Kapitel 90

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More Than You Know- Axwell /\ Ingrosso
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In zwei Gruppen aufgeteilt machen wir uns in der näheren Umgebung auf die Suche nach meinem Bruder. Weit kann er noch nicht sein, wenn er vor kurzem noch hier war.
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Amelia

Leider dauert die Suche eindeutig länger, als gedacht. Inzwischen suchen wir bereits seit über einer halben Stunde und haben immer noch keine Spur von meinem älteren Bruder gefunden. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. „Man, wo kann er denn noch sein? Im Versteckspielen war er doch immer eine absolute Niete!", jammert Matteo verzweifelt. Zusammen mit ihm, seinem Zwilling und meinem Vater bilden wir eine Gruppe. Die andere Gruppe besteht aus meiner Mutter, Luciano und Santiago. Mein ältester und mein jüngster Bruder sind bei den Wohnmobilen geblieben, weil Leonardo keine Lust hatte wie eine Ente über den Campingplatz zu watscheln. Blake hat sich unter Protest von Leonardo bereit erklärt auf ihn aufzupassen und uns Bescheid zu sagen, wenn Valentino dort aufkreuzt oder es neue Anhaltspunkte zu seinem aktuellen Aufenthaltsort gibt. „Valentino ist eben Valentino! Wenn er nicht gefunden werde will, dann findet man ihn auch nicht!", lacht unser Vater. Verwirrt guckt Matteo ihn an. „Was meinst du denn, warum er jede Runde beim Versteckspielen als erster gefunden wurde? Er wollte es möglichst schnell hinter sich kriegen, damit er was anderes machen kann!", erklärt unser Vater und schmunzelt beim zurückblicken an die vergangene Zeit. „Im Ernst jetzt?", mischt sich nun auch Alejandro ins Gespräch ein. „Ja! Einzig und allein wurde er einmal nicht als erstes gefunden. Das lag daran, dass eure kleine Schwester gesucht hat. Sie hatte nämlich vorher behauptet, dich als erstes zu finden, weil ihr euch kurz vorher gegenseitig provoziert habt! Daraufhin hat er das einzige mal Mühe beim Verstecken gegeben!",antwortet er Alejandro. Daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Zu diesem Zeitpunkt war ich fünf.

Flashback :Anfang

„Hör auf!",kreische ich lachend. Gnadenlos kitzelt Alejandro mich durch und keiner rettet mich. Luciano hilft sogar seinem Bruder, indem er meine Arme weit ausgestreckt von meinem Körper festhält und auf meinen Beinen hockt. Er sitzt zwar nicht mit seinem kompletten Gewicht auf mir, aber trotzdem mit soviel, dass ich keine Chance habe meine Beine zu bewegen. Ich bin mich schutzlos ausliefert. „Ich höre erst auf, wenn du sagst, dass meine Jacke nicht aussieht wie eine Gewürzgurke!",fordert er und kitzelt mich ohne Pause weiter. „Aber es ist doch ein Kompliment! Gewürzgurken sind cool und zudem noch extrem lecker!",kichere ich. „Meine Jacke hat aber nichts mit einer Gewürzgurke zutun! Sie ist weder grün, noch wird sie in einem Glas mit Gurkenwasser aufbewahrt!", erklärt er, während er mir kurz eine Pause zum Atmen lässt. „Aber die hat auch diese komischen Pickel!", rechtfertige ich meine Aussage. Mein Bruder hat sich heute eine neue Jacke gekauft und sie mir ganz stolz präsentiert. Als er dann gefragt hat, wie ich sie finde ,habe ich ganz ehrlich drauf geantwortet. Sie sieht mit diesen Pickeln halt eben aus wie eine Gewürzgurke, da kann man nichts machen. Anscheinend hatte er mit so einer Antwort nicht gerechnet zumindest seinem erschrockenem Gesichtsausdruck zufolge. „Das sind keine Pickel sondern Nieten! Außerdem war sie teuer!". „Wie viel hat die Gewürzgurke denn gekostet?",frage ich neugierig. „7800€ sie ist nämlich von einer kleinen Boutique!", beantwortet er mir meine Frage. „Oh!",flüstere ich erschrocken. „Das ist teuer!", stelle ich fest! Überzeugend nickt Alejandro. „Und warum hast du sie nicht im Supermarkt gekauft? Da gibt es sogar sechs in einem Glas! Dann hätte ich auch eine gehabt!", stelle ich traurig fest. „Amelia, die Jacke ist verdammt nochmal keine Gewürzgurke! Die kannst du anziehen, weil sie dich warm hält und dazu noch schön aussieht! Du kannst sie aber nicht in einem Glas kaufen, wo noch fünf andere drin sind!",verdeutlicht mir mein Bruder. Anhand seiner Tonlage merke ich, dass er deutlich genervt ist. „Tut das nicht weh ? Ich meine diese Pickel!", frage ich zögerlich und nähere mich mit meinem Finger diesen komischen Spitzen. „Diese ‚Pickel' werden auch Nieten genannt und nein, sie tun nicht weh!". „Trotzdem braucht man diese Pickel nicht! Vor allem wenn man bedenkt, dass du voll über den Tisch gezogen worden bist! Letzte Woche waren die Gewürzgurken nämlich noch im Angebot!", stelle ich klar.

„Ok, Amelia! Ich gebe auf! Du kannst denken was auch immer du willst, aber wenigstens habe ich jetzt endlich eine coole Jacke!". „Wenigstens habe ich eine Jacke, die keine Pickel hat!", protestiere ich. „Wenigstens kann ich mir solch eine Jacke leisten!", kontert er. „Wenigstens kaufen unsere Eltern mir alles, weshalb ich nicht arbeiten muss um Geld zu verdienen!". „Ich bin dreizehn! ich arbeite auch noch nicht!", stellt er belustigt klar. „Woher hast du dann das Geld?", frage ich verwirrt. „Betriebsgeheimnis!", erwidert er nur fies grinsend. „Wenigstens kann ich schon alleine irgendwas machen!", stelle ich fest. „Was denn?" „Pipi machen, essen, trinken und- ", unterbrochen werde ich durch das Lachen meines Bruders. „Das kann ich schon lange!", lacht er und kriegt sich kaum noch ein. „Das stimmt nicht!", protestiere ich. Amüsiert guckt er mich an! „Du hast dich letzten Montag noch an einem Stück Pizza verschluckt und bist fast verreckt! Mir ist das noch nie passiert!", erkläre ich mit verschränkten Armen. „Weil dir alles in Mundgerechte Stücke geschnitten wird! Selbst wenn du dich einmal verschluckst, macht das keine Probleme, weil das Stück so klein ist!", behauptet er. „Das ist jetzt egal! Ich will auch so eine Jacke mit Pickeln!", wechsle ich das Thema. „Die kriegst du aber nicht!". „Und warum nicht?". „Okay, hör zu! Wir holen jetzt gleich unsere anderen Brüdern und spielen mit den Verstecken! Du suchst! Wenn du es schaffst mich als erstes zu finden, dann organisiere ich dir auch so eine Jacke! In Ordnung?", schlägt er vor und streckt seine Hand aus. Kurz überlege ich. Es ist das erste mal, dass ich suchen müsste. Sonst habe ich mich immer nur mit einem Handy von einem meiner Brüder versteckt und solange Fotos gemacht, bis sie mich gefunden haben. Ein kleiner Motivationsschub fürs schnellere Suchen. „In Ordnung!", stimme ich zu. Ich habe sowieso nichts zu verlieren. „Wenn du aber mich nicht als erstes findest, dann sagst du nie wieder, dass die Jacke wie eine Gewürzgurke aussieht, verstanden?". Einverstanden nicke ich. Das könnte ich dann zumindest versuchen.

Schlussendlich habe ich Alejandro, der der festen Überzeugung war, dass ich Valentino zuerst finden würde, zuerst gefunden. Nun bin ich stolze Besitzerin einer Jacke mit Pickeln. Anziehen werde ich sie aber nie! Dazu ist sie viel zu hässlich!

Flashback :Ende

„Dort ist er!", schreie ich überglücklich und zeige auf einen kleinen Fleck auf einer Parkbank! „Endlich!", stöhnt Matteo erleichtert. Am liebsten wäre er bei unseren zwei Brüdern bei den Wohnmobilen geblieben, aber ich konnte ihn noch überzeugen mitzukommen. Hätte ich das mal lieber gelassen!

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt