{Kapitel 12}

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Irgendwas kitzelt in meinem Ohr. Ich schüttele meinen Kopf um die nervige Fliege zu verscheuchen. „Shh Josi, bleib noch kurz ruhig liegen, bitte", spricht Papa zu mir.

Hä? Wo kommt der denn jetzt her?

Das etwas bleibt in meinem Ohr und fängt plötzlich an zu piepen. Jetzt verstehe ich erst, dass es wohl ein Fieberthermometer ist. Phil hatte schließlich angekündigt, dass er nochmal Fieber messen wolle. Wie spät es wohl gerade ist? Ich setze mich vorsichtig auf. Die Küchenuhr zeigt 19:32 Uhr an. Wahrscheinlich gibt es gleich Abendessen und ich wurde deswegen geweckt.

„So, Josi, ich glaube das gröbste der Grippe hast du überstanden. Du hast nur noch leicht erhöhte Temperatur und der Husten scheint auch so gut wie weg. Was magst du denn zu Abend essen?", spricht Papa alles aus, was ich mir schon gedacht habe. So wirklich Hunger auf Abendessen habe ich jetzt nicht und somit zucke ich mit den Schultern. Er hat sich bestimmt so oder so schon Gedanken gemacht, was es zu Abend gibt. „Okay", er zieht das Wort ziemlich in die Länge. „Also ich hätte entweder Zwieback oder Brot im Angebot. Alternativ könnten wir aber auch Nudeln mit Tomatensoße kochen, immerhin hattest du schon länger keine warme Mahlzeit mehr."

Wir einigen uns auf die Nudeln und befiehlt mir auf dem Sofa zu bleiben, während er kocht. Da ich aber dringend auf Toilette muss stehe ich trotzdem auf und mache mich langsam auf den Weg. Mein ganzer Körper ist noch geschwächt und ich schwanke ein bisschen, aber den Weg bis ins Bad werde ich schon schaffen. Als ich fast im Bad angekommen bin, meldet sich mein Husten. Mein ganzer Körper wird durchgeschüttelt und ich muss mich an der Wand abstützen um nicht zusammenzusacken. Mit letzter Kraft schaffe ich es ins Bad und lass mich auf den noch geschlossenen Toilettendeckel sinken. Das war eine wirklich schlechte Idee, alleine ins Bad zu wollen, aber jetzt ist es so oder so zu spät für einen Rückzieher.

Ungefähr fünf Minuten vergehen bis Papa anscheinend auffällt, dass ich nicht mehr auf der Couch sitze, denn ich höre hektische Schritte und wie er meinen Namen ruft. Ich habe nicht wirklich die Kraft ihm zu antworten und kralle mich nur an dem Deckel fest um nicht hinunterzufallen. Ich halte mich so stark fest, dass meine Knöchel weiß anlaufen und zu schmerzen beginnen.

Papa taucht im Flur auf und da man von der Wohnzimmertür aus eine gute Sicht auf das Badezimmer hat, entdeckt er mich relativ schnell und kommt auf mich zu geeilt. „Mensch, Josi, ich habe doch gesagt du sollst auf der Couch bleiben, bis ich das Essen fertig gekocht habe. Es kann doch nicht sein, dass du dich mir mutwillig widersetzt! Stell dir vor du wärst nochmal umgekippt, weil dein Kreislauf noch nicht ganz auf der Höhe ist!", schimpft Papa sofort los. „Man, Papa, mir gehts doch gut! Außerdem war es dringend und du gerade beschäftigt. Zudem ist der Weg ja auch nicht weit", verteidige ich meine Handlung. Ich bin ja kein kleines Kind mehr, welches bei jedem Schritt beobachtet werden muss. Papa scheint das nur noch wütender zu machen: „Du weißt doch, dass ich dir sofort geholfen hätte, wenn du mich gefragt hättest! Kannst du dir überhaupt vorstellen wie schlecht es wäre, wenn du mit deiner Gehirnerschütterung noch mal auf den Kopf gefallen wärst? Ich glaube nämlich nicht, denn sonst würdest du dich wie jeder andere schonen, dem vom Arzt gesagt wurde, dass er sich..."

Papa wird durch ein Räuspern unterbrochen. Phil lehnt mit verschränkten Armen im Türrahmen und schaut uns beide verärgert an. „Paps, ich glaube es wäre besser, wenn du dich kurz abregst und mich mit Josephine reden lässt", spricht Phil in die entstandene Stille. Aber wenn er mich schon „Josephine" nennt muss er selber auch ziemlich sauer sein. Papa verlässt den Raum und mein Bruder wendet sich wieder mir zu. Bevor er anfängt zu reden atmet er selber kurz durch und schließt für einen Moment die Augen. Dann beginnt er: „So, Josi, ich gehe stark davon aus, dass du einsiehst, wie gefährlich diese Aktion für deine eigene Gesundheit war? Ich werde ich jetzt nicht nochmal belehren, sondern du wirst jetzt tun, was du tun wolltest und dann werden wir gemeinsam zurück ins Wohnzimmer gehen, verstanden?" Ich nicke ergeben und Phil verlässt das Bad. Natürlich lehnt er die Tür nur an. „Immerhin könnte mir ja sonst was passieren". Wie mir diese totale Fürsorge auf den Keks geht. Warum glauben die mir nicht, wenn ich ihnen sage, dass es mir gut geht? Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich verstehe nicht mal genau wieso. Aber sie übermannen mich einfach.
„Josi, alles gut bei dir?", fragt da auch schon Phils Stimme von draußen. Ich räuspere mich damit er nicht hört, dass ich weine und rufe ein „Ja" zurück. Da ich mich jetzt beeilen muss stehe ich schnell auf und gebe meinem dringenden Bedürfnis nach. Als ich danach in den Spiegel schaue, denke ich kurz, dass das unmöglich ich sein kann. Meine Haut ist blass und ich habe trotz des vielen Schlafes tiefe Augenringe. Auch meine rotgeweinten Augen machen mein Gesamtbild nicht besser. Jetzt kann ich ein bisschen verstehen, dass sich alle Sorgen machen.

Bester SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt