irgendwas wichtiges gesagt?", erkläre ich und gucke ihn dabei entschuldigend an. Ein lauter Seufzer kommt aus seinem Mund. „Unser jüngster Bruder hat jetzt schon ein schlechtes Gewissen und macht sich sicherlich schon Vorwürfe. Du würdest uns allen wirklich einen riesigen Gefallen machen, wenn du dich untersuchen lässt. Nur um sicherzugehen!".Entschuldigend und gleichzeitig auch entsetzt gucke ich ihn an. Leonardo soll sich auf gar keinen Fall Vorwürfe machen. Schließlich ist das ja alles nur gelogen. Das Problem liegt bei meinem Traum und nicht an unseren frühen, morgendlichen Ausflug in den Pool. „Kannst du ihm ausrichten, dass er sich bitte keine Vorwürfe machen soll? dadurch wird es mir nicht unbedingt schnell wieder besser werden! Eher im Gegenteil! Ich sage euch wirklich bei jeder kleinsten Veränderung bescheid, aber lasst uns erst einmal abwarten. Wenn ich liege , dann geht es mir schon direkt etwas besser und ich der festen Überzeugung, dass es mir in wenigen Stunden wieder super gehen wird!",muntere ich ihn auf und versuche ihn mit diesen Argumenten zu überzeugen . „Ich richte es ihm aus, aber wenn ich eine kleine Veränderung bei deinem Gesundheitszustand merke, welche mir nicht gefällt, dann rufe ich Martin an- ob du willst oder nicht!", macht er mir klar und deutlich. Ergeben nicke ich. Eine Diskussion ist bei seiner Tonlage zwecklos und da ich nicht davon ausgehe, dass es mir schlechter gehen wird, bin ich damit mehr oder weniger einverstanden.

„Okay, ich muss jetzt was erledigen! Dein Handy lege ich neben dich, damit du direkt jemand anrufen kannst, wenn du irgendwas merkst und dich keiner hört!", dabei legt er mein Handy direkt innerhalb meiner Reichweite und verschwindet nach einem aufmunternden Kuss auf die Stirn aus meinem Zimmer. Bis die Tür sich schließt, beobachtet er mich und zieht die Tür dann immer weiter zu. Sobald das Geräusch der verschlossenen Tür ertönt, atme ich einmal tief ein und wieder aus. Diesen Vorgang wiederhole ich mehrfach. Es ist für mich absolut nicht einfach meinen Brüder eiskalt ins Gesicht zu lügen. Besonders, wenn sich deswegen jetzt jemand Vorwürfe macht und ein schlechtes Gewissen hat. Aber ich vermute, dass es die beste Lösung ist. Wenn ich ihnen meinen Traum schildern würde, dann würden sie vermutlich nicht ein weniger schlechtes Gewissen haben. Die Besorgnis bleibt wohl auch -sowohl bei meiner Lüge, als auch bei der Wahrheit. Trotzdem plagt mich das schlechte Gewissen meines Bruders schon immens. Er ist überhaupt nicht der Grund für mein Ergehen. Stattdessen bin ich jetzt der Grund für seins. Ich hoffe wirklich, dass er auf unseren ältesten Bruder hört und sein schlechtes Gewissen zur Seite schiebt. Damit würde er mir nämlich helfen. Durch die vielen Gedanken und die sehr schlechte Nacht werde ich immer müder. Dementsprechend beschieße ich eine kurze Zeit zu schlafen um dann hoffentlich mit neuer Energie und Hoffnung, ohne diese furchtbaren Gedanken essen zu können, aufzuwachen.

Mein Plan verwerfe ich nach knapp 20 Minuten allerdings wieder. Egal wie sehr ich es versuche, der Traum oder eher gesagt das Trauma will nicht verschwinden. Verzweifelt seufze ich laut aus, bis ich mit meiner Hand ohne den Blick von der Zimmerdecke abzuwenden nach meinem Handy suche. Sobald ich dieses gefunden habe, nehme ich es mir zur Hand und lenke mich mit Netflix ab. Nach drei Folgen meiner Lieblingsserie schenke ich jedoch dem öffnen meiner Zimmertür meine Aufmerksamkeit. Die Sonne aus dem Flur scheint ein wenig in mein Zimmer, weshalb ich trotz des ausgeschalteten Lichtes und der zugezogenen Jalousien den Kopf meiner Mutter am Türrahmen entdecken kann.

„Kann ich reinkommen?", fragt sie vorsichtig. Mit meiner Bestätigung tritt sie nun vollständig in mein Zimmer und eilt direkt zu meinem Bett. „Wie gehts dir, mein Schatz?", fragt sie besorgt. „Besser! Ich fühle mich deutlich stärker und gesunder als vorher!",versuche ich sie zu beruhigen. Mit einem skeptischen Blick fährt sie einmal über meinen Körper, bis sich ein kleines Lächeln in ihr Gesicht schleicht. „Du siehst auch schon viel besser aus! Wenn du es noch nicht mitbekommen hast- es ist inzwischen schon 15 Uhr. Deswegen solltest du jetzt langsam mal was essen. Wenn ich richtig liege hast du nämlich heute noch nichts zu dir genommen, außer Wasser, welches aus dem Pool stammt!", Predigt sie mir. Auf einmal wird mir wieder ganz übel...

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