Kapitel 81

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Outside- Calvin Harris
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„Gehts wieder?", fragt meine Mutter fürsorglich. Leicht benommen nicke ich, während ich Sophie weiterhin im Blick behalte. Meine Angst gegenüber ihr ist immer noch immens, allerdings entspanne ich mich so nach und nach, da ich weiß, dass sie mir hier und jetzt nicht wehtuen kann und auch nicht wird. Wäre ich mit ihr alleine in einem Raum, dann wäre es aber schon wieder was anderes! „Warum hast du Angst vor mir, Amelia?", fragt mich Sophie erneut allerdings flüsternd. Deutlich hörbar schlucke ich und überlege, ob ich die Wahrheit sagen oder mir eine Notlüge ausdenken soll...
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Amelia

Ich entscheide mich dann aber doch recht schnell für die Wahrheit. Wahrscheinlich würden sie meine Lüge sowieso sofort entlarven und dann hätte ich ein noch größeres Problem als ich sowieso schon habe. Deswegen versuche ich die Wahrheit so kurz und schmerzlos wie möglich zu erzählen, wobei das deutlich schwieriger als gedacht erscheint. Wie soll ich bitte anfangen? Ich lag im Bett, hab geträumt, eher gesagt ziemlich schlecht geträumt und habe jetzt bei allem Probleme oder wie? Durch mein überlegen werden die anderen immer ungeduldiger und ihre Besorgnis steigt. Dank eines innerlichen Rucks schaffe ich es aber letztendlich meine Stimme wiederzufinden und mein Verhalten der letzten Tage zu erklären. „Es tut mir so leid! Es tut mir leid, dass ihr euch solche Sorgen macht! Ich habe vorletzte Nacht sehr schlecht geträumt. Dieser Traum taucht immer wieder auf und ich kann nichts dagegen machen! Das ist alles!", erkläre ich unter Tränen und versuche mit dieser kurzen Zusammenfassung die anderen ein bisschen zu beruhigen. Mein Plan geht allerdings überhaupt nicht auf, denn alle sitzen immer noch sichtbar angespannt auf dem Sofa verteilt und beobachten mich. In ihren Augen erkenne ich aber kein Misstrauen, Skepsis oder gar Wut, nein. Ich erkenne Mittleid. Mittleid und vor allem Sorge. „Wovon handelte dieser Traum?", fragt mein Vater fürsorglich und vorsichtig nach. Seine Tonlage ist ziemlich beruhigend gewählt, weshalb ich keine Sekunde zögere zu antworten. Auch wenn mir diese Antwort alles andere als leicht fällt, besonders weil Sophie dabei ist. Sie wird ziemlich geschockt aber auch verletzt sein, dass ich sowas von ihr denke. Das ich denke sie würde mich schlagen und beleidigen. Mich erniedrigen und verletzen. Sollte ich Sophie aber jetzt rausschicken, dann würden sich die Gefühle trotzdem entwickeln. Sie würde sich dann eigenständig eine Geschichte ausmahlen und ich weiß nicht, ob diese besser wäre als meine. Das es in dieser Geschichte um sie geht ist dadurch, dass ich sie rausschicke mehr als sichtbar. Am besten wäre es dementsprechend einfach den Traum zu erzählen, damit ich mich direkt bei ihr entschuldigen kann. So mache ich es dann auch. „Ich bin in einem anderen Leben aufgewacht. Ich wurde von drei Frauen schikaniert, gedemütigt, beleidigt und auch geschlagen. Ich wurde geschlagen, weil ich zu spät aufgestanden bin. Ich wurde geschlagen als ich stehengeblieben bin um mir den Raum einzuprägen. Ich befand mich in einer kleinen Abstellkammer. Es befand sich lediglich ein kleines Fenster und ein Metallgestell was als Bett diente in diesem Raum. Die ganzen Schläge und Tritte der Frau haben sich so real angefühlt. Es hat sich angefühlt, als würde ich innerlich verbluten. Als würde ich sterben. Nach ein paar Minuten bin ich unter starben Schmerzen aufgestanden und unfreiwillig runter in die Küche gegangen, wo ich Frühstück machen sollte.  Das Haus war abgesehen von der Abstellkammer sehr schön und einladend gestaltet. In der Küche wurde ich von der Frau und zwei weiteren schon erwartet. Zwei Frauen waren mir unbekannt. Die dritte allerdings nicht. Die dritte warst du Sophie!", erzähle ich und blicke bei dem letzten Satz zu Sophie, welche gleich vor Schock vom Sofa fällt.

„Du hast mich angeschrien, dass ich nicht so dumm glotzen soll. Du hättest hunger und ich solle jetzt sofort was machen! Dann hast du mir eine Backpfeife verpasst. Immer mehr bist du ausgerastet und hast mich erniedrigt. Um mich zu schützen bin ich in die Küche gegangen um dir das Essen zuzubereiten, wobei mir aber die Eier runtergefallen sind. Mir wurde gesagt, dass ich nicht einmal Lebensmittel verdient hätte. Zu dritt habt ihr mich dann so sehr misshandelt, dass ich das Bewusstsein verloren habe. Ich bin in meinem Körper und meinem Zimmer wieder aufgewacht!", beende ich meine Erzählung.

Die Tränen, die mir während meiner Erzählung vereinzelt über die Wangen gerollt sind, haben sich mittlerweile zu Wasserfällen entwickelt. Schniefend versuche ich diese irgendwie zu stoppen, gebe es aber nach ein paar Sekunden auf. Es sind einfach zu viele. Ich lasse sie einfach laufen. Verunsichert vor Sophies Reaktion richte ich meinen Blick zu den Gesichtern der anderen. Tatsächlich bin ich ziemlich überrascht, als ich ihre Gesichtsausdrücke sehe. Ich habe damit gerechnet, dass sie sauer sind oder es lächerlich finden, aber nichts dergleichen. Stattdessen sind sie verständnisvoll. „Ihr seid nicht wütend?", frage ich irritiert nach. „Warum sollten wir wütend sein?", fragt Blake mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Ich meine ich habe euch am Anfang angelogen und euch nicht die Wahrheit erzählt!". „Natürlich wäre es besser gewesen, wenn du uns davon erzählt hättest, aber ich kann dich verstehen!",antwortet mein Vater. Nun bin ich diejenige, die irritiert ist. „Ich hätte es wahrscheinlich auch erstmal niemanden erzählt. Ich hätte versucht alleine damit klarzukommen wie du es getan hast!". Ein leichtes Lächeln macht sich in meinem Gesicht bemerkbar. „Also das hast du eindeutig von deinem Vater geerbt. Ich wäre vermutlich zu der nächsten Person gerannt und hätte alles unter Tränen erzählt. Aber ich kann dich verstehen und bin stolz auf dich, dass du dich letztendlich aber trotzdem getraut hast uns alles zu erzählen.", schaltet sich nun auch meine Mutter ein. „Ist halt ganz meine Tochter", erwidert mein Vater breit grinsend und zieht mich von Lucianos Schoß auf seinen. Die Stimmung ist schon deutlich aufgelockerter als vor ein paar Minuten, allerdings belastet mich eine Sache immer noch extrem. Sophie.

„Ich kann verstehen, wenn du jetzt ziemlich enttäuscht von mir bist. Ich wäre es an deiner Stelle auch! Es tut mir leid, dass - ", weiter komme ich nicht, da Sophie plötzlich ausgeht und auf mich zukommt. Es passiert alles schneller als ich reagieren kann, weshalb ich mich die ersten Sekunden völlig versteift in der Umarmung meiner besten Freundin befinde. Nach wenigen Sekunden entspanne ich mich aber, weshalb ich die Umarmung vorsichtig erwidere. „Du musst dich nicht entschuldigen! Es war ein Traum und dafür kannst du nichts! Ich habe dich immer noch genauso lieb wie davor!", nuschelt sie mir ins Ohr. Ich kann nicht anders, als breit anfangen zu grinsen. Dann lösen wir uns voneinander. „Also ist alles wieder gut?", fragt Lina hoffnungsvoll nach. „Das Trauma ist noch nicht ganz weg, aber durch das erzählen schon deutlich geringer geworden! Ich werde sehen, wie es sich im Alltag entwickelt, aber sobald ich Hilfe brauche oder jemanden zum reden, werde ich Bescheid geben!", erkläre ich erleichtert. Durch das Gespräch ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen und meine Angst gegenüber Sophie ist fast vollständig verschwunden.

„Ich weiß auf jeden Fall wie wir dir helfen können!", merkt meine Mutter stark lächelnd an. Verwirrt ruhen unsere Blicke auf ihr. Anscheinend weiß nur sie es. „Wir fahren für ein paar Tage in den Urlaub! Nicht nach Spanien oder in andere Länder , sondern wir bleiben hier. Wir gehen campen!", verkündet sie. Bei dem Wort ‚campen' fällt Leonardo vom Sofa und auch den anderen ist der Schock ins Gesicht geschrieben.

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt