18. Arztbesuch

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Philipps erstaunter Blick löste sich von seiner Arbeit und landete bei mir. „Nicht schlecht" „ Halt die Klappe, das hab ich nur dir zu verdanken" lachte er plötzlich los. Ohne nachzudenken, stimmte ich mit ein. Karo warf einen planlosen Blick in die Runde und biss sich auf ihrer Lippe herum.

„Was habt ihr?" „Eine 2" „Ich auch". Das Gesicht zu einer genervten Miene verzogen, stöhnte sie unbeeindruckt: „ Ihr könnt gut reden. Ich habe einfach eine vier in einer verfickten Englisch Arbeit" „ Ist das jetzt der Weltuntergang?" fragte Philipp sie. „ Mein Vater macht mich einen Kopf kürzer, wenn er erfährt, dass ich die Woche vor der Arbeit damit verbracht habe, traurige Filme zu schauen und mir heulend Eis rein zu schaufeln".

Philipp verzog die Mundwinkel. „ Klingt nach Scheiße" „Großer Scheiße du sagst es" fluchte Karo. „ Ich muss mal raus frische Luft schnappen". Danach verschwand sie, ohne Tschüss zu sagen. „ Na, siehst du eine zwei in der Arbeit ist doch mal was Gutes oder nicht?" „Ich habe mich nie beschwert oder?" „Aber du hattest Schiss" „Ach was" stummelte er.

Fröhlich harkte mein Arm sich bei ihm ein, und mit einem Ruck zog ich seinen Körper zu mir. „Du bist meine Retterin Jessie" hörte ich ihn sagen. Sanft drückte ich meine Stirn gegen seine Brust und verstummte für einen Moment. Wir regten uns nicht in unserer Position und blieben still auf einem Fleck stehen.

Ich spürte seine Wärme auf meiner Haut, seine Zuneigung und Liebe. Hier genau jetzt wollte ich bleiben. Dieser Moment sollte ewig sein, dachte ich mir. „ Ach ja, das Leben ist schön und zugleich grausam" „ Gerade ist es schön, weil du vor mir stehst" „Hm aha ist das so?" „Provozier mich nicht" ärgerte ich zurück, schob meine Hände an seine Schultern und drückte ihn von mir weg.

„ Wie hat es sich angefühlt?" fragte Philipp ohne dass ich so wirklich wusste, was er meinte. Ratlos zuckte ich mit den Schultern. „ Drück dich klar aus. Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst" „Du sollst mir sagen, wie es sich angefühlt hat, als ich dich geleckt habe". Für ein paar Sekunden schnürte mir diese unerwartete Frage die Luft ab.

Spätestens jetzt wusste ich, was er meinte, knallrot angelaufen, überlegte ich, was ich antworten soll. Damals hatte ich mich öfter gefragt, wie sich genau diese Sache anfühlte. Heute wusste ich es. „ Merkwürdig gut" antwortete ich mit einem Schmunzeln auf seine Frage.

Ich war kurz davor, mich über meine Antwort lustig zu machen, weil es schon komisch klang. „ Mir hat nichts mehr gefallen als dieser eine Moment mit dir". Ich spürte, wie sich ein Lächeln von Kopf bis zu den Zehen ausbreitete und sich dann warm um mein Herz legte.

Ehe ich mich versah, fuhr ein schwarzer BMW in die Einfahrt der Schule und hielt ein paar Meter vor mir. Ein vertrautes Gesicht war zu erkennen, und prompt erinnerte ich mich daran zurück, dass genau heute der Arzttermin war. „ Ich muss dann wohl los. Wir sehen uns morgen" „ Kannst du mir mal bitte sagen, wer das da im Auto ist? Irgendein fremder auch noch gut aussehender Typ, der dich abholt?".

Ein Lachen überfiel mich, und ich schüttelte mit dem Kopf. „ Bist du bekloppt? Das ist mein Bruder Daniel. Er war ein halbes Jahr mit seiner Freundin in Frankreich. Jetzt ist er wieder hier, um uns zu besuchen, kein Grund zur Sorge" erklärte ich ihm kurz und knapp.

Sein verwirrtes Gesicht verschwand und sein ruhiger Ausdruck, wie ich ihn kannte, war wieder zurück. „ Wir fahren zum Arzt" „Endlich hörst du mal auf das was man dir sagt" „ Beeindruckend nicht wahr?" sagte ich zu ihm, bevor ich auf dem Beifahrersitz von Daniels Auto saß.

Kaum fiel die Tür zu, führte Daniel seine Hand ans Lenkrad und trat ins Gaspedal. „ Glaub mir, Jessie, der Arzt ist nicht Satan alles wird gut" kam plötzlich von ihm. „ Ich hab nie gezweifelt" sagte ich hinzu mit einem Kloß im Hals. Daniels besorgten Blick fühlte ich förmlich in meinem Nacken, als ein kalter Schauer über meinen ganzen Rücken lief.

Mein Körper rührte sich kein Stück vor Anspannung und Nervosität. Der Wagen blieb ruckartig stehen, und vor uns erstreckte sich eine mittelgroße Arztpraxis. Lange, schmale Fenster zierten den Eingangsbereich mit grau weißen, fast durchsichtigen Vorhängen, die Automatik Tür schob sich auf, und ein strenger, ungewohnter Geruch stieg in meine Nase.

Fast schon drehte ich mich wieder in Richtung Tür, doch Daniel stand bereits am Empfang. Eine Frau mit schwarzen locken, einem Kittel und dunklen braunen Augen tippte auf ihrer PC Tastatur herum, bis sie einen kleinen Zettel auf dem Tresen ablegte.

Expire - Kampf gegen den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt