Kapitel 88

852 41 0
                                    

You Belong With Me- Taylor Swift
-
„Du hast was gemacht?!",fragt Luciano nur so brodelnd vor Wut. „Und du bist dir wirklich sicher, dass sie einen stetigen Blickkontakt mit diesen unbekannten Jungen hatte?",fragt Leonardo zischend. Betreten nicke ich. Ich schäme mich enorm für mein Verhalten. Egal wie sauer ich war, ich hätte nie so aggressiv ihr gegenüber werden dürfen. Ich hoffe sie verzeiht mir irgendwann.
-
Amelia

Allmählich fange ich an mich zu beruhigen. Dies schaffe ich aber auch nur, weil mein ältester Bruder da ist und mir den Trost spendet, den ich brauche. Gelassen sitzt Blake mit mir auf dem Schoß auf einem großen Stein und fährt mit seiner Hand beruhigend über meinen Rücken. Seine Fingerkuppen streichen dabei sanft über meine Haut, was ein wohliges Gefühl in mir auslöst. Nach kurzer Zeit werden meine Schluchzer immer weniger und meine Tränen immer seltener. er macht so lange mit seinen Bewegungen weiter, bis schließlich keine Tränenflüssigkeit mehr übrig ist und ich mich vollständig beruhigt habe. „Geht es wieder?", fragt mein Bruder fürsorglich. Schniefend nicke ich. Durch das Weinen ist leider meine Nase zugegangen, weshalb ich mich nun wahrscheinlich anhöre wie ein Nashorn mit Erkältung. Dementsprechend setze ich lieber auf eine nonverbale Kommunikation. Schmunzelnd reicht er mir ein Taschentuch, welches ich dankend annehme. „Und wie sah der Junge aus? War er wenigstens hübsch, sodass sich die kleine Diskussion mit Valentino gelohnt hat?". Mit so einer Frage habe ich absolut nicht gerechnet vor allem nicht von Blake. Schließlich war er schon immer gegen Jungs oder generell Männer in meiner Nähe. Sobald er meinen geschockten Blick sieht fängt er augenblicklich an zu lachen. „Jetzt guck nicht so entsetzt!", prustet er. „Seit wann rastest du nicht aus, sobald ich mit dem anderen Geschlecht in Kontakt komme?", frage ich sichtlich überrascht. Meine Stimme ist zum Glück durch das Nase putzen wieder ganz normal, aber selbst wenn nicht , dann hätte ich dem keine Aufmerksamkeit geschenkt. Das mein Bruder so entspannt mit dem Geschehnis umgeht erstaunt mich viel zu sehr.

„Mir ist erst aufgefallen wie sehr wir dich einschränken und schon fast über dich bestimmen, als unser Bruder dich eben gerade fast angeschrien hat. Unser Ziel ist, dass du glücklich wirst und deinen Weg gehst. Deine Reise. Wenn du auf deinem Weg einen kleinen Umweg gehst, heißt es nicht, dass dieser direkt schlecht ist. Vielleicht findest du dort jemanden mit dem du deinen Weg gemeinsam gehen möchtest. Ich möchte dir nichts verbieten und dir deine Wege nicht zu Sackgassen machen ,wo vorher keine waren. Selbst wenn es von vornherein eine war. Dann drehst du halt um und gehst einen anderen Weg. Ich bin mir sicher, dass du deinen Weg finden wirst, denn das hast du bisher auch geschafft. Deine bisherige Reise hat dich zu dem gemacht, was du jetzt bist und ich bin so unglaublich stolz auf dich. Ich möchte dir nicht im Weg stehen, sondern lieber hinter dir ,um dir den Rücken zu stärken und dir den Halt zu geben, den du brauchst. Unser Leben ist gefährlich und wer weiß, ob ich bald sterben werde. Vielleicht sterbe ich in den nächsten Wochen, vielleicht in den nächsten Monaten, aber vielleicht auch erst in 100 Jahren. Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich möchte aber, dass du weißt, dass du bist zu meinem letzten Atemzug auf mich und meine Unterstützung zählen kannst. Ich möchte für dich der große Bruder sein, dem du immer vertrauen kannst und durch den liebevolle Erinnerungen in dir geweckt werden. Ich möchte dir alle Möglichkeiten auf deinem Weg zeigen und dir die Chance geben sie zu erkunden. Du wirst sicherlich auch einmal die ein oder andere schlechte Erfahrung machen, aber daraus wirst du lernen. Wie es laufen wird, das entscheidet womöglich das Schicksal. Doch wie es dir damit geht, entscheidet dein Kopf. Ich kann nicht zurückgehen und den Anfang ändern, allerdings kann ich jetzt neu anfangen und das Ende ändern. Wenn du langsam ein Interesse für Jungs entwickelst, dann werde ich dir auf der Suche nach dem Richtigen helfen. Ich werde dir nicht länger mehr verbieten selbst auszusuchen, welchen Weg du gehen möchtest. Ich bin stolz auf dich wie tapfer du dich bisher durchgeschlagen hast ,egal wie schwer es teilweise war. Ich habe dich lieb, kleine Schwester!", flüstert er die letzten Worte und drückt mir anschließend einen Kuss auf die Nasenspitze. Diese Worte muss ich erst einmal verarbeiten. Nie habe ich mir bewusst gemacht, wie schwer es für meine Familie ist, mich meinen Weg gehen zu lassen. Sie versuchen stets den einfachsten Weg für mich herauszusuchen, damit ich nicht enttäuscht werde und aufgebe. Sie wollen, dass ich nie aufhöre den Glauben in mich selber zu verlieren. Sie wollen nicht, dass mir unnötig Steine in den Weg gelegt werden, die ich vielleicht alleine nicht mehr aus dem Weg kriege und anschließend daran verzweifle. Sie versuchen den Weg so schnell wie möglich mit mir zusammen zu gehen, da sie nicht wissen ab wann ich ihn alleine gehen muss. Sie haben Angst.

Diese Erkenntnis trifft mich ziemlich hart. Valentino hat mich nicht angeschrien, weil er es einfach nicht will. Nein, er hat mich angeschrien, weil er Angst um mich hat. „Ich-", fange ich an halte aber dann doch inne. Meine Kopf ist im Moment ein reinstes Desaster. Die Worte von meinem Bruder hallen immer wieder durch mein Kopf und nach und nach fügt sich das Puzzle. All die Fragen die ich mir in meinem Leben bisher gestellt habe, beantworten sich von selbst. „Alles gut! Du muss nichts sagen. Ich weiß, dass es ziemlich viel auf einmal war, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du es nach und nach verstehen wirst!", redet er behutsam auf mich ein. Wie unter Schock sitze ich immer noch in seinem Schoß und kriege kein Wort über die Lippen. Ich bin maßlos überfordert, wie ich reagieren soll. Es ist einfach so viel für mich, zu viel. „Du siehst ziemlich erschöpft aus! Am besten wir gehen mal zurück zu den anderen. Die machen sich sicherlich auch schon Sorgen, wo wir bleiben!", beschließt Blake. Mit weit aufgerissenen Augen schaue ich meinen Bruder ins Gesicht. Wie geht es Valentino jetzt gerade? Er macht sich sicherlich fürchterliche Vorwürfe, dass er mir gegenüber so einen Ton verwendet hat. Dabei war es gar nicht er selbst, der diesen verwendet hat. Ganz alleine seine Angst hat aus ihm gesprochen. Er kann überhaupt nichts dafür. „Wir müssen uns beeilen! Valentino!", dass sind die einzigen Wörter, die ich in meinem aktuellen Zustand aus mir herausbekomme.

Anscheinend versteht mein Bruder aber direkt meine Sorge. Unsere andere Brüder helfen momentan sicherlich nicht dazu bei, Valentinos schlechtes Gewissen zu reduzieren. Umgehend erhebt sich Blake mit mir in seinen Armen und wir machen uns auf direktem Wege zurück zu den anderen. Hoffentlich kommen wir rechtzeitig, bevor Valentino sich noch verrückt macht!

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt